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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Das geschickteste Arrangement hat England und Italien gezeigt, indem
beide Länder nach einem vollkommen richtigen Grundsätze, der für eine Welt¬
ausstellung allein maßgebend sein sollte, nur in solchen Industriezweigen auf¬
stellten, in denen sie bereits eine unzweifelhafte Priorität vor den andern
Nationen erreicht haben oder in denen sie sich durch eine besondere Originalität
und durch besondere Spezialitäten auszeichnen.

Wie in der Kunst hat England auch in der Kunstindustrie durch seine
Porzellan- und Faienceausstellung einen großen Trumpf ausgespielt. Sieht
man von der Ausstellung der Sevres-Manufaktur ab, so gebührt England
auf diesem ungemein wichtigen und umfassenden Gebiete der modernen Kunst-
industrie der Vorrang vor Frankreich und somit anch vor den übrigen Völkern
Europa's. Das ist eines der interessantesten und bedeutsamsten Resultate der
Pariser Weltausstellung.

Man braucht nur die Namen Wedgwood und Minton zu nennen, um
alle Faience-Enthusiasten in Helles Entzücken zu versetzen. Die Firma Wedg¬
wood in Stoke-upon-Trent, die im Jahre 1760 gegründet wurde und noch
heute im vollsten Flor steht, gehört bereits der Geschichte an. Das Wedgwood-
Porzellan ans den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhundert figurirt unter
den Kapitalstücken unsrer Faieneescnnmlungen. Neuerdings ist freilich der Glanz
der alten Fabrik durch die China Works der Minton's, die sich gleichfalls in
Stoke-upon-Trent befinden, überstrahlt morden. Hier hat namentlich die
?All-8ur-M6-Fabrikation und die Porzellan- und Majolikamalerei, besonders
seit es den Minton's gelungen ist, Mr. Solon, den besten Porzellanmaler der
Sevres-Manufaktur, der währeud des deutsch-französischen Krieges nach England
ging, dauernd an sich zu fesseln, die höchste künstlerische Ausführung erfahren,
deren jene Zweige der Töpferkunst fähig zu sein scheinen.

Innerhalb der englischen Porzellan- und Faiencefabrikation herrscht ein
Leben, eine Bewegung, von der man sich schwerlich eine Vorstellung machen
kann. Es giebt absolut nichts mehr, keinen Stil, keine Manier, keine Form,
keine Malweise und keine Fabrikationsart, in der sich die Engländer nicht
bereits versucht hätten und zwar meist mit dem besten Erfolge. China, Japan,
Indien und Persien, Griechenland, Egypten und Etrurien liefern ihnen Muster
und Formen, die sie bis zur Täuschung nachzuahmen verstehen. Palissy-Teller,
italienische Majolika-Schaalen und Deister Porzellan werden mit gleicher
Virtuosität und derselben Vollkommenheit nachgebildet. Daneben greifen sie
in die Vergangenheit ihres eigenen Landes zurück und formen Stutzuhren
und Service in Early English, im Stile der Königin Anna oder König
Jakob's II. Aber das köstlichste ist und bleibt ihre graziöse, reizvolle I^es-sur-
Mo-Fabrikation.


Das geschickteste Arrangement hat England und Italien gezeigt, indem
beide Länder nach einem vollkommen richtigen Grundsätze, der für eine Welt¬
ausstellung allein maßgebend sein sollte, nur in solchen Industriezweigen auf¬
stellten, in denen sie bereits eine unzweifelhafte Priorität vor den andern
Nationen erreicht haben oder in denen sie sich durch eine besondere Originalität
und durch besondere Spezialitäten auszeichnen.

Wie in der Kunst hat England auch in der Kunstindustrie durch seine
Porzellan- und Faienceausstellung einen großen Trumpf ausgespielt. Sieht
man von der Ausstellung der Sevres-Manufaktur ab, so gebührt England
auf diesem ungemein wichtigen und umfassenden Gebiete der modernen Kunst-
industrie der Vorrang vor Frankreich und somit anch vor den übrigen Völkern
Europa's. Das ist eines der interessantesten und bedeutsamsten Resultate der
Pariser Weltausstellung.

Man braucht nur die Namen Wedgwood und Minton zu nennen, um
alle Faience-Enthusiasten in Helles Entzücken zu versetzen. Die Firma Wedg¬
wood in Stoke-upon-Trent, die im Jahre 1760 gegründet wurde und noch
heute im vollsten Flor steht, gehört bereits der Geschichte an. Das Wedgwood-
Porzellan ans den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhundert figurirt unter
den Kapitalstücken unsrer Faieneescnnmlungen. Neuerdings ist freilich der Glanz
der alten Fabrik durch die China Works der Minton's, die sich gleichfalls in
Stoke-upon-Trent befinden, überstrahlt morden. Hier hat namentlich die
?All-8ur-M6-Fabrikation und die Porzellan- und Majolikamalerei, besonders
seit es den Minton's gelungen ist, Mr. Solon, den besten Porzellanmaler der
Sevres-Manufaktur, der währeud des deutsch-französischen Krieges nach England
ging, dauernd an sich zu fesseln, die höchste künstlerische Ausführung erfahren,
deren jene Zweige der Töpferkunst fähig zu sein scheinen.

