Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.nicht am Orte. Wenn man mitten in solchem Festesjubel, in solchem Gedränge Diejenige Figur, die eigentlich die Hauptfigur des Bildes hätte sein müssen, Weil das Bild keinen Gesammteindruck macht, ist es auch schwer, denselben Makart's Riesenbild avsorbirte leider das allgemeine Interesse an der nicht am Orte. Wenn man mitten in solchem Festesjubel, in solchem Gedränge Diejenige Figur, die eigentlich die Hauptfigur des Bildes hätte sein müssen, Weil das Bild keinen Gesammteindruck macht, ist es auch schwer, denselben Makart's Riesenbild avsorbirte leider das allgemeine Interesse an der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140862"/> <p xml:id="ID_1560" prev="#ID_1559"> nicht am Orte. Wenn man mitten in solchem Festesjubel, in solchem Gedränge<lb/> sich bewegen muß, trägt man die Haare nicht so sorgfältig in lange Locken<lb/> arrangirt, wie wenn man sich malt oder malen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1561"> Diejenige Figur, die eigentlich die Hauptfigur des Bildes hätte sein müssen,<lb/> wenn Makart in historischem Geiste zu komponiren verstände, Karl V., ist<lb/> ganz verfehlt. Hier steht wieder der alte Makart vor uns: ein leichensarbenes,<lb/> graugelbes Gesicht, aufgeschwemmtes Fleisch, Mangel an jeder Charakteristik.</p><lb/> <p xml:id="ID_1562"> Weil das Bild keinen Gesammteindruck macht, ist es auch schwer, denselben<lb/> mit Worten auch nur annähernd zu charakterisiren. Wir haben es, wie be¬<lb/> merkt, in einem noch größeren Maße als bei der Katharina Cornaro mit<lb/> einer Fülle von Einzelfiguren und Köpfen zu thun, von denen die meisten<lb/> durch einen hübschen Zug oder durch ein glänzend gemaltes Beiwerk unser<lb/> Interesse auf einen Augenblick in Anspruch nehmen, die aber weder durch<lb/> koloristische Haltung noch durch harmonische Farbenzusammenstimmuug, noch<lb/> durch die Komposition in rechten Zusammenhang gebracht worden siud. Das<lb/> Bild zeigt nicht weniger als fünfzig ausgeführte Figuren und Köpfe, zu denen<lb/> noch diejenigen hinzukommen, die im Hintergrunde durch gelbe, blaue oder<lb/> grüne Flecke angedeutet sind. Wie gewöhnlich bei Makart dürfen die Kostüme<lb/> auf historische Treue keinen Anspruch erheben. Er hat deutsches, italienisches,<lb/> spanisches und flandrisches durch einander gemischt, er hat genommen, was<lb/> seinem Pinsel Stoff zu koloristischen Experimenten bot. Auch die charakteristische<lb/> Architektur Antwerpen's hat er vollständig ignorirt. Was da an Balkonen,<lb/> Fenstern und Häusern sichtbar wird — viel ist es nicht —, kann ebensowohl<lb/> eine beliebige Stadt Italien's wie die Königin der Scheide darstellen. Das<lb/> Bild hat überhaupt einen vorwiegend italienischen Charakter. Man wird leb¬<lb/> haft an die Festbilder von Paolo Veronese, dem Vorbilde Makart's, erinnert,<lb/> aber nicht zum Vortheile des modernen Malers. Diesem fehlt vor allem die<lb/> Naivetät des alten Meisters. Man sieht jeder Figur das Gesuchte, das Raf-<lb/> finirte, jedem Farbeneffekt das Ausgeklügelte an. Und diese Beobachtung ver¬<lb/> dirbt uns die Freude an der Schöpfung eines originellen Talents, das immer<lb/> noch nicht seinen Schwerpunkt gefunden hat, sondern sich in unsicheren Experi¬<lb/> menten zu verzetteln droht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1563" next="#ID_1564"> Makart's Riesenbild avsorbirte leider das allgemeine Interesse an der<lb/> österreichischen Kunstausstellung, die gleichwohl reich an gediegenen Leistungen<lb/> interessanter Küustlerindividualitäten ist. So finden wir von der Hand<lb/> Heinrich v. Angeli's zwölf ausgezeichnete Porträts, in jener kräftigen und doch<lb/> noblen Weise gemalt, die der Künstler in verhältnißmäßig kurzer Zeit und<lb/> ganz selbständig herausgebildet hat, ohne sich an ein Vorbild anzulehnen.<lb/> Die Porträts v. Angeli's tragen einen spezifisch deutschen Charakter. schlicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0511]
nicht am Orte. Wenn man mitten in solchem Festesjubel, in solchem Gedränge
sich bewegen muß, trägt man die Haare nicht so sorgfältig in lange Locken
arrangirt, wie wenn man sich malt oder malen läßt.
