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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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und ein hoher. Schönheitssinn. Die Wittwe Carpeaux', des Schöpfers der
Gruppe des Tanzes vor dem neuen Opernhause, hat eine große Anzahl von
in rosenfarbenen Thon kopirten Bildwerken ihres Mannes ausgestellt, in ihrer
Mitte natürlich das berühmte Gruppenbild, das einst der Gegenstand so leiden¬
schaftlicher Angriffe und so gröblicher Insulten gewesen. Jede dieser Thon¬
kopien ist ein vollendetes Kunstwerk; es sind keine mechanische Absormungen,
sondern jede einzelne Kopie wird sauber mit der Hand modellirt und ausge¬
führt, und daraus erklärt sich ebensowohl die hohe technische Vollendung wie
der verhältnißmäßig hohe Preis dieser entzückenden Figuren, Büsten, Gruppen
und Nippessachen.

Denn auch die kleine Geureplastik wird mit derselben Virtuosität und mit
einer noch größeren Feinheit geübt. Die beliebtesten Bilder der holländischen
und flämischen Kleinmeister, Teniers, Dow, Ostade und Mieris sind mit einer
beispiellosen Genauigkeit, mit köstlicher Lebendigkeit und Naturwahrheit in
plastische Freigruppeu übersetzt worden, voll von dem feinsten, liebenswürdigsten
Humor. Oft ist, um die Lebenswahrheit zu erhöhen, der hellrothen Farbe des
Thors noch durch andere Farben nachgeholfen worden. Indessen macht der
ungemein zarte, französische Thon den vortheilhaftesten Eindruck, wenn ihm
seine schöne Naturfarbe unversehrt erhalten bleibt.




Ale Aeichstagswahlen in Iayern.

Noch stehen in dem Augenblick, in welchem dies geschrieben wird, zwei
Stichwahlen, die in Forchheim und Zweibrücken, aus. Dann ist auch in Bayern
der große Wahlkampf entschieden. Er hat, wie überall im deutschen Reiche,
überraschende, ungeahnte Resultate gebracht: Parteiverschiebuugen, bedenkliche
Koalitionen, den Hinfall bewährter alter, das Auftauchen neuer Persönlichkeiten.
Im Großen und Ganzen hat sich das Zahlenverhältniß der bayrischen Reichs¬
boten zu Gunsten oder Schaden der liberalen Parteien nicht geändert; denn
für den Verlust des Münchener ersten Wahlkreises ist ein oberfränkischer, bis¬
her von den Ultramontanen inne gehabter, gewonnen worden, aber im Einzel¬
nen und Persönlichen hat sich Manches umgestaltet. Für's Erste erscheint keiner
der bisherigen, der Fortschrittspartei ungehörigen bayrischen Abgeordneten mehr
im Reichstag, die Herren Erhard, Frankenbnrger und Herz haben ans eine
Wiederwahl verzichtet. Wie die Dinge bei Auflösung des Reichstags einmal
lagen, wäre eine solche auch bei der größten Kraftaufbietung fast unmöglich


und ein hoher. Schönheitssinn. Die Wittwe Carpeaux', des Schöpfers der
Gruppe des Tanzes vor dem neuen Opernhause, hat eine große Anzahl von
in rosenfarbenen Thon kopirten Bildwerken ihres Mannes ausgestellt, in ihrer
Mitte natürlich das berühmte Gruppenbild, das einst der Gegenstand so leiden¬
schaftlicher Angriffe und so gröblicher Insulten gewesen. Jede dieser Thon¬
kopien ist ein vollendetes Kunstwerk; es sind keine mechanische Absormungen,
sondern jede einzelne Kopie wird sauber mit der Hand modellirt und ausge¬
führt, und daraus erklärt sich ebensowohl die hohe technische Vollendung wie
der verhältnißmäßig hohe Preis dieser entzückenden Figuren, Büsten, Gruppen
und Nippessachen.

Denn auch die kleine Geureplastik wird mit derselben Virtuosität und mit
einer noch größeren Feinheit geübt. Die beliebtesten Bilder der holländischen
und flämischen Kleinmeister, Teniers, Dow, Ostade und Mieris sind mit einer
beispiellosen Genauigkeit, mit köstlicher Lebendigkeit und Naturwahrheit in
plastische Freigruppeu übersetzt worden, voll von dem feinsten, liebenswürdigsten
Humor. Oft ist, um die Lebenswahrheit zu erhöhen, der hellrothen Farbe des
Thors noch durch andere Farben nachgeholfen worden. Indessen macht der
ungemein zarte, französische Thon den vortheilhaftesten Eindruck, wenn ihm
seine schöne Naturfarbe unversehrt erhalten bleibt.




