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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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in der Kurvshiwa-Strömung die größte aller bisher gefundenen Meerestiefen
von 4600 Faden (26400 Fuß). Man darf, gestützt auf andere Analogien in
den Sundainseln und Europa annehmen, daß, ehe die Zertrümmerung des
Ost- und Südostrandes, sei es durch Hebung des Meeres oder durch vulkanische
Einwirkung oder beides zugleich, erfolgte, dieser sich bis in die Gegend erstreckte,
wo die Tiefseelothungen einen so jähen Absturz entdeckten. Als nun das Meer
weiter nach Westen vorrückte, konnte es möglich werden, daß die trotzige Allein¬
herrschaft des trockenen Klimas von Nordchina gestürzt und den mit Feuchtigkeit
beladenen Winden ein etwas größerer Einfluß eingeräumt wurde. Die at¬
mosphärischen Niederschläge wurden stärker und zahlreicher, die Verdunstung
geringer und es sammelte sich nach und nach immer mehr Wasser in den Becken
und Mulden, bis endlich diese die Masse des Wassers nicht mehr länger zu¬
rückhalten konnten. Die Umrandung wurde an ihrer dünnsten oder niedrigsten
Stelle durchbrochen, das eine Becken setzte sich mit andern in Verbindung und
diese vereinigt suchten das schon von der Natur geschaffene Hauptbecken auf,
dessen Gewässer nun auch den Ausgang in das Meer fanden. Dies geschah
mit dem Hoangho, dessen Becken ganz und gar in dem Löß eingegraben ist,
so daß er eine gelbe Farbe hat und deshalb Hoangho d. i. Gelber Fluß heißt.
Uebrigens theilt er seine Farbe auch dem Meere, in welches er mündet, mit
und verschafft diesem den Namen "Gelbes Meer". Aber auch dieser Vorgang,
die Umgestaltung abflußloser Becken in abfließende, ist noch nicht abgeschlossen,
sondern kann noch jetzt im Stromgebiete des Gelben Flusses beobachtet werden.

Was war nun die nächste Folge dieses neuen Zustandes? Es trat ein
feuchteres Klima ein mit reichlicheren Niederschlägen, indem nun die Rück¬
wirkung des Bodens eine andere wurde. Die Erde selbst sammelte Wasser
und ließ Quelleu entspringen, das Flußnetz gestaltete sich immer mannigfaltiger;
die Salzbestandtheile blieben nicht mehr im Boden, sondern wurden nach dem
Meere geschafft, und diejenigen, welche noch im Boden lagen, wurden ausgelaugt
und ebenfalls in's Meer geführt; der Hauptstrom und seine Nebenflüsse gruben
sich immer tiefer in die Lößbänke ein und bildeten an ihren Ufern die verti¬
kalen Lößwände. Infolge der kapillaren Röhrchen konnte das Regenwasser
nicht von der Lößoberfläche ablaufen, sondern mußte durch dieselben in die
Ablagerung eindringen und die Entsalzung gründlich vornehmen. Für den
Ackerbau wurde der Löß ein Element von höchster Wichtigkeit. Ohne auf
diesen Gegenstand näher eingehen zu wollen, sei hier die frappante Thatsache
erwähnt, daß in Südchina trotz günstigen Klimas und guter Verkeilung der
Ackerbau nicht über 600 Meter absoluter Höhe hinaufreicht, im Norden China's
aber gedeihen die Getreidearten noch unter 2000, ja sporadisch 2400 Meter
trotz kalten Klimas und ungünstiger Regenvertheiluug. Der Ackerbau hat im


in der Kurvshiwa-Strömung die größte aller bisher gefundenen Meerestiefen
von 4600 Faden (26400 Fuß). Man darf, gestützt auf andere Analogien in
den Sundainseln und Europa annehmen, daß, ehe die Zertrümmerung des
Ost- und Südostrandes, sei es durch Hebung des Meeres oder durch vulkanische
Einwirkung oder beides zugleich, erfolgte, dieser sich bis in die Gegend erstreckte,
wo die Tiefseelothungen einen so jähen Absturz entdeckten. Als nun das Meer
weiter nach Westen vorrückte, konnte es möglich werden, daß die trotzige Allein¬
herrschaft des trockenen Klimas von Nordchina gestürzt und den mit Feuchtigkeit
beladenen Winden ein etwas größerer Einfluß eingeräumt wurde. Die at¬
mosphärischen Niederschläge wurden stärker und zahlreicher, die Verdunstung
geringer und es sammelte sich nach und nach immer mehr Wasser in den Becken
und Mulden, bis endlich diese die Masse des Wassers nicht mehr länger zu¬
rückhalten konnten. Die Umrandung wurde an ihrer dünnsten oder niedrigsten
Stelle durchbrochen, das eine Becken setzte sich mit andern in Verbindung und
diese vereinigt suchten das schon von der Natur geschaffene Hauptbecken auf,
dessen Gewässer nun auch den Ausgang in das Meer fanden. Dies geschah
mit dem Hoangho, dessen Becken ganz und gar in dem Löß eingegraben ist,
so daß er eine gelbe Farbe hat und deshalb Hoangho d. i. Gelber Fluß heißt.
Uebrigens theilt er seine Farbe auch dem Meere, in welches er mündet, mit
und verschafft diesem den Namen „Gelbes Meer". Aber auch dieser Vorgang,
die Umgestaltung abflußloser Becken in abfließende, ist noch nicht abgeschlossen,
sondern kann noch jetzt im Stromgebiete des Gelben Flusses beobachtet werden.

Was war nun die nächste Folge dieses neuen Zustandes? Es trat ein
feuchteres Klima ein mit reichlicheren Niederschlägen, indem nun die Rück¬
wirkung des Bodens eine andere wurde. Die Erde selbst sammelte Wasser
und ließ Quelleu entspringen, das Flußnetz gestaltete sich immer mannigfaltiger;
die Salzbestandtheile blieben nicht mehr im Boden, sondern wurden nach dem
Meere geschafft, und diejenigen, welche noch im Boden lagen, wurden ausgelaugt
und ebenfalls in's Meer geführt; der Hauptstrom und seine Nebenflüsse gruben
sich immer tiefer in die Lößbänke ein und bildeten an ihren Ufern die verti¬
kalen Lößwände. Infolge der kapillaren Röhrchen konnte das Regenwasser
nicht von der Lößoberfläche ablaufen, sondern mußte durch dieselben in die
Ablagerung eindringen und die Entsalzung gründlich vornehmen. Für den
Ackerbau wurde der Löß ein Element von höchster Wichtigkeit. Ohne auf
diesen Gegenstand näher eingehen zu wollen, sei hier die frappante Thatsache
erwähnt, daß in Südchina trotz günstigen Klimas und guter Verkeilung der
Ackerbau nicht über 600 Meter absoluter Höhe hinaufreicht, im Norden China's
aber gedeihen die Getreidearten noch unter 2000, ja sporadisch 2400 Meter
trotz kalten Klimas und ungünstiger Regenvertheiluug. Der Ackerbau hat im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/464>, abgerufen am 22.07.2024.