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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Aufmerksamkeit zuwandten, griffen sie zu derselben Erklärung, welche schon
früher für den rheinischen Löß gegeben worden war, daß er sich nämlich aus
Wasser abgesetzt habe. Da diese Theorie schon früher als unzureichend bezeichnet
worden ist, so sei hier nur noch auf den Umstand hingewiesen, daß der Löß
sich in absoluten Höhen bis zu 2400 Meter vorfindet, und daß, wenn jene
marine Theorie richtig wäre, das den Löß bildende Meer Landstrecken bedeckt
haben müßte, von denen bis jetzt noch gar nicht nachgewiesen worden ist, daß
sie in der Quartärzeit vom Meere überschwemmt waren. Demgegenüber ver¬
legt nun Freiherr von Richthosen den Schwerpunkt seiner Theorie auf die
trockene Ablagerung oder, wie er sie nennt, die subaörische Ausfüllung der
Becken, bei welcher die Luftströmungen, die Temperaturverhältnisse, die atmo¬
sphärischen Niederschläge und der Wind die hauptsächlichste Thätigkeit ausübten,
während dem fließenden Wasser eine mehr nebensächliche Rolle zukommt.

Bekanntlich steigen nach dem Gesetze der Luftschwere am Aequator und
in der heißen Zone die mit Feuchtigkeit beschwerten Dämpfe auf und strömen
in der Richtung nach Norden ab; indeß von einer ihnen von Norden entgegen¬
streichenden Strömung werden sie nach oben gedrängt, so daß jene tiefer als
sie zu liegen kommt. Diese kalte und schwere Strömung ist allerdings zu
Anfang von Norden nach Süden gerichtet, aber je weiter sie nach Süden vor¬
dringt, um so mehr wird sie zu einer östlichen Strömung abgelenkt, weil sich
ihr die Erde mit gesteigerter Geschwindigkeit von West nach Ost entgegenbe-
wegt. Unter den Tropen heißt sie demnach Nordostpassat. Wenn dieser nun
schon für die Sahara und die turanischen Steppen eine der Ursachen für das
trockene Klima ist, so sinkt in Zentralasien die Rolle des Nordostpassates als
einer der Polarzone entstammenden und von dort mit geringer Feuchtigkeitsinenge
beladenen beständig nordöstlichen Strömung auf ein sehr geringes Maß herab.
Dagegen erzeugt das ausgedehnte Binnenland in Folge der großen Extreme
seiner Bodentemperatur im Sommer und Winter besondere Luftströmungen
von so bedeutender Wirkungsfähigkeit, daß sie die allgemeinen planetarischen
besiegen und in großer Reinheit auftreten. So herrscht z. B. im Shamobecken
während des ganzen Winterhalbjahres ein eisiger, frei über die Steppe hin¬
streichender Nordwestwind, das Schreckniß aller von China kommenden Reisenden,
während den Sommer hindurch die Winde von Süd und Südwest wehen.
Es entsteht hier der winterliche Monsun, der anfangs nach Südost abfließt,
später sich aber nach rechts dreht und im südöstlichen Asien als Nordostmonsun
auftritt. Noch mehr aber als im Shamobecken unterliegen die planetarischen
Luftströmungen im Kampf mit den gesteigerten Einflüssen des Bodens im
mittleren und westlichen Theile von Zentralasien. Hier wird die Lage noch
kontinentaler, und es treten örtliche Momente noch mehr hemmend in den


Aufmerksamkeit zuwandten, griffen sie zu derselben Erklärung, welche schon
früher für den rheinischen Löß gegeben worden war, daß er sich nämlich aus
Wasser abgesetzt habe. Da diese Theorie schon früher als unzureichend bezeichnet
worden ist, so sei hier nur noch auf den Umstand hingewiesen, daß der Löß
sich in absoluten Höhen bis zu 2400 Meter vorfindet, und daß, wenn jene
marine Theorie richtig wäre, das den Löß bildende Meer Landstrecken bedeckt
haben müßte, von denen bis jetzt noch gar nicht nachgewiesen worden ist, daß
sie in der Quartärzeit vom Meere überschwemmt waren. Demgegenüber ver¬
legt nun Freiherr von Richthosen den Schwerpunkt seiner Theorie auf die
trockene Ablagerung oder, wie er sie nennt, die subaörische Ausfüllung der
Becken, bei welcher die Luftströmungen, die Temperaturverhältnisse, die atmo¬
sphärischen Niederschläge und der Wind die hauptsächlichste Thätigkeit ausübten,
während dem fließenden Wasser eine mehr nebensächliche Rolle zukommt.

