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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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wird er möglichst bewahrt geblieben sein; er wohnte während seiner ganzen
Studienzeit in dem Hause eines Freundes seines Vaters, des theologischen
Professors Danz. Nach dreijährigem Studium rief ihn der Vater nach Hause
zurück, weil sich Gelegenheit bot, ihm eine Hofmeisterstelle zu verschaffen. Da
es aber zwischen Vater und Sohn zu keiner Einigung kam, blieb Christ vor¬
läufig in Koburg und unterstützte den Vater in seinen Amtsgeschäften. Da
bot sich ihm die gleiche Gelegenheit zum zweiten Male. Der Meiningische
Staatsminister und kaiserliche Reichshofrath, Freiherr von Wolzogen, wandte
sich brieflich an Christ's Vater und bat sich den jungen Christ für seinen Sohn,
der eben die Universität beziehen sollte, als Informator aus. Diesmal nahm
Christ an und ging im Herbst 1723 mit seinem Schutzbefohlenen abermals
nach Jena. Wieder bezog er das Danzische Hans und studirte nun in Ge¬
meinschaft mit seinem Zögling noch volle zwei Jahre.

Während dieser zweiten Studienzeit in Jena erwachte in dem jungen
Christ, während er sich bisher für keinen Lebensberuf recht hatte entscheiden
können, die Neigung zum akademischen Lehramt. Aber obwohl ihn Lehrer
und Freunde darin bestärkten, mußten diese Pläne doch für's erste wieder zu¬
rückgelegt werden. Der Vater hätte es lieber gesehen, wenn sein Sohn in seine
Fußtapfen getreten wäre und die Laufbahn eines juristischen Beamten ergriffen
hätte. Als er daher nach Ablauf der zwei Jahre mit dem jungen Baron v.
Wolzogen nach Meiningen zurückkehrte, ließ er sich überreden, zu bleiben.
Bald darauf ernannte ihn der Meiningische Herzog, Friedrich Wilhelm, zum
geheimen Kabinetssekretär, von Tag zu Tag stieg er in der Gunst der Hof-
und Beamtenkreise, und sein besonderer Gönner, der Minister v. Wolzogen,
ein kunstsinniger Dilettant, ehrte seinen "Philosophen", wie er Christ zu nennen
Pflegte, durch den Auftrag, in den Abendverscunmlungen, die der Hof wöchentlich
einmal in seinem Hause abhielt, zur Unterhaltung der Gesellschaft Vorträge,
namentlich über "moralische Materien", zu halten. Christ fand Beifall, zumal
bei den Frauen, und während von seinen Zuhörern noch immer die einen ihn
als Beamten erhalten wissen wollten, ermunterten ihn die andern, sich zum
akademischen Lehrer auszubilden. Da wurde ihm in Frühling 1726 durch
Wolzogen das Anerbieten gemacht, auch seine beiden jüngeren Söhne als Hof¬
meister nach der Universität zu begleiten, und zwar diesmal unter der Ver¬
günstigung, die Universität, die bezogen werden sollte, selbst zu wählen. Seine
amtliche Stellung in Meiningen blieb ihm gesichert. Er nahm das Anerbieten
an und entschied sich für Halle.

Was ihn dorthin zog, war vor allem der Wunsch, den bedeutenden dort
wirkenden Rechtsgelehrten, Thomas, Gundling, Ludewig und Böhmer, näher zu
treten. Denn inzwischen hatte er sich doch für die akademische Laufbahn ent-


wird er möglichst bewahrt geblieben sein; er wohnte während seiner ganzen
Studienzeit in dem Hause eines Freundes seines Vaters, des theologischen
Professors Danz. Nach dreijährigem Studium rief ihn der Vater nach Hause
zurück, weil sich Gelegenheit bot, ihm eine Hofmeisterstelle zu verschaffen. Da
es aber zwischen Vater und Sohn zu keiner Einigung kam, blieb Christ vor¬
läufig in Koburg und unterstützte den Vater in seinen Amtsgeschäften. Da
bot sich ihm die gleiche Gelegenheit zum zweiten Male. Der Meiningische
Staatsminister und kaiserliche Reichshofrath, Freiherr von Wolzogen, wandte
sich brieflich an Christ's Vater und bat sich den jungen Christ für seinen Sohn,
der eben die Universität beziehen sollte, als Informator aus. Diesmal nahm
Christ an und ging im Herbst 1723 mit seinem Schutzbefohlenen abermals
nach Jena. Wieder bezog er das Danzische Hans und studirte nun in Ge¬
meinschaft mit seinem Zögling noch volle zwei Jahre.

Während dieser zweiten Studienzeit in Jena erwachte in dem jungen
Christ, während er sich bisher für keinen Lebensberuf recht hatte entscheiden
können, die Neigung zum akademischen Lehramt. Aber obwohl ihn Lehrer
und Freunde darin bestärkten, mußten diese Pläne doch für's erste wieder zu¬
rückgelegt werden. Der Vater hätte es lieber gesehen, wenn sein Sohn in seine
Fußtapfen getreten wäre und die Laufbahn eines juristischen Beamten ergriffen
hätte. Als er daher nach Ablauf der zwei Jahre mit dem jungen Baron v.
Wolzogen nach Meiningen zurückkehrte, ließ er sich überreden, zu bleiben.
Bald darauf ernannte ihn der Meiningische Herzog, Friedrich Wilhelm, zum
geheimen Kabinetssekretär, von Tag zu Tag stieg er in der Gunst der Hof-
und Beamtenkreise, und sein besonderer Gönner, der Minister v. Wolzogen,
ein kunstsinniger Dilettant, ehrte seinen „Philosophen", wie er Christ zu nennen
Pflegte, durch den Auftrag, in den Abendverscunmlungen, die der Hof wöchentlich
einmal in seinem Hause abhielt, zur Unterhaltung der Gesellschaft Vorträge,
namentlich über „moralische Materien", zu halten. Christ fand Beifall, zumal
bei den Frauen, und während von seinen Zuhörern noch immer die einen ihn
als Beamten erhalten wissen wollten, ermunterten ihn die andern, sich zum
akademischen Lehrer auszubilden. Da wurde ihm in Frühling 1726 durch
Wolzogen das Anerbieten gemacht, auch seine beiden jüngeren Söhne als Hof¬
meister nach der Universität zu begleiten, und zwar diesmal unter der Ver¬
günstigung, die Universität, die bezogen werden sollte, selbst zu wählen. Seine
amtliche Stellung in Meiningen blieb ihm gesichert. Er nahm das Anerbieten
an und entschied sich für Halle.

Was ihn dorthin zog, war vor allem der Wunsch, den bedeutenden dort
wirkenden Rechtsgelehrten, Thomas, Gundling, Ludewig und Böhmer, näher zu
treten. Denn inzwischen hatte er sich doch für die akademische Laufbahn ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/341>, abgerufen am 22.07.2024.