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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Fliisse nicht ein, sondern drang beim Abschmelzen unmittelbar in den Boden
hinein; im Sommer erfolgte durch die starke Insolation eine bedeutende Ver¬
dunstung und Austrocknung, zumal da auch der die Feuchtigkeit erhaltende
Wald fehlte. Das auslesende Gestein wurde chemisch zersetzt und mechanisch
aufgelockert, die Zerstörungsprodukte fortgeschoben und vom Winde fortgeweht,
in ihre verschiedenen Bestandtheile geschieden und in den verschiedenen Becken
abgelagert, die Umwandung dieser Becken stieg sanft an und unterschied sich
fast unmerklich von dem nächsten. Die Vegetationsdecke, aus Salzpflanzen be¬
stehend, hielt den Staub fest und trug so zum allmählichen Wachsen des Bodens
bei. Das fließende Wasser, soweit es nicht absorbirt wurde, floß in die Mitte
der Becken und Mulden und bildete daselbst Salzseen, die allerdings in be¬
sonders trockenen Jahren einer besonders starken Verdunstung unterworfen
waren.

Versuchen wir es nun, mit Vergleichung der noch jetzt in Asien bestehenden
Verhältnisse uns ein Bild von Europa und speziell Deutschland zu machen,
wie es in der Periode der Abflußlosigkeit beschaffen war. Alle Produkte, die
aus der chemischen Zersetzung und mechanischen Zerstörung der Gesteine ent¬
standen, blieben im Lande und lagerten sich hauptsächlich durch subaörische
Einflüsse; sie dienten ausschließlich dazu, durch Ausfüllung von Vertiefungen
jeder Art und Form die Unebenheiten des Bodens auszugleichen; die ursprüng¬
liche Differenz zwischen den Gebirgshöhen und den tiefsten Punkten vermin¬
derte sich in starkem Maße, indem die von ersteren abgetragenen Zerstörnngs-
produkte sich in letzteren sammelten und das tiefste Niveau allmählich erhöhten.
Die Wirkung des fließenden Wassers hatte im Allgemeinen wenig zu bedeuten,
es reichte nicht hin, um die Felsen frei zu legen und den ans den Uneben¬
heiten derselben lagernden eckigen Gebirgsschutt zu entfernen. In Folge davon
häufte sich der letztere in allen Vertiefungen sowie am Fuß aller Gehänge an
und wurde nur in seltenen Fällen von stärkeren Wasserfluten fortgerollt, meist
dagegen von den Gehängen aus fortgeschoben, wobei die feineren Theile weiter
gelangten als die gröberen. So waltete damals in den abflußlosen Gebieten
auch Deutschland's das Streben nach einem Nivellirer und Verdecken alles
Schroffen und Unvermittelten vor, es entstanden charakterlose, eintönige Formen;
an die Stelle wilder Felsabstürze traten sanftgeneigte Gehänge, doch auch die
völlige Ebene wurde nicht geduldet. Selbst wo eine Annäherung zur Hori-
zontalität stattfand, stieg der Boden langsam, aber stetig. Die Natur ver¬
mochte ihre Mannigfaltigkeit nicht hervorzubringen, sie war öde und langweilig.
Ueberall zeigten sich stets gleichartige Umrisse und selbst in der Art des Wechsels
herrschte Monotonie. Bei vorgeschrittener Oberflächenform bildeten sich sanft
gerundete Höhenzüge und gegen die tiefsten Stellen sich allmählich verflachende


Fliisse nicht ein, sondern drang beim Abschmelzen unmittelbar in den Boden
hinein; im Sommer erfolgte durch die starke Insolation eine bedeutende Ver¬
dunstung und Austrocknung, zumal da auch der die Feuchtigkeit erhaltende
Wald fehlte. Das auslesende Gestein wurde chemisch zersetzt und mechanisch
aufgelockert, die Zerstörungsprodukte fortgeschoben und vom Winde fortgeweht,
in ihre verschiedenen Bestandtheile geschieden und in den verschiedenen Becken
abgelagert, die Umwandung dieser Becken stieg sanft an und unterschied sich
fast unmerklich von dem nächsten. Die Vegetationsdecke, aus Salzpflanzen be¬
stehend, hielt den Staub fest und trug so zum allmählichen Wachsen des Bodens
bei. Das fließende Wasser, soweit es nicht absorbirt wurde, floß in die Mitte
der Becken und Mulden und bildete daselbst Salzseen, die allerdings in be¬
sonders trockenen Jahren einer besonders starken Verdunstung unterworfen
waren.