Innerhalb der englischen Porzellan- und Faiencefabrikation herrscht ein
Leben, eine Bewegung, von der man sich schwerlich eine Vorstellung machen
kann. Es giebt absolut nichts mehr, keinen Stil, keine Manier, keine Form,
keine Malweise und keine Fabrikationsart, in der sich die Engländer nicht
bereits versucht hätten und zwar meist mit dem besten Erfolge. China, Japan,
Indien und Persien, Griechenland, Egypten und Etrurien liefern ihnen Muster
und Formen, die sie bis zur Täuschung nachzuahmen verstehen. Palissy-Teller,
italienische Majolika-Schaalen und Deister Porzellan werden mit gleicher
Virtuosität und derselben Vollkommenheit nachgebildet. Daneben greifen sie
in die Vergangenheit ihres eigenen Landes zurück und formen Stutzuhren
und Service in Early English, im Stile der Königin Anna oder König
Jakob's II. Aber das köstlichste ist und bleibt ihre graziöse, reizvolle I^es-sur-
Mo-Fabrikation.


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[0359] Das geschickteste Arrangement hat England und Italien gezeigt, indem beide Länder nach einem vollkommen richtigen Grundsätze, der für eine Welt¬ ausstellung allein maßgebend sein sollte, nur in solchen Industriezweigen auf¬ stellten, in denen sie bereits eine unzweifelhafte Priorität vor den andern Nationen erreicht haben oder in denen sie sich durch eine besondere Originalität und durch besondere Spezialitäten auszeichnen. Wie in der Kunst hat England auch in der Kunstindustrie durch seine Porzellan- und Faienceausstellung einen großen Trumpf ausgespielt. Sieht man von der Ausstellung der Sevres-Manufaktur ab, so gebührt England auf diesem ungemein wichtigen und umfassenden Gebiete der modernen Kunst- industrie der Vorrang vor Frankreich und somit anch vor den übrigen Völkern Europa's. Das ist eines der interessantesten und bedeutsamsten Resultate der Pariser Weltausstellung. Man braucht nur die Namen Wedgwood und Minton zu nennen, um alle Faience-Enthusiasten in Helles Entzücken zu versetzen. Die Firma Wedg¬ wood in Stoke-upon-Trent, die im Jahre 1760 gegründet wurde und noch heute im vollsten Flor steht, gehört bereits der Geschichte an. Das Wedgwood- Porzellan ans den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhundert figurirt unter den Kapitalstücken unsrer Faieneescnnmlungen. Neuerdings ist freilich der Glanz der alten Fabrik durch die China Works der Minton's, die sich gleichfalls in Stoke-upon-Trent befinden, überstrahlt morden. Hier hat namentlich die ?All-8ur-M6-Fabrikation und die Porzellan- und Majolikamalerei, besonders seit es den Minton's gelungen ist, Mr. Solon, den besten Porzellanmaler der Sevres-Manufaktur, der währeud des deutsch-französischen Krieges nach England ging, dauernd an sich zu fesseln, die höchste künstlerische Ausführung erfahren, deren jene Zweige der Töpferkunst fähig zu sein scheinen. Innerhalb der englischen Porzellan- und Faiencefabrikation herrscht ein Leben, eine Bewegung, von der man sich schwerlich eine Vorstellung machen kann. Es giebt absolut nichts mehr, keinen Stil, keine Manier, keine Form, keine Malweise und keine Fabrikationsart, in der sich die Engländer nicht bereits versucht hätten und zwar meist mit dem besten Erfolge. China, Japan, Indien und Persien, Griechenland, Egypten und Etrurien liefern ihnen Muster und Formen, die sie bis zur Täuschung nachzuahmen verstehen. Palissy-Teller, italienische Majolika-Schaalen und Deister Porzellan werden mit gleicher Virtuosität und derselben Vollkommenheit nachgebildet. Daneben greifen sie in die Vergangenheit ihres eigenen Landes zurück und formen Stutzuhren und Service in Early English, im Stile der Königin Anna oder König Jakob's II. Aber das köstlichste ist und bleibt ihre graziöse, reizvolle I^es-sur- Mo-Fabrikation.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/359>, abgerufen am 22.07.2024.