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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Die Lazen, ein sehr kriegerischer mohamedanischer Stamm, haben die Kämpfe,
der Russen gegen die Tscherkessen und die Unterjochung der Bergvölker des
Kaukasus noch vor Augen und obgleich sie niemals gute Anhänger des tür¬
kischen Reichs waren, fürchten sie doch, daß ihr Glauben und ihre Nationalität
unter russischem Regiment ganz zu Grunde gehen werden und wollen daher
lieber bei der Türkei bleiben. Von den Türken sind sie nach der Sprache und
Abstammung zugleich verschieden, und auch ihre Institutionen sind ganz andere.
Bei ihnen besteht noch eine Art von Feudalsystem; sie werden von eingeborenen
Beys beherrscht, die ihrerseits unter dem Vali von Trapezunt stehen. So
lange sie ihre Steuern ruhig bezahlten, haben die Türken sich wenig um sie
gekümmert. Mit großer Zähigkeit und blindem Fanatismus halten sie an
ihrer mohamedanischen Religion fest und als der Krieg gegen Rußland aus¬
brach, griffen sie schnell und freudig zu den Waffen, um den Religionsfeind
zu bekämpfen. Freiwilligeucorps von den Beys geführt, brachen in das russische
Gebiet ein und verbrannten Schefkati, den russischen Grenzposten am Tschoruksu.
Batna, ihr fester Platz, wurde mit einer lebendigen Mauer todesmuthiger
Lazen umgeben und erfolgreich vertheidigt. Diesen Kriegern ist es auch zu
verdanken, daß Batna sich gehalten hat und von den Russen nicht genommen
werden konnte. Sie, die Unüberwundenen, sollen sich nun nach dem Frieden
von San Stefano den Russen auf Gnade oder Ungnade übergeben. Das ist
zu viel für die Begriffe des kühnen Bergvolkes. Namentlich sind es die Beys,
die sich widersetzen, denn mit ihrer Macht, ihrem Einflüsse wäre es zu Ende,
wenn die Russen das Land übernahmen. Theilung des Bodens von Seiten
der Russen, um den Einfluß dieser Feudalherren zu brechen, wäre die sichere
Folge und alle Beys stellen sich vor, daß sie nach Sibirien transportirt würden.
Sie wissen ja, wie es den Tscherkessen und Tschetschenzen ergangen, und nun
sollen die kühnen, freien Lazen, die den Russen an seiner Grenze verhöhnten,
die vor ihm unbezwnngen dastehen, sich ihm gebunden überliefern?

Die Lazen sind ein schönes, kühnes Volk, lauter geborne Krieger, wohl¬
geübt in den Waffen, alle vortreffliche Schützen, da vom achten Jahre an
schon jeder Knabe seine Flinte führt. Wenn auch nicht so fein wie ihre
Nachbarn, die Georgier, und von dunklerer Farbe, zeichnen sie sich doch durch
Fleiß aus. Am Meer sind sie gute Fischer, auch liefern sie gute wettererprobte
Matrosen. Landwirthschaft ist nicht ihre starke Seite, aber als Handwerker
leisten sie Tüchtiges. Vor dem Kriege wanderten sie viel auf russisches Gebiet,
um dort sich in den Städten (Tiflis, Poli u. s. w.) ein Sümmchen zu ver¬
dienen. Ihr Land ist vortrefflich für den Guerilla-Krieg geeignet. Der östliche
Theil des Vilajets Trapezunt, welcher hier in Betracht kommt, wird in die
Distrikte Ober- und Unter-Adscharcih, MadsclM und Lipara eingetheilt. Er


Die Lazen, ein sehr kriegerischer mohamedanischer Stamm, haben die Kämpfe,
der Russen gegen die Tscherkessen und die Unterjochung der Bergvölker des
Kaukasus noch vor Augen und obgleich sie niemals gute Anhänger des tür¬
kischen Reichs waren, fürchten sie doch, daß ihr Glauben und ihre Nationalität
unter russischem Regiment ganz zu Grunde gehen werden und wollen daher
lieber bei der Türkei bleiben. Von den Türken sind sie nach der Sprache und
Abstammung zugleich verschieden, und auch ihre Institutionen sind ganz andere.
Bei ihnen besteht noch eine Art von Feudalsystem; sie werden von eingeborenen
Beys beherrscht, die ihrerseits unter dem Vali von Trapezunt stehen. So
lange sie ihre Steuern ruhig bezahlten, haben die Türken sich wenig um sie
gekümmert. Mit großer Zähigkeit und blindem Fanatismus halten sie an
ihrer mohamedanischen Religion fest und als der Krieg gegen Rußland aus¬
brach, griffen sie schnell und freudig zu den Waffen, um den Religionsfeind
zu bekämpfen. Freiwilligeucorps von den Beys geführt, brachen in das russische
Gebiet ein und verbrannten Schefkati, den russischen Grenzposten am Tschoruksu.
Batna, ihr fester Platz, wurde mit einer lebendigen Mauer todesmuthiger
Lazen umgeben und erfolgreich vertheidigt. Diesen Kriegern ist es auch zu
verdanken, daß Batna sich gehalten hat und von den Russen nicht genommen
werden konnte. Sie, die Unüberwundenen, sollen sich nun nach dem Frieden
von San Stefano den Russen auf Gnade oder Ungnade übergeben. Das ist
zu viel für die Begriffe des kühnen Bergvolkes. Namentlich sind es die Beys,
die sich widersetzen, denn mit ihrer Macht, ihrem Einflüsse wäre es zu Ende,
wenn die Russen das Land übernahmen. Theilung des Bodens von Seiten
der Russen, um den Einfluß dieser Feudalherren zu brechen, wäre die sichere
Folge und alle Beys stellen sich vor, daß sie nach Sibirien transportirt würden.
Sie wissen ja, wie es den Tscherkessen und Tschetschenzen ergangen, und nun
sollen die kühnen, freien Lazen, die den Russen an seiner Grenze verhöhnten,
die vor ihm unbezwnngen dastehen, sich ihm gebunden überliefern?