Diejenige Figur, die eigentlich die Hauptfigur des Bildes hätte sein müssen,
wenn Makart in historischem Geiste zu komponiren verstände, Karl V., ist
ganz verfehlt. Hier steht wieder der alte Makart vor uns: ein leichensarbenes,
graugelbes Gesicht, aufgeschwemmtes Fleisch, Mangel an jeder Charakteristik.
Weil das Bild keinen Gesammteindruck macht, ist es auch schwer, denselben
mit Worten auch nur annähernd zu charakterisiren. Wir haben es, wie be¬
merkt, in einem noch größeren Maße als bei der Katharina Cornaro mit
einer Fülle von Einzelfiguren und Köpfen zu thun, von denen die meisten
durch einen hübschen Zug oder durch ein glänzend gemaltes Beiwerk unser
Interesse auf einen Augenblick in Anspruch nehmen, die aber weder durch
koloristische Haltung noch durch harmonische Farbenzusammenstimmuug, noch
durch die Komposition in rechten Zusammenhang gebracht worden siud. Das
Bild zeigt nicht weniger als fünfzig ausgeführte Figuren und Köpfe, zu denen
noch diejenigen hinzukommen, die im Hintergrunde durch gelbe, blaue oder
grüne Flecke angedeutet sind. Wie gewöhnlich bei Makart dürfen die Kostüme
auf historische Treue keinen Anspruch erheben. Er hat deutsches, italienisches,
spanisches und flandrisches durch einander gemischt, er hat genommen, was
seinem Pinsel Stoff zu koloristischen Experimenten bot. Auch die charakteristische
Architektur Antwerpen's hat er vollständig ignorirt. Was da an Balkonen,
Fenstern und Häusern sichtbar wird — viel ist es nicht —, kann ebensowohl
eine beliebige Stadt Italien's wie die Königin der Scheide darstellen. Das
Bild hat überhaupt einen vorwiegend italienischen Charakter. Man wird leb¬
haft an die Festbilder von Paolo Veronese, dem Vorbilde Makart's, erinnert,
aber nicht zum Vortheile des modernen Malers. Diesem fehlt vor allem die
Naivetät des alten Meisters. Man sieht jeder Figur das Gesuchte, das Raf-
finirte, jedem Farbeneffekt das Ausgeklügelte an. Und diese Beobachtung ver¬
dirbt uns die Freude an der Schöpfung eines originellen Talents, das immer
noch nicht seinen Schwerpunkt gefunden hat, sondern sich in unsicheren Experi¬
menten zu verzetteln droht.
Makart's Riesenbild avsorbirte leider das allgemeine Interesse an der
österreichischen Kunstausstellung, die gleichwohl reich an gediegenen Leistungen
interessanter Küustlerindividualitäten ist. So finden wir von der Hand
Heinrich v. Angeli's zwölf ausgezeichnete Porträts, in jener kräftigen und doch
noblen Weise gemalt, die der Künstler in verhältnißmäßig kurzer Zeit und
ganz selbständig herausgebildet hat, ohne sich an ein Vorbild anzulehnen.
Die Porträts v. Angeli's tragen einen spezifisch deutschen Charakter. schlicht
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