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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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male ganz gleich gerüstet war und sich demnach auch zum erstenmale als
völlig einheitliche Truppe empfinden konnte, eine durchaus folgerichtige Ma߬
regel. -- Erst jetzt war es auch möglich, eine für die gestimmte Mannschaft
gleichartige Soldatenschule einzusühren: nämlich das von Publius Rutilius
Rufus entworfene Exerzierreglement, welches die militärische Ausbildung des
einzelnen Mannes beträchtlich steigerte und sich wesentlich anlehnte an die in
den damaligen Fechterschnlen übliche Ausbildung der Gladiatoren.

Nicht minder aber wandte der Feldherr anch dem praktischen Detail der
Ausrüstung Aufmerksamkeit zu; seine Verbesserung des Plinins wurde
bereits erwähnt; die Abschaffung der x^ins, bei den Auxiliartruppen war ein
weiterer Schritt reglementarischer Nivellirung, und die von Marius erfundene
Tragweise des Gepäckes, bei der Proviant und Kleider bündelförmig (sMiniZ.)
über ein Brettchen geschnürt und dies am oberen Ende einer als Bündel ge¬
theilten Stange befestigt wurde, diese sogenannten marianischen Esel (irmll
Mriarii*) haben bis tief in die Kaiserzeit hinein stete Anwendung gefunden.

Dies ist die Legion des Marius. Hervorgegangen ist diese neue Erschei¬
nung wahrscheinlich mehr aus militärischen als aus politischen Motiven; aber
nichts desto weniger lag in ihr, wenn auch noch unentwickelt, zugleich eine
große politische Revolution. Einer der Vorkämpfer von 1789, Graf Mirabeau,
hat einst in der Ständeversammlung der Provence eine Rede gehalten, welche
den Marius pries. "Als der letzte der Gracchen" sagte er, "ohne Hoffnung
seinen Mördern zu entrinnen, am Boden lag, da griff er in den Staub, warf
eine Handvoll gen Himmel und flehte um einen Rächer. Aus diesem Staube
entstand Marius, der weniger groß war, weil er Italien von den Barbaren,
als deshalb weil er es von dem Joche der Oligarchie befreit hat." Man be¬
greift, daß Mirabeau mit dem großen Demagogen des Alterthums sympathi-
sirte; aber er vergaß, daß Marius doch auch das ganze Gebäude des römi¬
schen Staates untergrub, daß er, der Italien die Freiheit verkündete, recht
eigentlich Schöpfer seiner Knechtschaft ward. Denn er löste das Kriegswesen
völlig los vom Bürgerthum. Mit Marius beginnt die Bildung eines eigent¬
lichen Soldatenstandes und damit naturgemäß der Untergang der bisherigen
republikanischen Staatsform.

Dieser Entwickelung kamen auch noch andere Momente entgegen. Das
Verlangen der italienischen Bundesgenossen nach dem vollen Bürgerrechte, führte
zu dem sogenannten Marsischen Kriege, der den Staat an den Rand des Ab¬
grundes brachte und in dem zuerst die Libertinen, welche bisher nur auf der
Flotte gedient hatten, in das Landherr aufgenommen und zu Kohorten formirt



Ein Soldatenausdruck, der unsern, "Affe" für Tornister entspricht.

male ganz gleich gerüstet war und sich demnach auch zum erstenmale als
völlig einheitliche Truppe empfinden konnte, eine durchaus folgerichtige Ma߬
regel. — Erst jetzt war es auch möglich, eine für die gestimmte Mannschaft
gleichartige Soldatenschule einzusühren: nämlich das von Publius Rutilius
Rufus entworfene Exerzierreglement, welches die militärische Ausbildung des
einzelnen Mannes beträchtlich steigerte und sich wesentlich anlehnte an die in
den damaligen Fechterschnlen übliche Ausbildung der Gladiatoren.

Nicht minder aber wandte der Feldherr anch dem praktischen Detail der
Ausrüstung Aufmerksamkeit zu; seine Verbesserung des Plinins wurde
bereits erwähnt; die Abschaffung der x^ins, bei den Auxiliartruppen war ein
weiterer Schritt reglementarischer Nivellirung, und die von Marius erfundene
Tragweise des Gepäckes, bei der Proviant und Kleider bündelförmig (sMiniZ.)
über ein Brettchen geschnürt und dies am oberen Ende einer als Bündel ge¬
theilten Stange befestigt wurde, diese sogenannten marianischen Esel (irmll
Mriarii*) haben bis tief in die Kaiserzeit hinein stete Anwendung gefunden.

Dies ist die Legion des Marius. Hervorgegangen ist diese neue Erschei¬
nung wahrscheinlich mehr aus militärischen als aus politischen Motiven; aber
nichts desto weniger lag in ihr, wenn auch noch unentwickelt, zugleich eine
große politische Revolution. Einer der Vorkämpfer von 1789, Graf Mirabeau,
hat einst in der Ständeversammlung der Provence eine Rede gehalten, welche
den Marius pries. „Als der letzte der Gracchen" sagte er, „ohne Hoffnung
seinen Mördern zu entrinnen, am Boden lag, da griff er in den Staub, warf
eine Handvoll gen Himmel und flehte um einen Rächer. Aus diesem Staube
entstand Marius, der weniger groß war, weil er Italien von den Barbaren,
als deshalb weil er es von dem Joche der Oligarchie befreit hat." Man be¬
greift, daß Mirabeau mit dem großen Demagogen des Alterthums sympathi-
sirte; aber er vergaß, daß Marius doch auch das ganze Gebäude des römi¬
schen Staates untergrub, daß er, der Italien die Freiheit verkündete, recht
eigentlich Schöpfer seiner Knechtschaft ward. Denn er löste das Kriegswesen
völlig los vom Bürgerthum. Mit Marius beginnt die Bildung eines eigent¬
lichen Soldatenstandes und damit naturgemäß der Untergang der bisherigen
republikanischen Staatsform.

Dieser Entwickelung kamen auch noch andere Momente entgegen. Das
Verlangen der italienischen Bundesgenossen nach dem vollen Bürgerrechte, führte
zu dem sogenannten Marsischen Kriege, der den Staat an den Rand des Ab¬
grundes brachte und in dem zuerst die Libertinen, welche bisher nur auf der
Flotte gedient hatten, in das Landherr aufgenommen und zu Kohorten formirt



Ein Soldatenausdruck, der unsern, „Affe" für Tornister entspricht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/499>, abgerufen am 22.07.2024.