Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.gewesen. Bei vielen Liberalen hatte sich schon während der Dauer des letzten gewesen. Bei vielen Liberalen hatte sich schon während der Dauer des letzten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0366" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140717"/> <p xml:id="ID_1110" prev="#ID_1109" next="#ID_1111"> gewesen. Bei vielen Liberalen hatte sich schon während der Dauer des letzten<lb/> Reichstags unvermerkt die bewußte, in jüngster Zeit viel genannte Schwenkung<lb/> nach rechts vollzogen, in städtischen und ländlichen Kreisen war man bei aller<lb/> Anerkennung seines persönlichen Werthes und seiner bisherigen parlamentari¬<lb/> schen Verdienste mit dem „Fortschrittsmanu" nicht mehr recht zufrieden, und<lb/> nun gar erst unter dem Eindruck der Auflösung und der ihr vorausgegangenen<lb/> Ereignisse wagten auch die entschiedensten politischen Freunde der Obenge¬<lb/> nannten ihre Kandidaturen nicht mehr um jeden Preis festzuhalten. So brachten<lb/> die drei Nürnberger Herren das patriotische Opfer, selbst zu resigniren. Wen<lb/> aber in den drei schwankenden, weniger von den Mtramontcmen, als, wie<lb/> namentlich Nürnberg, von den Sozialdemokraten, und, wie Dinkelsbühl und<lb/> Ansbach, von den Deutsch-Conservativen gefährdeten Wahlkreisen für die Aus-<lb/> geschiedeueu aufstellen? Bei den eigenthümlichen Verhältnissen war an eine<lb/> nicht einheimische Kandidatur nicht zu denken und unter den Eingesessenen lange<lb/> keine zu finden. Aber, wie immer, zur rechten Zeit kommt man doch auf den<lb/> rechten Mann, und Dinkelsbühl hob, indem es namentlich den Konservativen<lb/> gegenüber einen Meisterstreich missiihrte, den verdienten Regierungspräsidenten<lb/> von Mittelfranken or. von Feder, der mit der Annahme des Maubads in seinen<lb/> schon vorgerückten Jahren auch ein Opfer bringt, ans den Schild; Ansbach<lb/> brachte den Bezirksgerichtsrath Mauser, einen um das politische Leben seines Be¬<lb/> zirks bisher schon verdienten Mann, durch, und Nürnberg gewann in dem Pro¬<lb/> fessor der Mathematik Dr. Günther in Ansbach, einem gebornen Nürnberger,<lb/> für sich und für das Parlament eine in voller Frische der Jugend noch ganz<lb/> neue, durch eminente Begabung und glänzendes Rednertalent wirklich hoch zu<lb/> schätzende Kraft. In den drei genannten Bezirken wurden die Gegner glänzend<lb/> geschlagen. Am hitzigsten war, wie vorauszusehen, das Gefecht in Nürnberg;<lb/> hatten die Sozialdemokraten auch den letzten Mann aufgeboten, so stand doch<lb/> auch die ganze liberale Einwohnerschaft ohne Unterschied der speziellen Partei-<lb/> schattirung in geschlossener Phalanx gegen sie, und die das letztemal bei der<lb/> Kandidatur Frankenbnrger möglich gewesene Stichwahl wurde vermieden. Nur<lb/> die Deutschkonservativen hatten es nicht lassen können, ihre eigenen dunklen<lb/> Wege zu gehen. Trotz der vor Augen liegenden Aussichtslosigkeit seines Er¬<lb/> folges ließ sich der Führer der bayrischen Konservativen, der nach ihrem Organ,<lb/> der „Süddeutschen Reichspost", sogenannten Reichspostpartei, Regierungsrath<lb/> Luthard von Augsburg, abermals auf den Isolirschemel einer Durchfallskcm-<lb/> didatur stellen. Auch in Dinkelsbühl versuchte man es, dem oben genannten<lb/> Regierungspräsidenten gegenüber, mit dem gleichen Manöver. Es gehörte ein<lb/> gewisses Maß von Selbstbewußtsein, oder das sichtliche Streben, um jeden<lb/> Preis einen Neichstagssitz zu erlangen, dazu, daß Lnthard sich, wie das letzte-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0366]