Ale Aeichstagswahlen in Iayern.

Noch stehen in dem Augenblick, in welchem dies geschrieben wird, zwei
Stichwahlen, die in Forchheim und Zweibrücken, aus. Dann ist auch in Bayern
der große Wahlkampf entschieden. Er hat, wie überall im deutschen Reiche,
überraschende, ungeahnte Resultate gebracht: Parteiverschiebuugen, bedenkliche
Koalitionen, den Hinfall bewährter alter, das Auftauchen neuer Persönlichkeiten.
Im Großen und Ganzen hat sich das Zahlenverhältniß der bayrischen Reichs¬
boten zu Gunsten oder Schaden der liberalen Parteien nicht geändert; denn
für den Verlust des Münchener ersten Wahlkreises ist ein oberfränkischer, bis¬
her von den Ultramontanen inne gehabter, gewonnen worden, aber im Einzel¬
nen und Persönlichen hat sich Manches umgestaltet. Für's Erste erscheint keiner
der bisherigen, der Fortschrittspartei ungehörigen bayrischen Abgeordneten mehr
im Reichstag, die Herren Erhard, Frankenbnrger und Herz haben ans eine
Wiederwahl verzichtet. Wie die Dinge bei Auflösung des Reichstags einmal
lagen, wäre eine solche auch bei der größten Kraftaufbietung fast unmöglich


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[0365] und ein hoher. Schönheitssinn. Die Wittwe Carpeaux', des Schöpfers der Gruppe des Tanzes vor dem neuen Opernhause, hat eine große Anzahl von in rosenfarbenen Thon kopirten Bildwerken ihres Mannes ausgestellt, in ihrer Mitte natürlich das berühmte Gruppenbild, das einst der Gegenstand so leiden¬ schaftlicher Angriffe und so gröblicher Insulten gewesen. Jede dieser Thon¬ kopien ist ein vollendetes Kunstwerk; es sind keine mechanische Absormungen, sondern jede einzelne Kopie wird sauber mit der Hand modellirt und ausge¬ führt, und daraus erklärt sich ebensowohl die hohe technische Vollendung wie der verhältnißmäßig hohe Preis dieser entzückenden Figuren, Büsten, Gruppen und Nippessachen. Denn auch die kleine Geureplastik wird mit derselben Virtuosität und mit einer noch größeren Feinheit geübt. Die beliebtesten Bilder der holländischen und flämischen Kleinmeister, Teniers, Dow, Ostade und Mieris sind mit einer beispiellosen Genauigkeit, mit köstlicher Lebendigkeit und Naturwahrheit in plastische Freigruppeu übersetzt worden, voll von dem feinsten, liebenswürdigsten Humor. Oft ist, um die Lebenswahrheit zu erhöhen, der hellrothen Farbe des Thors noch durch andere Farben nachgeholfen worden. Indessen macht der ungemein zarte, französische Thon den vortheilhaftesten Eindruck, wenn ihm seine schöne Naturfarbe unversehrt erhalten bleibt. Ale Aeichstagswahlen in Iayern. Noch stehen in dem Augenblick, in welchem dies geschrieben wird, zwei Stichwahlen, die in Forchheim und Zweibrücken, aus. Dann ist auch in Bayern der große Wahlkampf entschieden. Er hat, wie überall im deutschen Reiche, überraschende, ungeahnte Resultate gebracht: Parteiverschiebuugen, bedenkliche Koalitionen, den Hinfall bewährter alter, das Auftauchen neuer Persönlichkeiten. Im Großen und Ganzen hat sich das Zahlenverhältniß der bayrischen Reichs¬ boten zu Gunsten oder Schaden der liberalen Parteien nicht geändert; denn für den Verlust des Münchener ersten Wahlkreises ist ein oberfränkischer, bis¬ her von den Ultramontanen inne gehabter, gewonnen worden, aber im Einzel¬ nen und Persönlichen hat sich Manches umgestaltet. Für's Erste erscheint keiner der bisherigen, der Fortschrittspartei ungehörigen bayrischen Abgeordneten mehr im Reichstag, die Herren Erhard, Frankenbnrger und Herz haben ans eine Wiederwahl verzichtet. Wie die Dinge bei Auflösung des Reichstags einmal lagen, wäre eine solche auch bei der größten Kraftaufbietung fast unmöglich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/365>, abgerufen am 22.07.2024.