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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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wollte, dann dürfte der Verletzte die vollkommene Exekution bei dem Kreisaus-
schreibeuden Fürsten, oder dem Kreis-Obersten, oder aber auch bei Kaiserlicher
Majestät selber, "durch absonderlich ohne Aufenthalt zu verordnenden OoiAnüssarins
ÄÄ loczg.," nachsuchen. Grade um diese Zeit, d. h. nach dem Westphälischen
Friedensschluß, wäre aber eine scharfe Handhabung der Reichsexekutions-
Ordnung recht nothwendig gewesen. Viele Stände weigerten sich, den Be¬
stimmungen des Friedens - Instruments nachzukommen, sofern dadurch ihr
Interesse geschädigt wurde, namentlich wenn es sich um Wiederabtretung während
des Krieges okkupirter Landestheile handelte. Die Streitigkeiten darüber nahmen
kein Ende und erstreckten sich bis in die ersten Jahrzehnte des neuen Jahr¬
hunderts hinein.

Ganz abgesehen von solcher Renitenz gegen völkerrechtlich gewordene
Friedensverträge gaben noch im Jahrhundert der Aufklärung wahrhafte Baga¬
tellen, wie Verletzung des Jagd- oder des Weiderechts, häufig genug Veran-
lassung zu Streitigkeiten, die nicht selten zu brutaler Selbsthilfe führten. Im
Jahre 1726 unternahm die Reichsstadt Nördlingen wegen verschiedener Klagen
gegen den Fürsten von Oettingen einen Streifzug in dessen Land und führte
eine Anzahl Gefangene als Geiseln mit sich. Der Fürst, nicht in der Lage,
die Stadt mit stürmender Hand nehmen zu können, verfügte eine Viktualien-
sperre gegen dieselbe. Es war dies eine für Nördlingen nicht ganz unbedenk¬
liche Maßregel, da es, überall von Oetting'sehen Gebiet umgeben, mit der Zeit
ausgehungert werden konnte. Der Kaiser legte sich in's Mittel, und die Reichs¬
stadt mußte die Gefangenen wieder herausgeben; damit hatte jedoch der Streit
noch lange kein Ende. Anno 1742 okkupirte der Kurfürst von der Pfalz un¬
versehens einen großen Theil der Grafschaft Sayn, Altenkirchen'schen Antheils,
worauf sich aber das westphälische Kreisausschreibe-Amt nachdrücklich in's
Mittel legte und den Kurfürsten vermochte, von seinen unbefugten "Attentatis"
wieder abzustehen. Noch im Jahre 1749 kam es zwischen Mainz und Würz¬
burg, -- zwei geistlichen Fürsten, -- zur offenen Fehde wegen eines streitigen
Forstes. Köln und Kurpfalz kämpften mit gewaffneter Hand um gewisse
Strombauten, welche der eine Staat anlegen, der andere aber nicht dulden
wollte. Zur Behauptung eines von Hessen-Darmstadt bestrittenen Rechtes des
Kurfürsten von der Pfalz auf einen im jenseitigen Gebiete zu erhebenden
Zehnten fielen kurpfälzische Truppen in Hessen ein und führten mit Gewalt
die eingesammelten Früchte aus den Scheunen der Unterthanen weg.

Waren Kaiser und Reich bei ihrer notorischen Schwäche nur zu oft nicht
im Stande, die offene Fehde zu verhüten, fo durfte man es schon als ein
Glück erachten, wenn sie wenigstens dem entbrannten Kampfe ein baldiges Ziel
zu setzen vermochten. Wir könnten noch eine reiche, allerdings auch recht


wollte, dann dürfte der Verletzte die vollkommene Exekution bei dem Kreisaus-
schreibeuden Fürsten, oder dem Kreis-Obersten, oder aber auch bei Kaiserlicher
Majestät selber, „durch absonderlich ohne Aufenthalt zu verordnenden OoiAnüssarins
ÄÄ loczg.," nachsuchen. Grade um diese Zeit, d. h. nach dem Westphälischen
Friedensschluß, wäre aber eine scharfe Handhabung der Reichsexekutions-
Ordnung recht nothwendig gewesen. Viele Stände weigerten sich, den Be¬
stimmungen des Friedens - Instruments nachzukommen, sofern dadurch ihr
Interesse geschädigt wurde, namentlich wenn es sich um Wiederabtretung während
des Krieges okkupirter Landestheile handelte. Die Streitigkeiten darüber nahmen
kein Ende und erstreckten sich bis in die ersten Jahrzehnte des neuen Jahr¬
hunderts hinein.

Ganz abgesehen von solcher Renitenz gegen völkerrechtlich gewordene
Friedensverträge gaben noch im Jahrhundert der Aufklärung wahrhafte Baga¬
tellen, wie Verletzung des Jagd- oder des Weiderechts, häufig genug Veran-
lassung zu Streitigkeiten, die nicht selten zu brutaler Selbsthilfe führten. Im
Jahre 1726 unternahm die Reichsstadt Nördlingen wegen verschiedener Klagen
gegen den Fürsten von Oettingen einen Streifzug in dessen Land und führte
eine Anzahl Gefangene als Geiseln mit sich. Der Fürst, nicht in der Lage,
die Stadt mit stürmender Hand nehmen zu können, verfügte eine Viktualien-
sperre gegen dieselbe. Es war dies eine für Nördlingen nicht ganz unbedenk¬
liche Maßregel, da es, überall von Oetting'sehen Gebiet umgeben, mit der Zeit
ausgehungert werden konnte. Der Kaiser legte sich in's Mittel, und die Reichs¬
stadt mußte die Gefangenen wieder herausgeben; damit hatte jedoch der Streit
noch lange kein Ende. Anno 1742 okkupirte der Kurfürst von der Pfalz un¬
versehens einen großen Theil der Grafschaft Sayn, Altenkirchen'schen Antheils,
worauf sich aber das westphälische Kreisausschreibe-Amt nachdrücklich in's
Mittel legte und den Kurfürsten vermochte, von seinen unbefugten „Attentatis"
wieder abzustehen. Noch im Jahre 1749 kam es zwischen Mainz und Würz¬
burg, — zwei geistlichen Fürsten, — zur offenen Fehde wegen eines streitigen
Forstes. Köln und Kurpfalz kämpften mit gewaffneter Hand um gewisse
Strombauten, welche der eine Staat anlegen, der andere aber nicht dulden
wollte. Zur Behauptung eines von Hessen-Darmstadt bestrittenen Rechtes des
Kurfürsten von der Pfalz auf einen im jenseitigen Gebiete zu erhebenden
Zehnten fielen kurpfälzische Truppen in Hessen ein und führten mit Gewalt
die eingesammelten Früchte aus den Scheunen der Unterthanen weg.

Waren Kaiser und Reich bei ihrer notorischen Schwäche nur zu oft nicht
im Stande, die offene Fehde zu verhüten, fo durfte man es schon als ein
Glück erachten, wenn sie wenigstens dem entbrannten Kampfe ein baldiges Ziel
zu setzen vermochten. Wir könnten noch eine reiche, allerdings auch recht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/210>, abgerufen am 05.02.2025.