Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.Denn da vollständigen Menschen sie gleichen, Diese Beweise werden endlich mit demjenigen gekrönt, welcher vom Kreislaufe Dann geht wieder zurück die Bewegung, Der Schlich, daß demnach die Empfindung nicht den Atomen eigen sein Die Atome, die einem Ding entschweben, Wie kommen nun die mit Kräften so dürftig ausgestatteten Atome dazu, *) Anspielung auf den Fackellauf am Promctheusfeste zu Athen.
Denn da vollständigen Menschen sie gleichen, Diese Beweise werden endlich mit demjenigen gekrönt, welcher vom Kreislaufe Dann geht wieder zurück die Bewegung, Der Schlich, daß demnach die Empfindung nicht den Atomen eigen sein Die Atome, die einem Ding entschweben, Wie kommen nun die mit Kräften so dürftig ausgestatteten Atome dazu, *) Anspielung auf den Fackellauf am Promctheusfeste zu Athen.
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Denn da vollständigen Menschen sie gleichen,
So müssen auch sie aus Atomen bestehen,
sDie empfinden), und diese wieder aus andern.
Diese Beweise werden endlich mit demjenigen gekrönt, welcher vom Kreislaufe
des Stoffes hergenommen ist. Lukrez nimmt jenen herrlichen Mythus von der
Befruchtung der Erde durch den Aether wieder auf und zeigt nun auch den
weiteren Verlauf des Vorganges (II, 991—1006):
Dann geht wieder zurück die Bewegung,
Und was vorher aus der Erde gekommen,
Empfängt die Erd', und was herab
Aus des Aethers Bezirken gesendet ist,
Das schwebt in des Aethers hohe Gewölbe
Wieder empor und wird sein Theil.
Nicht so zerstört der Tod die Dinge,
Daß er des Stoffes Atome löste,
Nein, er zerstreut nur ihre Versammlung;
Dann verknüpft er andres mit andrem
Zu neuen Formen, zu neuen Farben:
Empfindendes bilden, die eben ein Theil
Des Empfindungslosen gewesen sind,
Und sie verlieren in einem Momente
Das Gefühl oft wieder, das kann: sie empfangen.
Der Schlich, daß demnach die Empfindung nicht den Atomen eigen sein
könne, ist zwingend, und Lucrez' Anschauung steht hier in sonniger Klarheit
auf der Höhe des wissenschaftlichen Bewußtseins unserer Zeit. Das thut er
auch mit dem verwandten Gedanken, welcher uns schon einmal begegnet ist, daß,
was entsteht, auf Kosten von Vergehendem entsteht. So heißt es im An¬
fange des zweiten Buches:
Die Atome, die einem Ding entschweben,
Mindern den Körper, dem sie entfliehn.
Mehrer den Körper, zu dem sie gelangen.
Lassen jenen greisenhaft siechen,
Diesen in fröhlicher Jugend erblühn.
Aber auch hier bleibe» sie nicht;
So erneut sich die Summe des Seins
Immerdar, es leben ans Borg
Unter einander die Sterblichen alle:
Zunehmen die einen der Stamme,
Andere schwinden allmählich dahin,
Und in kurzer Spanne wechseln die Geschlechter
Der beseelten Geschöpfe und reichen wie Läufer
Eines dem andern des Lebens Fackel.*) ,
Wie kommen nun die mit Kräften so dürftig ausgestatteten Atome dazu,
Dinge (Stoffe) zu bilden? Die „Samen der Dinge" fallen ewig durch den
*) Anspielung auf den Fackellauf am Promctheusfeste zu Athen.
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