Versuchen wir es nun, mit Vergleichung der noch jetzt in Asien bestehenden
Verhältnisse uns ein Bild von Europa und speziell Deutschland zu machen,
wie es in der Periode der Abflußlosigkeit beschaffen war. Alle Produkte, die
aus der chemischen Zersetzung und mechanischen Zerstörung der Gesteine ent¬
standen, blieben im Lande und lagerten sich hauptsächlich durch subaörische
Einflüsse; sie dienten ausschließlich dazu, durch Ausfüllung von Vertiefungen
jeder Art und Form die Unebenheiten des Bodens auszugleichen; die ursprüng¬
liche Differenz zwischen den Gebirgshöhen und den tiefsten Punkten vermin¬
derte sich in starkem Maße, indem die von ersteren abgetragenen Zerstörnngs-
produkte sich in letzteren sammelten und das tiefste Niveau allmählich erhöhten.
Die Wirkung des fließenden Wassers hatte im Allgemeinen wenig zu bedeuten,
es reichte nicht hin, um die Felsen frei zu legen und den ans den Uneben¬
heiten derselben lagernden eckigen Gebirgsschutt zu entfernen. In Folge davon
häufte sich der letztere in allen Vertiefungen sowie am Fuß aller Gehänge an
und wurde nur in seltenen Fällen von stärkeren Wasserfluten fortgerollt, meist
dagegen von den Gehängen aus fortgeschoben, wobei die feineren Theile weiter
gelangten als die gröberen. So waltete damals in den abflußlosen Gebieten
auch Deutschland's das Streben nach einem Nivellirer und Verdecken alles
Schroffen und Unvermittelten vor, es entstanden charakterlose, eintönige Formen;
an die Stelle wilder Felsabstürze traten sanftgeneigte Gehänge, doch auch die
völlige Ebene wurde nicht geduldet. Selbst wo eine Annäherung zur Hori-
zontalität stattfand, stieg der Boden langsam, aber stetig. Die Natur ver¬
mochte ihre Mannigfaltigkeit nicht hervorzubringen, sie war öde und langweilig.
Ueberall zeigten sich stets gleichartige Umrisse und selbst in der Art des Wechsels
herrschte Monotonie. Bei vorgeschrittener Oberflächenform bildeten sich sanft
gerundete Höhenzüge und gegen die tiefsten Stellen sich allmählich verflachende


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[0467] Fliisse nicht ein, sondern drang beim Abschmelzen unmittelbar in den Boden hinein; im Sommer erfolgte durch die starke Insolation eine bedeutende Ver¬ dunstung und Austrocknung, zumal da auch der die Feuchtigkeit erhaltende Wald fehlte. Das auslesende Gestein wurde chemisch zersetzt und mechanisch aufgelockert, die Zerstörungsprodukte fortgeschoben und vom Winde fortgeweht, in ihre verschiedenen Bestandtheile geschieden und in den verschiedenen Becken abgelagert, die Umwandung dieser Becken stieg sanft an und unterschied sich fast unmerklich von dem nächsten. Die Vegetationsdecke, aus Salzpflanzen be¬ stehend, hielt den Staub fest und trug so zum allmählichen Wachsen des Bodens bei. Das fließende Wasser, soweit es nicht absorbirt wurde, floß in die Mitte der Becken und Mulden und bildete daselbst Salzseen, die allerdings in be¬ sonders trockenen Jahren einer besonders starken Verdunstung unterworfen waren. Versuchen wir es nun, mit Vergleichung der noch jetzt in Asien bestehenden Verhältnisse uns ein Bild von Europa und speziell Deutschland zu machen, wie es in der Periode der Abflußlosigkeit beschaffen war. Alle Produkte, die aus der chemischen Zersetzung und mechanischen Zerstörung der Gesteine ent¬ standen, blieben im Lande und lagerten sich hauptsächlich durch subaörische Einflüsse; sie dienten ausschließlich dazu, durch Ausfüllung von Vertiefungen jeder Art und Form die Unebenheiten des Bodens auszugleichen; die ursprüng¬ liche Differenz zwischen den Gebirgshöhen und den tiefsten Punkten vermin¬ derte sich in starkem Maße, indem die von ersteren abgetragenen Zerstörnngs- produkte sich in letzteren sammelten und das tiefste Niveau allmählich erhöhten. Die Wirkung des fließenden Wassers hatte im Allgemeinen wenig zu bedeuten, es reichte nicht hin, um die Felsen frei zu legen und den ans den Uneben¬ heiten derselben lagernden eckigen Gebirgsschutt zu entfernen. In Folge davon häufte sich der letztere in allen Vertiefungen sowie am Fuß aller Gehänge an und wurde nur in seltenen Fällen von stärkeren Wasserfluten fortgerollt, meist dagegen von den Gehängen aus fortgeschoben, wobei die feineren Theile weiter gelangten als die gröberen. So waltete damals in den abflußlosen Gebieten auch Deutschland's das Streben nach einem Nivellirer und Verdecken alles Schroffen und Unvermittelten vor, es entstanden charakterlose, eintönige Formen; an die Stelle wilder Felsabstürze traten sanftgeneigte Gehänge, doch auch die völlige Ebene wurde nicht geduldet. Selbst wo eine Annäherung zur Hori- zontalität stattfand, stieg der Boden langsam, aber stetig. Die Natur ver¬ mochte ihre Mannigfaltigkeit nicht hervorzubringen, sie war öde und langweilig. Ueberall zeigten sich stets gleichartige Umrisse und selbst in der Art des Wechsels herrschte Monotonie. Bei vorgeschrittener Oberflächenform bildeten sich sanft gerundete Höhenzüge und gegen die tiefsten Stellen sich allmählich verflachende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/467>, abgerufen am 22.07.2024.