Bekanntlich steigen nach dem Gesetze der Luftschwere am Aequator und
in der heißen Zone die mit Feuchtigkeit beschwerten Dämpfe auf und strömen
in der Richtung nach Norden ab; indeß von einer ihnen von Norden entgegen¬
streichenden Strömung werden sie nach oben gedrängt, so daß jene tiefer als
sie zu liegen kommt. Diese kalte und schwere Strömung ist allerdings zu
Anfang von Norden nach Süden gerichtet, aber je weiter sie nach Süden vor¬
dringt, um so mehr wird sie zu einer östlichen Strömung abgelenkt, weil sich
ihr die Erde mit gesteigerter Geschwindigkeit von West nach Ost entgegenbe-
wegt. Unter den Tropen heißt sie demnach Nordostpassat. Wenn dieser nun
schon für die Sahara und die turanischen Steppen eine der Ursachen für das
trockene Klima ist, so sinkt in Zentralasien die Rolle des Nordostpassates als
einer der Polarzone entstammenden und von dort mit geringer Feuchtigkeitsinenge
beladenen beständig nordöstlichen Strömung auf ein sehr geringes Maß herab.
Dagegen erzeugt das ausgedehnte Binnenland in Folge der großen Extreme
seiner Bodentemperatur im Sommer und Winter besondere Luftströmungen
von so bedeutender Wirkungsfähigkeit, daß sie die allgemeinen planetarischen
besiegen und in großer Reinheit auftreten. So herrscht z. B. im Shamobecken
während des ganzen Winterhalbjahres ein eisiger, frei über die Steppe hin¬
streichender Nordwestwind, das Schreckniß aller von China kommenden Reisenden,
während den Sommer hindurch die Winde von Süd und Südwest wehen.
Es entsteht hier der winterliche Monsun, der anfangs nach Südost abfließt,
später sich aber nach rechts dreht und im südöstlichen Asien als Nordostmonsun
auftritt. Noch mehr aber als im Shamobecken unterliegen die planetarischen
Luftströmungen im Kampf mit den gesteigerten Einflüssen des Bodens im
mittleren und westlichen Theile von Zentralasien. Hier wird die Lage noch
kontinentaler, und es treten örtliche Momente noch mehr hemmend in den


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[0459] Aufmerksamkeit zuwandten, griffen sie zu derselben Erklärung, welche schon früher für den rheinischen Löß gegeben worden war, daß er sich nämlich aus Wasser abgesetzt habe. Da diese Theorie schon früher als unzureichend bezeichnet worden ist, so sei hier nur noch auf den Umstand hingewiesen, daß der Löß sich in absoluten Höhen bis zu 2400 Meter vorfindet, und daß, wenn jene marine Theorie richtig wäre, das den Löß bildende Meer Landstrecken bedeckt haben müßte, von denen bis jetzt noch gar nicht nachgewiesen worden ist, daß sie in der Quartärzeit vom Meere überschwemmt waren. Demgegenüber ver¬ legt nun Freiherr von Richthosen den Schwerpunkt seiner Theorie auf die trockene Ablagerung oder, wie er sie nennt, die subaörische Ausfüllung der Becken, bei welcher die Luftströmungen, die Temperaturverhältnisse, die atmo¬ sphärischen Niederschläge und der Wind die hauptsächlichste Thätigkeit ausübten, während dem fließenden Wasser eine mehr nebensächliche Rolle zukommt. Bekanntlich steigen nach dem Gesetze der Luftschwere am Aequator und in der heißen Zone die mit Feuchtigkeit beschwerten Dämpfe auf und strömen in der Richtung nach Norden ab; indeß von einer ihnen von Norden entgegen¬ streichenden Strömung werden sie nach oben gedrängt, so daß jene tiefer als sie zu liegen kommt. Diese kalte und schwere Strömung ist allerdings zu Anfang von Norden nach Süden gerichtet, aber je weiter sie nach Süden vor¬ dringt, um so mehr wird sie zu einer östlichen Strömung abgelenkt, weil sich ihr die Erde mit gesteigerter Geschwindigkeit von West nach Ost entgegenbe- wegt. Unter den Tropen heißt sie demnach Nordostpassat. Wenn dieser nun schon für die Sahara und die turanischen Steppen eine der Ursachen für das trockene Klima ist, so sinkt in Zentralasien die Rolle des Nordostpassates als einer der Polarzone entstammenden und von dort mit geringer Feuchtigkeitsinenge beladenen beständig nordöstlichen Strömung auf ein sehr geringes Maß herab. Dagegen erzeugt das ausgedehnte Binnenland in Folge der großen Extreme seiner Bodentemperatur im Sommer und Winter besondere Luftströmungen von so bedeutender Wirkungsfähigkeit, daß sie die allgemeinen planetarischen besiegen und in großer Reinheit auftreten. So herrscht z. B. im Shamobecken während des ganzen Winterhalbjahres ein eisiger, frei über die Steppe hin¬ streichender Nordwestwind, das Schreckniß aller von China kommenden Reisenden, während den Sommer hindurch die Winde von Süd und Südwest wehen. Es entsteht hier der winterliche Monsun, der anfangs nach Südost abfließt, später sich aber nach rechts dreht und im südöstlichen Asien als Nordostmonsun auftritt. Noch mehr aber als im Shamobecken unterliegen die planetarischen Luftströmungen im Kampf mit den gesteigerten Einflüssen des Bodens im mittleren und westlichen Theile von Zentralasien. Hier wird die Lage noch kontinentaler, und es treten örtliche Momente noch mehr hemmend in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/459>, abgerufen am 22.07.2024.