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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Reichswehr 1. Kategorie zur Einreihung in die Ersatz- und Reservetruppen,
waren erst recht Bestimmungen für eine weit aussehende Zukunft, Auf dem
Kriegsschauplatze selbst verharrten die Türken in völliger Unthätigkeit, trotz der
Thatkraft Osmcin Pascha's und trotz des Kommandowechsels im Festnngsviereck,
wo am 18. Juli der greise Abdul Kerim abberufen und Mehemed Ali Pascha,
bisher Befehlshaber in Montenegro, an seine Stelle getreten war. Es schien
deshalb auch für die Russen ganz angezeigt, vor neuen Unternehmungen das
Eintreffen weiterer Verstärkungen abzuwarten. Sei's nun, daß man Osman
Pascha unterschätzte, sei's daß man das im Süden des Balkan Gewonnene
und jetzt ernst Bedrohte durch ein kühnes Wagniß retten zu können hoffte:
General Krüdener erhielt den bestimmten Befehl, am 30. Juli Osman Pascha
anzugreifen, trotzdem man wußte, daß Osman Pascha ihm an Streitkräften
überlegen und in einer jetzt gut vorbereiteten festen Stellung gegenüberstand.

Der General Krüdener mußte dem gemessenen Befehle, Plewna anzu¬
greifen, Folge leisten, vielleicht mit schwerem Herzen. Seine Anordnungen traf
er aber, ähnlich wie General Schilder am 20. Juli, wiederum so, daß der An¬
griff umfassend von mehreren Seiten erfolgen sollte, also bei bekannter Minder¬
zahl der nur 35,000 Kombattanten zählenden russischen Truppen, nirgends mit
entschiedener Ueberlegenheit, nirgends kraftvoll genug, um wenigstens an einer
Stelle den Erfolg unbedingt sicher zu stellen. Er gab ferner die Truppen so
weit aus der Hand, daß im Falle des Mißlingens bei nur einiger Thätigkeit
der Türken eine theilweise Katastrophe sür seine Heeresabtheilung fast mit Ge¬
wißheit vorherzusehen war. Und dabei war es sein Gegner, der durch Hin¬
weis auf den früheren Erfolg seine Truppen mit Zuversicht erfüllen konnte,
während Krüdener's Truppen zum Theil, auch ihrer Gefechtsstärke nach, noch
an den Folgen der Niederlage tränkten.

Die Disposition war derart getroffen, daß der nachher so viel genannte
General Skobelew II mit der Kasaken-Brigade, einem Bataillon und einer
halben Batterie, Plewna umgehend die südlich nach Lvwatz führende Straße
beobachten und einen etwaigen Rückzug der Türken beunruhigen sollte. General
Schachowskoi sollte mit einer Brigade der 30. und einer der 32. Infanterie-
Division, von Poradim (südwestlich Plewna) aus, die Stellungen bei Radi-
schewo im Südwesten der Stadt angreifen. Die 31. Infanterie-Division, von
der das 124. Regiment in Schistowa kommandirt war, und die 5. Division
sollten von Kojulowize und Trstenik (nordwestlich Plewna) aus, nördlich der
Chaussee nach Vulgärem und Bjela, gegen die Stellungen von Griwitza, west¬
lich Plewna, vorgehen, eine Kavallerie-Brigade aber mit einer Batterie von
Bryslan im Norden aus zur Beobachtung auf Plewna vorrücken und die
Flanke des Angreifers bis zum Wid decken. Endlich sollte die 2. Brigade der


Reichswehr 1. Kategorie zur Einreihung in die Ersatz- und Reservetruppen,
waren erst recht Bestimmungen für eine weit aussehende Zukunft, Auf dem
Kriegsschauplatze selbst verharrten die Türken in völliger Unthätigkeit, trotz der
Thatkraft Osmcin Pascha's und trotz des Kommandowechsels im Festnngsviereck,
wo am 18. Juli der greise Abdul Kerim abberufen und Mehemed Ali Pascha,
bisher Befehlshaber in Montenegro, an seine Stelle getreten war. Es schien
deshalb auch für die Russen ganz angezeigt, vor neuen Unternehmungen das
Eintreffen weiterer Verstärkungen abzuwarten. Sei's nun, daß man Osman
Pascha unterschätzte, sei's daß man das im Süden des Balkan Gewonnene
und jetzt ernst Bedrohte durch ein kühnes Wagniß retten zu können hoffte:
General Krüdener erhielt den bestimmten Befehl, am 30. Juli Osman Pascha
anzugreifen, trotzdem man wußte, daß Osman Pascha ihm an Streitkräften
überlegen und in einer jetzt gut vorbereiteten festen Stellung gegenüberstand.

