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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Trockenheit des Klimas liegt. Erst die Entsalzung des Bodens gestattet das
Aufkommen von Hochvegetation.

Was ist nnn zunächst die aus dem Zusammengreifen aller dieser Umstände
hervorgehende Wirkung? Wir antworten: die chemische Zersetzung und mecha¬
nische Auflockerung der Felsgesteine in den Gebirgen. Erstere erfolgt am
stärksten, wenn die heißeste Zeit zugleich mit der regenreichsten zusammenfällt,
letztere aber entweder, wenn die feuchteste Jahreszeit und hinreichend niedrige
Temperatur zusammen auftreten, um Firnfelder und Gletscher daraus zu bilden
oder, wenn an eisfreien Stellen die Temperatur in kurzen Zeiträumen um den
Nullpunkt schwankt. Dies allgemeine Gesetz wirkt in Zentralasieu verschieden:
in dem von Gebirgen umstellten Tarym herrscht in den Monaten des stärksten
Niederschlags kaltes Klima, doch schmilzt am Tage eine gewisse Quantität
Schnee, im Frühjahr zeigen sich schroffe Temperaturwechsel und ziehen sich
mehr und mehr in die Höhe der Gebirge, im Sommer dagegen sind die höchsten
Gipfel den größten Temperaturextremen ausgesetzt. Das in die Fugen und
Gesteinklüfte eindringende Sickerwcisfer und sein Gefrieren lockert das Gebirge
auf, am meisten in der Höhe, wo beständig Feuchtigkeit existirt und außerdem
das mit Schutt beladene Gletschereis dnrch das Fortschieben auf seiner Grund¬
lage ebenfalls zerstörend wirkt. Wenn nun auch im Shcunvbecken die Trocken¬
heit des Winters nicht im gleichen Maße auflockernd wirkt, so trifft dagegen
hier die Zeit des größten Niederschlags mit der größten Hitze zusammen, die
chemische Zersetzung dringt hier um so tiefer ein und bewirkt rundliche Formen.
Während daher im westlichen Theil die Zerstörung der Gebirge das ganze
Jahr hindurch fortdauert, aber uicht den höchsten Effekt erzielt, bringt die in¬
tensive Einwirkung der Agentien im Shamo während des Sommers gleiche
Resultate hervor. So werden überall da, wo Gestein blosliegt, Stücken los¬
getrennt, fortgeschoben und endlich dnrch Wind und Wasser weggeführt.

Ueberall nämlich hat bei Ablagerung und Umlagerung von Zersetzuugs-
Produkteu der Wind einen bedeutenderen Antheil, als man ihm gemeiniglich
zuschreibt: zweifellos ergiebt sich aber seine Einwirkung erst da, wo das
Wasser zu gering ist, um das Material fortzuschaffen oder wo der Staub
selbst vor weiterer Fortführung durch Wind gesichert ist, z. B. an Klüften und
schroffen Vertiefungen, Ruinen von Gebäuden und ganzen Städten (Ninive und
Babylon). Thöriger und sandiger Staub bilden sogar auf Mosaik und
glattem Marmorboden eine für das Sprossen von Vegetation günstige Schicht.
Mit dem Entstehen der Pflanzendecke steigert sich das Vermögen derselben, den
Staub zurückzuhalten. Allerdings wo fast täglich Regen fällt, wie z. B. in
Singapur oder Boitzenborg auf Java, ist die Rolle des Staubes sehr gering;
sie steigt, wenn feuchte Hitze mit großer Trockenheit abwechselt. Ueber-


Trockenheit des Klimas liegt. Erst die Entsalzung des Bodens gestattet das
Aufkommen von Hochvegetation.

Was ist nnn zunächst die aus dem Zusammengreifen aller dieser Umstände
hervorgehende Wirkung? Wir antworten: die chemische Zersetzung und mecha¬
nische Auflockerung der Felsgesteine in den Gebirgen. Erstere erfolgt am
stärksten, wenn die heißeste Zeit zugleich mit der regenreichsten zusammenfällt,
letztere aber entweder, wenn die feuchteste Jahreszeit und hinreichend niedrige
Temperatur zusammen auftreten, um Firnfelder und Gletscher daraus zu bilden
oder, wenn an eisfreien Stellen die Temperatur in kurzen Zeiträumen um den
Nullpunkt schwankt. Dies allgemeine Gesetz wirkt in Zentralasieu verschieden:
in dem von Gebirgen umstellten Tarym herrscht in den Monaten des stärksten
Niederschlags kaltes Klima, doch schmilzt am Tage eine gewisse Quantität
Schnee, im Frühjahr zeigen sich schroffe Temperaturwechsel und ziehen sich
mehr und mehr in die Höhe der Gebirge, im Sommer dagegen sind die höchsten
Gipfel den größten Temperaturextremen ausgesetzt. Das in die Fugen und
Gesteinklüfte eindringende Sickerwcisfer und sein Gefrieren lockert das Gebirge
auf, am meisten in der Höhe, wo beständig Feuchtigkeit existirt und außerdem
das mit Schutt beladene Gletschereis dnrch das Fortschieben auf seiner Grund¬
lage ebenfalls zerstörend wirkt. Wenn nun auch im Shcunvbecken die Trocken¬
heit des Winters nicht im gleichen Maße auflockernd wirkt, so trifft dagegen
hier die Zeit des größten Niederschlags mit der größten Hitze zusammen, die
chemische Zersetzung dringt hier um so tiefer ein und bewirkt rundliche Formen.
Während daher im westlichen Theil die Zerstörung der Gebirge das ganze
Jahr hindurch fortdauert, aber uicht den höchsten Effekt erzielt, bringt die in¬
tensive Einwirkung der Agentien im Shamo während des Sommers gleiche
Resultate hervor. So werden überall da, wo Gestein blosliegt, Stücken los¬
getrennt, fortgeschoben und endlich dnrch Wind und Wasser weggeführt.

