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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Haupt spielen die trockenen atmosphärischen Niederschlüge eine sehr wichtige
Rolle in dem Haushalt der Natur, da sie die äußerste Oberfläche bestimmen
helfen. Die oberen Humusschichten nehmen meist ihren Ursprung vom Winde,
die Feuchtigkeit hält den thonigen Staub fest, auf dem die Vegetation sprossen
kann, welches der trockene Sand nicht gestattet. Wiesen, Triften, Haiden, Pu߬
ten, Savannen, abfließende Steppen und Moos wachsen dnrch Staub. Wenn
der Wind nun schon in abfließenden Gebieten fo wirksam auftritt, so erhält
er in Zentralasien erst eine ganz ungeahnte Wichtigkeit. Die Steppenberge
sind kahl, bestehen weithin aus nacktem Fels, Wald kann ans dem Schutt nicht
wachsen, sondern blos Krautvegetation. Der Wind wirkt mit ungeschwächter
Kraft auf die Oberfläche und treibt die freigelegten Theile fort; gröbere bleiben
in der Nähe liegen, feinere reißt der Wind mit sich, die feinsten am weitesten.
Wo dnrch irgend ein Ereigniß der Boden gelockert und Theile losgelöst werden,
führt der Wind sie fort. So entsteht z. B. durch eine Anzahl zusammenwir¬
kender Ursachen die für Zentralasien und besonders für die Lößgegenden
charakteristische Staubatmosphäre. Selbst bei völliger Windstille ist oft die
Luft gelb, undurchsichtig, die Aussicht verhüllt. Und wenn nun der Wind von
Zentralasien herweht, entstehen die bekannten Staubstürme Nordchina's. Legt
sich der Wind, so bedeckt sich alles mit einer feinen gelblichen Stanbschicht;
die ganze Landschaft erhält einen gelben Ton: Straßen, Bäume, Häuser,
Saaten werden gelb. Gelb- ist daher die heilige Farbe der Chinesen, das
Symbol der Erde, das Attribut der kaiserlichen Gewalt. In Zentralasien
treten dieselben Erscheinungen noch gewaltiger ans, erhöht durch die Stärke des
Steppenwindes. Aehnliches berichtet man über Khotan, Ostturkestan und das
Shamvbecken. Das Ende dieses vielfach herumgewirbelten, gepeitschten Staubes
ist entweder der Salzsee oder die bewachsene Steppe; ans die peripherischen
Theile wird er nur selten hinausgetrieben, weil in Zentralasien meist lokale
Winde herrschen. Allerdings kann der Wind anch sehr verderblich wirke",
indem er einen Siebeprozeß vollzieht. Dieser besteht darin, daß die Theile
beim Aufwirbeln nach ihrer Größe geschieden und mit verschiedener Schnellig¬
keit fortbewegt werden: der Sand wird solange durchblasen, bis keine
thonigen Bestandtheile mehr darin sind und nur unfruchtbare übrig bleiben.
Und wenn diese nun auf einer Lößlandschaft sich lagern, so entsteht der
Anfang zu einer Sandwüste, die größeren Gesteinstücke werden freigelegt und
durch die dazwischen treibenden Quarzkörner abgeschliffen, und so ist der Ur¬
sprung zu den Kieselsteppen gegeben, wie dergleichen im Taryin und Shamo
angetroffen werden. So werden die zahlreichen kleineren und größeren Becken,
in die Zentralasten zerfällt, nach und nach erhöht mit Hilfe einer Salz-
Pflanzendecke, die auf ihr wucherte. Jene ließ Reste zurück in den senkrechten,


Haupt spielen die trockenen atmosphärischen Niederschlüge eine sehr wichtige
Rolle in dem Haushalt der Natur, da sie die äußerste Oberfläche bestimmen
helfen. Die oberen Humusschichten nehmen meist ihren Ursprung vom Winde,
die Feuchtigkeit hält den thonigen Staub fest, auf dem die Vegetation sprossen
kann, welches der trockene Sand nicht gestattet. Wiesen, Triften, Haiden, Pu߬
ten, Savannen, abfließende Steppen und Moos wachsen dnrch Staub. Wenn
der Wind nun schon in abfließenden Gebieten fo wirksam auftritt, so erhält
er in Zentralasien erst eine ganz ungeahnte Wichtigkeit. Die Steppenberge
sind kahl, bestehen weithin aus nacktem Fels, Wald kann ans dem Schutt nicht
wachsen, sondern blos Krautvegetation. Der Wind wirkt mit ungeschwächter
Kraft auf die Oberfläche und treibt die freigelegten Theile fort; gröbere bleiben
in der Nähe liegen, feinere reißt der Wind mit sich, die feinsten am weitesten.
Wo dnrch irgend ein Ereigniß der Boden gelockert und Theile losgelöst werden,
führt der Wind sie fort. So entsteht z. B. durch eine Anzahl zusammenwir¬
kender Ursachen die für Zentralasien und besonders für die Lößgegenden
charakteristische Staubatmosphäre. Selbst bei völliger Windstille ist oft die
Luft gelb, undurchsichtig, die Aussicht verhüllt. Und wenn nun der Wind von
Zentralasien herweht, entstehen die bekannten Staubstürme Nordchina's. Legt
sich der Wind, so bedeckt sich alles mit einer feinen gelblichen Stanbschicht;
die ganze Landschaft erhält einen gelben Ton: Straßen, Bäume, Häuser,
Saaten werden gelb. Gelb- ist daher die heilige Farbe der Chinesen, das
Symbol der Erde, das Attribut der kaiserlichen Gewalt. In Zentralasien
treten dieselben Erscheinungen noch gewaltiger ans, erhöht durch die Stärke des
Steppenwindes. Aehnliches berichtet man über Khotan, Ostturkestan und das
Shamvbecken. Das Ende dieses vielfach herumgewirbelten, gepeitschten Staubes
ist entweder der Salzsee oder die bewachsene Steppe; ans die peripherischen
Theile wird er nur selten hinausgetrieben, weil in Zentralasien meist lokale
Winde herrschen. Allerdings kann der Wind anch sehr verderblich wirke»,
indem er einen Siebeprozeß vollzieht. Dieser besteht darin, daß die Theile
beim Aufwirbeln nach ihrer Größe geschieden und mit verschiedener Schnellig¬
keit fortbewegt werden: der Sand wird solange durchblasen, bis keine
thonigen Bestandtheile mehr darin sind und nur unfruchtbare übrig bleiben.
Und wenn diese nun auf einer Lößlandschaft sich lagern, so entsteht der
Anfang zu einer Sandwüste, die größeren Gesteinstücke werden freigelegt und
durch die dazwischen treibenden Quarzkörner abgeschliffen, und so ist der Ur¬
sprung zu den Kieselsteppen gegeben, wie dergleichen im Taryin und Shamo
angetroffen werden. So werden die zahlreichen kleineren und größeren Becken,
in die Zentralasten zerfällt, nach und nach erhöht mit Hilfe einer Salz-
Pflanzendecke, die auf ihr wucherte. Jene ließ Reste zurück in den senkrechten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/462>, abgerufen am 22.07.2024.