gewesen. Bei vielen Liberalen hatte sich schon während der Dauer des letzten
Reichstags unvermerkt die bewußte, in jüngster Zeit viel genannte Schwenkung
nach rechts vollzogen, in städtischen und ländlichen Kreisen war man bei aller
Anerkennung seines persönlichen Werthes und seiner bisherigen parlamentari¬
schen Verdienste mit dem „Fortschrittsmanu" nicht mehr recht zufrieden, und
nun gar erst unter dem Eindruck der Auflösung und der ihr vorausgegangenen
Ereignisse wagten auch die entschiedensten politischen Freunde der Obenge¬
nannten ihre Kandidaturen nicht mehr um jeden Preis festzuhalten. So brachten
die drei Nürnberger Herren das patriotische Opfer, selbst zu resigniren. Wen
aber in den drei schwankenden, weniger von den Mtramontcmen, als, wie
namentlich Nürnberg, von den Sozialdemokraten, und, wie Dinkelsbühl und
Ansbach, von den Deutsch-Conservativen gefährdeten Wahlkreisen für die Aus-
geschiedeueu aufstellen? Bei den eigenthümlichen Verhältnissen war an eine
nicht einheimische Kandidatur nicht zu denken und unter den Eingesessenen lange
keine zu finden. Aber, wie immer, zur rechten Zeit kommt man doch auf den
rechten Mann, und Dinkelsbühl hob, indem es namentlich den Konservativen
gegenüber einen Meisterstreich missiihrte, den verdienten Regierungspräsidenten
von Mittelfranken or. von Feder, der mit der Annahme des Maubads in seinen
schon vorgerückten Jahren auch ein Opfer bringt, ans den Schild; Ansbach
brachte den Bezirksgerichtsrath Mauser, einen um das politische Leben seines Be¬
zirks bisher schon verdienten Mann, durch, und Nürnberg gewann in dem Pro¬
fessor der Mathematik Dr. Günther in Ansbach, einem gebornen Nürnberger,
für sich und für das Parlament eine in voller Frische der Jugend noch ganz
neue, durch eminente Begabung und glänzendes Rednertalent wirklich hoch zu
schätzende Kraft. In den drei genannten Bezirken wurden die Gegner glänzend
geschlagen. Am hitzigsten war, wie vorauszusehen, das Gefecht in Nürnberg;
hatten die Sozialdemokraten auch den letzten Mann aufgeboten, so stand doch
auch die ganze liberale Einwohnerschaft ohne Unterschied der speziellen Partei-
schattirung in geschlossener Phalanx gegen sie, und die das letztemal bei der
Kandidatur Frankenbnrger möglich gewesene Stichwahl wurde vermieden. Nur
die Deutschkonservativen hatten es nicht lassen können, ihre eigenen dunklen
Wege zu gehen. Trotz der vor Augen liegenden Aussichtslosigkeit seines Er¬
folges ließ sich der Führer der bayrischen Konservativen, der nach ihrem Organ,
der „Süddeutschen Reichspost", sogenannten Reichspostpartei, Regierungsrath
Luthard von Augsburg, abermals auf den Isolirschemel einer Durchfallskcm-
didatur stellen. Auch in Dinkelsbühl versuchte man es, dem oben genannten
Regierungspräsidenten gegenüber, mit dem gleichen Manöver. Es gehörte ein
gewisses Maß von Selbstbewußtsein, oder das sichtliche Streben, um jeden
Preis einen Neichstagssitz zu erlangen, dazu, daß Lnthard sich, wie das letzte-
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