Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Norden China's ganz die gleiche Verbreitung wie der Löß, seit 4000 Jahren wird
dieser Boden bebaut, und trotzdem daß man denselben wenig düngt, zeigt er
keine Ermüdung.

So also denken wir uns die Entstehung des Löß in Asien und die Ver¬
änderung, die damit im Zusammenhang stand, nämlich von abflußlosen in ab¬
fließende Gebiete. Der rheinische und europäische Löß hat nun ganz dieselbe
Farbe, dieselbe Struktur, dieselben Eigenschaften und dieselben organischen Ein¬
schlüsse wie der asiatische; der einzige wesentliche Unterschied beider besteht nur
darin, daß in Asien schon vermöge der weit größeren kontinentalen Ausdeh¬
nung des Erdtheils der Löß viel größere Strecken bedeckt als in Europa und
speziell im Rheinland, und daß auch die Tiefe der Ablagerung dort viel be¬
deutender ist als hier. Die Gleichheit des Materials ermuthigt aber zu der
Untersuchung, ob nicht der europäische Löß auf ganz dieselbe Weise entstanden
sei wie der asiatische, -- denn gleiche Wirkungen setzen doch auch gleiche Ur¬
sachen voraus -- und ob es nicht auch hier möglich sei, Bedingungen zu finden,
unter denen mit Hilfe der früher weiter besprochenen Agentien: -- Luftströ¬
mungen, atmosphärische Niederschläge, Temperaturverhältnisse -- die trockene
Ausfüllung der von der Natur geschaffenen Becken, in denen jetzt sich unsere
Hauptflüsse bewegen, erfolgen konnte. Diese Bedingungen aber sind: zwei
große Gebirge im Norden und Süden schließen ein großes zentrales Becken ein
und bewirken dadurch, daß sie die regenveladenen Seewinde ihres Feuchtigkeits¬
gehaltes berauben und lokale, regenfeindliche Luftströmungen schaffen, ein tro¬
ckenes, ausgesprochen kontinentales Klima und verursachen zugleich den Zustand
der Abflußlosigkeit.

Im Süden nehmen diese Stelle die Alpen ein, ganz ebenso wie in Asien
HimAaya und Kwenlun; da sie einer außerordentlich starken Zerstörung und
Zertrümmerung alle Zeiten hindurch seit ihrem Bestehen ausgesetzt gewesen sind,
dürfen wir sie uns für jene Zeit, in welche diese Vorgänge zu versetzen find,
wohl beträchtlich höher und kompakter vorstellen, so daß sie den Südwinden
durch Entziehung ihrer Feuchtigkeit gar keinen Einfluß auf die Bestimmung
des Klimas einräumten. Aber wo bleibt die zweite, die nördliche Gebirgsmauer
zur Einfassung des europäischen Zentralbodens? Auch diese wird sich nach¬
weisen lassen. Daß der Kanal zwischen England und Frankreich erst in junger
geologischer Zeit durchbrochen worden ist, gilt als eine anerkannte Thatsache,
desgleichen, daß die Nordsee und Ostsee in ihrer heutigen Ausdehnung noch
nicht seit langer Zeit existiren; beide sind außerordentlich jung und was ihre
Tiefe betrifft, sehr seicht; bedenkt man, daß die größte Tiefe der Nordsee, die an
der Nordostschottischen Küste liegt, wenig mehr als 600', die durchschnittliche aber
nur höchstens 300' beträgt, und hält dagegen zum Vergleich die durchschnitt-


Grenzboten 1878. III. S3

Norden China's ganz die gleiche Verbreitung wie der Löß, seit 4000 Jahren wird
dieser Boden bebaut, und trotzdem daß man denselben wenig düngt, zeigt er
keine Ermüdung.

So also denken wir uns die Entstehung des Löß in Asien und die Ver¬
änderung, die damit im Zusammenhang stand, nämlich von abflußlosen in ab¬
fließende Gebiete. Der rheinische und europäische Löß hat nun ganz dieselbe
Farbe, dieselbe Struktur, dieselben Eigenschaften und dieselben organischen Ein¬
schlüsse wie der asiatische; der einzige wesentliche Unterschied beider besteht nur
darin, daß in Asien schon vermöge der weit größeren kontinentalen Ausdeh¬
nung des Erdtheils der Löß viel größere Strecken bedeckt als in Europa und
speziell im Rheinland, und daß auch die Tiefe der Ablagerung dort viel be¬
deutender ist als hier. Die Gleichheit des Materials ermuthigt aber zu der
Untersuchung, ob nicht der europäische Löß auf ganz dieselbe Weise entstanden
sei wie der asiatische, — denn gleiche Wirkungen setzen doch auch gleiche Ur¬
sachen voraus — und ob es nicht auch hier möglich sei, Bedingungen zu finden,
unter denen mit Hilfe der früher weiter besprochenen Agentien: — Luftströ¬
mungen, atmosphärische Niederschläge, Temperaturverhältnisse — die trockene
Ausfüllung der von der Natur geschaffenen Becken, in denen jetzt sich unsere
Hauptflüsse bewegen, erfolgen konnte. Diese Bedingungen aber sind: zwei
große Gebirge im Norden und Süden schließen ein großes zentrales Becken ein
und bewirken dadurch, daß sie die regenveladenen Seewinde ihres Feuchtigkeits¬
gehaltes berauben und lokale, regenfeindliche Luftströmungen schaffen, ein tro¬
ckenes, ausgesprochen kontinentales Klima und verursachen zugleich den Zustand
der Abflußlosigkeit.