Der General Krüdener mußte dem gemessenen Befehle, Plewna anzu¬
greifen, Folge leisten, vielleicht mit schwerem Herzen. Seine Anordnungen traf
er aber, ähnlich wie General Schilder am 20. Juli, wiederum so, daß der An¬
griff umfassend von mehreren Seiten erfolgen sollte, also bei bekannter Minder¬
zahl der nur 35,000 Kombattanten zählenden russischen Truppen, nirgends mit
entschiedener Ueberlegenheit, nirgends kraftvoll genug, um wenigstens an einer
Stelle den Erfolg unbedingt sicher zu stellen. Er gab ferner die Truppen so
weit aus der Hand, daß im Falle des Mißlingens bei nur einiger Thätigkeit
der Türken eine theilweise Katastrophe sür seine Heeresabtheilung fast mit Ge¬
wißheit vorherzusehen war. Und dabei war es sein Gegner, der durch Hin¬
weis auf den früheren Erfolg seine Truppen mit Zuversicht erfüllen konnte,
während Krüdener's Truppen zum Theil, auch ihrer Gefechtsstärke nach, noch
an den Folgen der Niederlage tränkten.

Die Disposition war derart getroffen, daß der nachher so viel genannte
General Skobelew II mit der Kasaken-Brigade, einem Bataillon und einer
halben Batterie, Plewna umgehend die südlich nach Lvwatz führende Straße
beobachten und einen etwaigen Rückzug der Türken beunruhigen sollte. General
Schachowskoi sollte mit einer Brigade der 30. und einer der 32. Infanterie-
Division, von Poradim (südwestlich Plewna) aus, die Stellungen bei Radi-
schewo im Südwesten der Stadt angreifen. Die 31. Infanterie-Division, von
der das 124. Regiment in Schistowa kommandirt war, und die 5. Division
sollten von Kojulowize und Trstenik (nordwestlich Plewna) aus, nördlich der
Chaussee nach Vulgärem und Bjela, gegen die Stellungen von Griwitza, west¬
lich Plewna, vorgehen, eine Kavallerie-Brigade aber mit einer Batterie von
Bryslan im Norden aus zur Beobachtung auf Plewna vorrücken und die
Flanke des Angreifers bis zum Wid decken. Endlich sollte die 2. Brigade der


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[0138] Reichswehr 1. Kategorie zur Einreihung in die Ersatz- und Reservetruppen, waren erst recht Bestimmungen für eine weit aussehende Zukunft, Auf dem Kriegsschauplatze selbst verharrten die Türken in völliger Unthätigkeit, trotz der Thatkraft Osmcin Pascha's und trotz des Kommandowechsels im Festnngsviereck, wo am 18. Juli der greise Abdul Kerim abberufen und Mehemed Ali Pascha, bisher Befehlshaber in Montenegro, an seine Stelle getreten war. Es schien deshalb auch für die Russen ganz angezeigt, vor neuen Unternehmungen das Eintreffen weiterer Verstärkungen abzuwarten. Sei's nun, daß man Osman Pascha unterschätzte, sei's daß man das im Süden des Balkan Gewonnene und jetzt ernst Bedrohte durch ein kühnes Wagniß retten zu können hoffte: General Krüdener erhielt den bestimmten Befehl, am 30. Juli Osman Pascha anzugreifen, trotzdem man wußte, daß Osman Pascha ihm an Streitkräften überlegen und in einer jetzt gut vorbereiteten festen Stellung gegenüberstand. Der General Krüdener mußte dem gemessenen Befehle, Plewna anzu¬ greifen, Folge leisten, vielleicht mit schwerem Herzen. Seine Anordnungen traf er aber, ähnlich wie General Schilder am 20. Juli, wiederum so, daß der An¬ griff umfassend von mehreren Seiten erfolgen sollte, also bei bekannter Minder¬ zahl der nur 35,000 Kombattanten zählenden russischen Truppen, nirgends mit entschiedener Ueberlegenheit, nirgends kraftvoll genug, um wenigstens an einer Stelle den Erfolg unbedingt sicher zu stellen. Er gab ferner die Truppen so weit aus der Hand, daß im Falle des Mißlingens bei nur einiger Thätigkeit der Türken eine theilweise Katastrophe sür seine Heeresabtheilung fast mit Ge¬ wißheit vorherzusehen war. Und dabei war es sein Gegner, der durch Hin¬ weis auf den früheren Erfolg seine Truppen mit Zuversicht erfüllen konnte, während Krüdener's Truppen zum Theil, auch ihrer Gefechtsstärke nach, noch an den Folgen der Niederlage tränkten. Die Disposition war derart getroffen, daß der nachher so viel genannte General Skobelew II mit der Kasaken-Brigade, einem Bataillon und einer halben Batterie, Plewna umgehend die südlich nach Lvwatz führende Straße beobachten und einen etwaigen Rückzug der Türken beunruhigen sollte. General Schachowskoi sollte mit einer Brigade der 30. und einer der 32. Infanterie- Division, von Poradim (südwestlich Plewna) aus, die Stellungen bei Radi- schewo im Südwesten der Stadt angreifen. Die 31. Infanterie-Division, von der das 124. Regiment in Schistowa kommandirt war, und die 5. Division sollten von Kojulowize und Trstenik (nordwestlich Plewna) aus, nördlich der Chaussee nach Vulgärem und Bjela, gegen die Stellungen von Griwitza, west¬ lich Plewna, vorgehen, eine Kavallerie-Brigade aber mit einer Batterie von Bryslan im Norden aus zur Beobachtung auf Plewna vorrücken und die Flanke des Angreifers bis zum Wid decken. Endlich sollte die 2. Brigade der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/138>, abgerufen am 05.02.2025.