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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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einen ebenbürtigen, an Zahl ihnen gewachsenen Gegner vor sich hatten; er war
zu einer Niederlage der 5. Division geworden. Trotz der vorhergegangenen
glänzenden Erfolge, bei den Donauübergängen wie vor Nikopoli, war der
Eindruck ein ungeheurer, nicht blos bei Freund und Feind, die sich fortan
mit andern Augen zu betrachten schienen, sondern auch in der öffentlichen
Meinung, die dem Kampfe auf der Balkan-Halbinsel die gespannteste Auf¬
merksamkeit zuwandte.

Auch das russische Hauptquartier schien wie gelähmt von der Erkenntniß,
daß hier ihm so plötzlich und ungeahnt ein Gegner erwuchs auf einer Seite,
wo man geglaubt hatte, sich voller Sicherheit hingeben zu können, ein Gegner,
von dessen Bewegungen man um so mehr überrascht war, als man ihn bereits
in vollem Rückzüge auf Adrianopel vermuthete.

Osman Pascha folgte wider Erwarten seinein geschlagenen Gegner nicht,
sondern richtete sich sofort in und bei Plewna zu langdauernder Vertheidigung
ein, zog dort seine ganze Armee zusammen, und besetzte nur noch zur Deckung
seiner rechten Flanke am 26. Juli Lowcch, aus dem die Kasaken wieder ver¬
trieben wurden.

Seitens des Oberkommandos der russischen Armee war um Mitte Juli
(nach Heranziehung einer ersten aus Festuugs - Infanterie gebildeten Reserve-
Division) auch ein Theil des 11. Armeekorps (General Schachowskoi) ans
seiner Stellung bei Schiurschewo pp. über den Strom gezogen und theilweise
südlich der Beobachtungsarmee von Ruschtschuk in der Richtung gegen Rasgrad
und Osmcmbazar aufgestellt worden. Bis dahin hatte uur eine Kavallerie-
Brigade eine lose Verbindung zwischen dem Großfürsten Thronfolger und
dem 8. Armeekorps hergestellt.

Auf die Nachricht von dem unglücklichen Ausgange des Treffens bei Plewna
rückte zunächst General Krüdener mit dem Reste seines 9. Korps u. z. der
61. Division von Nikopoli nach Bryslan, um dort mit der 5. Division ver¬
einigt einem Vorstöße auf Nikopoli zu begegnen. Das 19. Regiment, welches
am meisten gelitten hatte, wurde nach Nikopoli zurückverlegt. Ferner wurden
seitens des Oberkommandos dem General Krüdener überwiesen: eine Brigade
der 32. Infanterie- und eine der 11. Kavallerie-Division unter General Fürst
Schachowski, aus der Gegend zwischen Tyrnowa und Osmanbazar, dann von
Schistowa aus die eben dort anlangende 30. Infanterie-Division (vom vierten
Armeekorps). Diese Verstärkungen trafen am 25. Juli bei General Krüdener
ein. An demselben Tage ging auch die 4. rumänische Division von Turnu-
Magurelli aus über die Donan und übernahm die Mitbesetzung von Nikopoli.
Alle weiteren Verstärkungen waren noch jenseit der Donau im Anmarsch, und
Anordnungen, wie der Mas vom 22. Juli zur Einberufung von 183,000 Mann


einen ebenbürtigen, an Zahl ihnen gewachsenen Gegner vor sich hatten; er war
zu einer Niederlage der 5. Division geworden. Trotz der vorhergegangenen
glänzenden Erfolge, bei den Donauübergängen wie vor Nikopoli, war der
Eindruck ein ungeheurer, nicht blos bei Freund und Feind, die sich fortan
mit andern Augen zu betrachten schienen, sondern auch in der öffentlichen
Meinung, die dem Kampfe auf der Balkan-Halbinsel die gespannteste Auf¬
merksamkeit zuwandte.

Auch das russische Hauptquartier schien wie gelähmt von der Erkenntniß,
daß hier ihm so plötzlich und ungeahnt ein Gegner erwuchs auf einer Seite,
wo man geglaubt hatte, sich voller Sicherheit hingeben zu können, ein Gegner,
von dessen Bewegungen man um so mehr überrascht war, als man ihn bereits
in vollem Rückzüge auf Adrianopel vermuthete.

Osman Pascha folgte wider Erwarten seinein geschlagenen Gegner nicht,
sondern richtete sich sofort in und bei Plewna zu langdauernder Vertheidigung
ein, zog dort seine ganze Armee zusammen, und besetzte nur noch zur Deckung
seiner rechten Flanke am 26. Juli Lowcch, aus dem die Kasaken wieder ver¬
trieben wurden.

Seitens des Oberkommandos der russischen Armee war um Mitte Juli
(nach Heranziehung einer ersten aus Festuugs - Infanterie gebildeten Reserve-
Division) auch ein Theil des 11. Armeekorps (General Schachowskoi) ans
seiner Stellung bei Schiurschewo pp. über den Strom gezogen und theilweise
südlich der Beobachtungsarmee von Ruschtschuk in der Richtung gegen Rasgrad
und Osmcmbazar aufgestellt worden. Bis dahin hatte uur eine Kavallerie-
Brigade eine lose Verbindung zwischen dem Großfürsten Thronfolger und
dem 8. Armeekorps hergestellt.

Auf die Nachricht von dem unglücklichen Ausgange des Treffens bei Plewna
rückte zunächst General Krüdener mit dem Reste seines 9. Korps u. z. der
61. Division von Nikopoli nach Bryslan, um dort mit der 5. Division ver¬
einigt einem Vorstöße auf Nikopoli zu begegnen. Das 19. Regiment, welches
am meisten gelitten hatte, wurde nach Nikopoli zurückverlegt. Ferner wurden
seitens des Oberkommandos dem General Krüdener überwiesen: eine Brigade
der 32. Infanterie- und eine der 11. Kavallerie-Division unter General Fürst
Schachowski, aus der Gegend zwischen Tyrnowa und Osmanbazar, dann von
Schistowa aus die eben dort anlangende 30. Infanterie-Division (vom vierten
Armeekorps). Diese Verstärkungen trafen am 25. Juli bei General Krüdener
ein. An demselben Tage ging auch die 4. rumänische Division von Turnu-
Magurelli aus über die Donan und übernahm die Mitbesetzung von Nikopoli.
Alle weiteren Verstärkungen waren noch jenseit der Donau im Anmarsch, und
Anordnungen, wie der Mas vom 22. Juli zur Einberufung von 183,000 Mann


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/137>, abgerufen am 05.02.2025.