Im Süden nehmen diese Stelle die Alpen ein, ganz ebenso wie in Asien
HimAaya und Kwenlun; da sie einer außerordentlich starken Zerstörung und
Zertrümmerung alle Zeiten hindurch seit ihrem Bestehen ausgesetzt gewesen sind,
dürfen wir sie uns für jene Zeit, in welche diese Vorgänge zu versetzen find,
wohl beträchtlich höher und kompakter vorstellen, so daß sie den Südwinden
durch Entziehung ihrer Feuchtigkeit gar keinen Einfluß auf die Bestimmung
des Klimas einräumten. Aber wo bleibt die zweite, die nördliche Gebirgsmauer
zur Einfassung des europäischen Zentralbodens? Auch diese wird sich nach¬
weisen lassen. Daß der Kanal zwischen England und Frankreich erst in junger
geologischer Zeit durchbrochen worden ist, gilt als eine anerkannte Thatsache,
desgleichen, daß die Nordsee und Ostsee in ihrer heutigen Ausdehnung noch
nicht seit langer Zeit existiren; beide sind außerordentlich jung und was ihre
Tiefe betrifft, sehr seicht; bedenkt man, daß die größte Tiefe der Nordsee, die an
der Nordostschottischen Küste liegt, wenig mehr als 600', die durchschnittliche aber
nur höchstens 300' beträgt, und hält dagegen zum Vergleich die durchschnitt-