Ueberall nämlich hat bei Ablagerung und Umlagerung von Zersetzuugs-
Produkteu der Wind einen bedeutenderen Antheil, als man ihm gemeiniglich
zuschreibt: zweifellos ergiebt sich aber seine Einwirkung erst da, wo das
Wasser zu gering ist, um das Material fortzuschaffen oder wo der Staub
selbst vor weiterer Fortführung durch Wind gesichert ist, z. B. an Klüften und
schroffen Vertiefungen, Ruinen von Gebäuden und ganzen Städten (Ninive und
Babylon). Thöriger und sandiger Staub bilden sogar auf Mosaik und
glattem Marmorboden eine für das Sprossen von Vegetation günstige Schicht.
Mit dem Entstehen der Pflanzendecke steigert sich das Vermögen derselben, den
Staub zurückzuhalten. Allerdings wo fast täglich Regen fällt, wie z. B. in
Singapur oder Boitzenborg auf Java, ist die Rolle des Staubes sehr gering;
sie steigt, wenn feuchte Hitze mit großer Trockenheit abwechselt. Ueber-


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[0461] Trockenheit des Klimas liegt. Erst die Entsalzung des Bodens gestattet das Aufkommen von Hochvegetation. Was ist nnn zunächst die aus dem Zusammengreifen aller dieser Umstände hervorgehende Wirkung? Wir antworten: die chemische Zersetzung und mecha¬ nische Auflockerung der Felsgesteine in den Gebirgen. Erstere erfolgt am stärksten, wenn die heißeste Zeit zugleich mit der regenreichsten zusammenfällt, letztere aber entweder, wenn die feuchteste Jahreszeit und hinreichend niedrige Temperatur zusammen auftreten, um Firnfelder und Gletscher daraus zu bilden oder, wenn an eisfreien Stellen die Temperatur in kurzen Zeiträumen um den Nullpunkt schwankt. Dies allgemeine Gesetz wirkt in Zentralasieu verschieden: in dem von Gebirgen umstellten Tarym herrscht in den Monaten des stärksten Niederschlags kaltes Klima, doch schmilzt am Tage eine gewisse Quantität Schnee, im Frühjahr zeigen sich schroffe Temperaturwechsel und ziehen sich mehr und mehr in die Höhe der Gebirge, im Sommer dagegen sind die höchsten Gipfel den größten Temperaturextremen ausgesetzt. Das in die Fugen und Gesteinklüfte eindringende Sickerwcisfer und sein Gefrieren lockert das Gebirge auf, am meisten in der Höhe, wo beständig Feuchtigkeit existirt und außerdem das mit Schutt beladene Gletschereis dnrch das Fortschieben auf seiner Grund¬ lage ebenfalls zerstörend wirkt. Wenn nun auch im Shcunvbecken die Trocken¬ heit des Winters nicht im gleichen Maße auflockernd wirkt, so trifft dagegen hier die Zeit des größten Niederschlags mit der größten Hitze zusammen, die chemische Zersetzung dringt hier um so tiefer ein und bewirkt rundliche Formen. Während daher im westlichen Theil die Zerstörung der Gebirge das ganze Jahr hindurch fortdauert, aber uicht den höchsten Effekt erzielt, bringt die in¬ tensive Einwirkung der Agentien im Shamo während des Sommers gleiche Resultate hervor. So werden überall da, wo Gestein blosliegt, Stücken los¬ getrennt, fortgeschoben und endlich dnrch Wind und Wasser weggeführt. Ueberall nämlich hat bei Ablagerung und Umlagerung von Zersetzuugs- Produkteu der Wind einen bedeutenderen Antheil, als man ihm gemeiniglich zuschreibt: zweifellos ergiebt sich aber seine Einwirkung erst da, wo das Wasser zu gering ist, um das Material fortzuschaffen oder wo der Staub selbst vor weiterer Fortführung durch Wind gesichert ist, z. B. an Klüften und schroffen Vertiefungen, Ruinen von Gebäuden und ganzen Städten (Ninive und Babylon). Thöriger und sandiger Staub bilden sogar auf Mosaik und glattem Marmorboden eine für das Sprossen von Vegetation günstige Schicht. Mit dem Entstehen der Pflanzendecke steigert sich das Vermögen derselben, den Staub zurückzuhalten. Allerdings wo fast täglich Regen fällt, wie z. B. in Singapur oder Boitzenborg auf Java, ist die Rolle des Staubes sehr gering; sie steigt, wenn feuchte Hitze mit großer Trockenheit abwechselt. Ueber-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/461>, abgerufen am 22.07.2024.