Die Lazen sind ein schönes, kühnes Volk, lauter geborne Krieger, wohl¬
geübt in den Waffen, alle vortreffliche Schützen, da vom achten Jahre an
schon jeder Knabe seine Flinte führt. Wenn auch nicht so fein wie ihre
Nachbarn, die Georgier, und von dunklerer Farbe, zeichnen sie sich doch durch
Fleiß aus. Am Meer sind sie gute Fischer, auch liefern sie gute wettererprobte
Matrosen. Landwirthschaft ist nicht ihre starke Seite, aber als Handwerker
leisten sie Tüchtiges. Vor dem Kriege wanderten sie viel auf russisches Gebiet,
um dort sich in den Städten (Tiflis, Poli u. s. w.) ein Sümmchen zu ver¬
dienen. Ihr Land ist vortrefflich für den Guerilla-Krieg geeignet. Der östliche
Theil des Vilajets Trapezunt, welcher hier in Betracht kommt, wird in die
Distrikte Ober- und Unter-Adscharcih, MadsclM und Lipara eingetheilt. Er


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[0070] Die Lazen, ein sehr kriegerischer mohamedanischer Stamm, haben die Kämpfe, der Russen gegen die Tscherkessen und die Unterjochung der Bergvölker des Kaukasus noch vor Augen und obgleich sie niemals gute Anhänger des tür¬ kischen Reichs waren, fürchten sie doch, daß ihr Glauben und ihre Nationalität unter russischem Regiment ganz zu Grunde gehen werden und wollen daher lieber bei der Türkei bleiben. Von den Türken sind sie nach der Sprache und Abstammung zugleich verschieden, und auch ihre Institutionen sind ganz andere. Bei ihnen besteht noch eine Art von Feudalsystem; sie werden von eingeborenen Beys beherrscht, die ihrerseits unter dem Vali von Trapezunt stehen. So lange sie ihre Steuern ruhig bezahlten, haben die Türken sich wenig um sie gekümmert. Mit großer Zähigkeit und blindem Fanatismus halten sie an ihrer mohamedanischen Religion fest und als der Krieg gegen Rußland aus¬ brach, griffen sie schnell und freudig zu den Waffen, um den Religionsfeind zu bekämpfen. Freiwilligeucorps von den Beys geführt, brachen in das russische Gebiet ein und verbrannten Schefkati, den russischen Grenzposten am Tschoruksu. Batna, ihr fester Platz, wurde mit einer lebendigen Mauer todesmuthiger Lazen umgeben und erfolgreich vertheidigt. Diesen Kriegern ist es auch zu verdanken, daß Batna sich gehalten hat und von den Russen nicht genommen werden konnte. Sie, die Unüberwundenen, sollen sich nun nach dem Frieden von San Stefano den Russen auf Gnade oder Ungnade übergeben. Das ist zu viel für die Begriffe des kühnen Bergvolkes. Namentlich sind es die Beys, die sich widersetzen, denn mit ihrer Macht, ihrem Einflüsse wäre es zu Ende, wenn die Russen das Land übernahmen. Theilung des Bodens von Seiten der Russen, um den Einfluß dieser Feudalherren zu brechen, wäre die sichere Folge und alle Beys stellen sich vor, daß sie nach Sibirien transportirt würden. Sie wissen ja, wie es den Tscherkessen und Tschetschenzen ergangen, und nun sollen die kühnen, freien Lazen, die den Russen an seiner Grenze verhöhnten, die vor ihm unbezwnngen dastehen, sich ihm gebunden überliefern? Die Lazen sind ein schönes, kühnes Volk, lauter geborne Krieger, wohl¬ geübt in den Waffen, alle vortreffliche Schützen, da vom achten Jahre an schon jeder Knabe seine Flinte führt. Wenn auch nicht so fein wie ihre Nachbarn, die Georgier, und von dunklerer Farbe, zeichnen sie sich doch durch Fleiß aus. Am Meer sind sie gute Fischer, auch liefern sie gute wettererprobte Matrosen. Landwirthschaft ist nicht ihre starke Seite, aber als Handwerker leisten sie Tüchtiges. Vor dem Kriege wanderten sie viel auf russisches Gebiet, um dort sich in den Städten (Tiflis, Poli u. s. w.) ein Sümmchen zu ver¬ dienen. Ihr Land ist vortrefflich für den Guerilla-Krieg geeignet. Der östliche Theil des Vilajets Trapezunt, welcher hier in Betracht kommt, wird in die Distrikte Ober- und Unter-Adscharcih, MadsclM und Lipara eingetheilt. Er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/70>, abgerufen am 22.07.2024.