Grenzboten 1878. III. S3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140816"/>
          <p xml:id="ID_1425" prev="#ID_1424"> Norden China's ganz die gleiche Verbreitung wie der Löß, seit 4000 Jahren wird<lb/>
dieser Boden bebaut, und trotzdem daß man denselben wenig düngt, zeigt er<lb/>
keine Ermüdung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1426"> So also denken wir uns die Entstehung des Löß in Asien und die Ver¬<lb/>
änderung, die damit im Zusammenhang stand, nämlich von abflußlosen in ab¬<lb/>
fließende Gebiete. Der rheinische und europäische Löß hat nun ganz dieselbe<lb/>
Farbe, dieselbe Struktur, dieselben Eigenschaften und dieselben organischen Ein¬<lb/>
schlüsse wie der asiatische; der einzige wesentliche Unterschied beider besteht nur<lb/>
darin, daß in Asien schon vermöge der weit größeren kontinentalen Ausdeh¬<lb/>
nung des Erdtheils der Löß viel größere Strecken bedeckt als in Europa und<lb/>
speziell im Rheinland, und daß auch die Tiefe der Ablagerung dort viel be¬<lb/>
deutender ist als hier. Die Gleichheit des Materials ermuthigt aber zu der<lb/>
Untersuchung, ob nicht der europäische Löß auf ganz dieselbe Weise entstanden<lb/>
sei wie der asiatische, &#x2014; denn gleiche Wirkungen setzen doch auch gleiche Ur¬<lb/>
sachen voraus &#x2014; und ob es nicht auch hier möglich sei, Bedingungen zu finden,<lb/>
unter denen mit Hilfe der früher weiter besprochenen Agentien: &#x2014; Luftströ¬<lb/>
mungen, atmosphärische Niederschläge, Temperaturverhältnisse &#x2014; die trockene<lb/>
Ausfüllung der von der Natur geschaffenen Becken, in denen jetzt sich unsere<lb/>
Hauptflüsse bewegen, erfolgen konnte. Diese Bedingungen aber sind: zwei<lb/>
große Gebirge im Norden und Süden schließen ein großes zentrales Becken ein<lb/>
und bewirken dadurch, daß sie die regenveladenen Seewinde ihres Feuchtigkeits¬<lb/>
gehaltes berauben und lokale, regenfeindliche Luftströmungen schaffen, ein tro¬<lb/>
ckenes, ausgesprochen kontinentales Klima und verursachen zugleich den Zustand<lb/>
der Abflußlosigkeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1427" next="#ID_1428"> Im Süden nehmen diese Stelle die Alpen ein, ganz ebenso wie in Asien<lb/>
HimAaya und Kwenlun; da sie einer außerordentlich starken Zerstörung und<lb/>
Zertrümmerung alle Zeiten hindurch seit ihrem Bestehen ausgesetzt gewesen sind,<lb/>
dürfen wir sie uns für jene Zeit, in welche diese Vorgänge zu versetzen find,<lb/>
wohl beträchtlich höher und kompakter vorstellen, so daß sie den Südwinden<lb/>
durch Entziehung ihrer Feuchtigkeit gar keinen Einfluß auf die Bestimmung<lb/>
des Klimas einräumten. Aber wo bleibt die zweite, die nördliche Gebirgsmauer<lb/>
zur Einfassung des europäischen Zentralbodens? Auch diese wird sich nach¬<lb/>
weisen lassen. Daß der Kanal zwischen England und Frankreich erst in junger<lb/>
geologischer Zeit durchbrochen worden ist, gilt als eine anerkannte Thatsache,<lb/>
desgleichen, daß die Nordsee und Ostsee in ihrer heutigen Ausdehnung noch<lb/>
nicht seit langer Zeit existiren; beide sind außerordentlich jung und was ihre<lb/>
Tiefe betrifft, sehr seicht; bedenkt man, daß die größte Tiefe der Nordsee, die an<lb/>
der Nordostschottischen Küste liegt, wenig mehr als 600', die durchschnittliche aber<lb/>
nur höchstens 300' beträgt, und hält dagegen zum Vergleich die durchschnitt-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1878. III. S3</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0465] Norden China's ganz die gleiche Verbreitung wie der Löß, seit 4000 Jahren wird dieser Boden bebaut, und trotzdem daß man denselben wenig düngt, zeigt er keine Ermüdung. So also denken wir uns die Entstehung des Löß in Asien und die Ver¬ änderung, die damit im Zusammenhang stand, nämlich von abflußlosen in ab¬ fließende Gebiete. Der rheinische und europäische Löß hat nun ganz dieselbe Farbe, dieselbe Struktur, dieselben Eigenschaften und dieselben organischen Ein¬ schlüsse wie der asiatische; der einzige wesentliche Unterschied beider besteht nur darin, daß in Asien schon vermöge der weit größeren kontinentalen Ausdeh¬ nung des Erdtheils der Löß viel größere Strecken bedeckt als in Europa und speziell im Rheinland, und daß auch die Tiefe der Ablagerung dort viel be¬ deutender ist als hier. Die Gleichheit des Materials ermuthigt aber zu der Untersuchung, ob nicht der europäische Löß auf ganz dieselbe Weise entstanden sei wie der asiatische, — denn gleiche Wirkungen setzen doch auch gleiche Ur¬ sachen voraus — und ob es nicht auch hier möglich sei, Bedingungen zu finden, unter denen mit Hilfe der früher weiter besprochenen Agentien: — Luftströ¬ mungen, atmosphärische Niederschläge, Temperaturverhältnisse — die trockene Ausfüllung der von der Natur geschaffenen Becken, in denen jetzt sich unsere Hauptflüsse bewegen, erfolgen konnte. Diese Bedingungen aber sind: zwei große Gebirge im Norden und Süden schließen ein großes zentrales Becken ein und bewirken dadurch, daß sie die regenveladenen Seewinde ihres Feuchtigkeits¬ gehaltes berauben und lokale, regenfeindliche Luftströmungen schaffen, ein tro¬ ckenes, ausgesprochen kontinentales Klima und verursachen zugleich den Zustand der Abflußlosigkeit. Im Süden nehmen diese Stelle die Alpen ein, ganz ebenso wie in Asien HimAaya und Kwenlun; da sie einer außerordentlich starken Zerstörung und Zertrümmerung alle Zeiten hindurch seit ihrem Bestehen ausgesetzt gewesen sind, dürfen wir sie uns für jene Zeit, in welche diese Vorgänge zu versetzen find, wohl beträchtlich höher und kompakter vorstellen, so daß sie den Südwinden durch Entziehung ihrer Feuchtigkeit gar keinen Einfluß auf die Bestimmung des Klimas einräumten. Aber wo bleibt die zweite, die nördliche Gebirgsmauer zur Einfassung des europäischen Zentralbodens? Auch diese wird sich nach¬ weisen lassen. Daß der Kanal zwischen England und Frankreich erst in junger geologischer Zeit durchbrochen worden ist, gilt als eine anerkannte Thatsache, desgleichen, daß die Nordsee und Ostsee in ihrer heutigen Ausdehnung noch nicht seit langer Zeit existiren; beide sind außerordentlich jung und was ihre Tiefe betrifft, sehr seicht; bedenkt man, daß die größte Tiefe der Nordsee, die an der Nordostschottischen Küste liegt, wenig mehr als 600', die durchschnittliche aber nur höchstens 300' beträgt, und hält dagegen zum Vergleich die durchschnitt- Grenzboten 1878. III. S3

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/465
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/465>, abgerufen am 22.07.2024.