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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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biographische und bibliographische Material zu einer Darstellung von dem Leben
und Wirken Christ's vollständig zusammengebracht und in ansprechender Form
verarbeitet hat, und so darf sie wenigstens als eine dankenswerthe Vorarbeit
zu der "Monographie", die Justi vorgeschwebt haben mag, betrachtet werden.

JohannFriedrich Christ war im April 1700 in Koburg geboren.
Sein Vater, Johann Sebastian Christ, war damals Raths- und Konsistorial-
assessor bei der fürstlich sächsischen Landesregierung in Koburg; 1710 brachte
er es zum Hofrath, 1713 zum Konsistoralrath, und lange Zeit hindurch be¬
kleidete er zugleich das Amt eines Protoscholarchen am Koburger Gymnasium.
Johann Friedrich war das dritte von neun Kindern. Er genoß wie seine
Geschwister die liebevollste Erziehung, seine geistige Ausbildung aber war mehr
vielseitig als gründlich. Er besuchte erst die lateinische Rathsschule, dann das
Gymnasium in Koburg -- das Casimirianum --, außerdem wurde er durch
Privatunterricht vorgebildet, und auch der Vater selbst, ein vielseitig unter¬
richteter Mann, nahm sich der wissenschaftlichen Ausbildung des Sohnes an.
Daneben wurde dem Knaben Gelegenheit zur Aneigung künstlerischer Fertig¬
keiten gegeben; er lernte zeichnen, malen, radiren und modelliren. Zu all diesem
vielfachen Unterricht gesellte sich endlich aber auch eine Welt- und Hofmännische
Erziehung. Als Sohn eines hohen und an dem kleinen Hofe einflußreichen
und beliebten Beamten erlangte der junge Christ frühzeitig Zutritt in den
Kreisen der aristokratischen Gesellschaft und durfte seines einnehmenden Wesens
wegen bald auch am Hofe selbst verkehren. Er erhielt Unterweisung in allen
ritterlichen Künsten, im Fechten, Tanzen und Reiten, und auf gelegentlichen
größeren oder kleineren Ausflügen, die auf benachbarte adliche Schlösser unter¬
nommen wurden, lernte er seine Bildung nach manchen Richtungen hin er¬
weitern und stählte außerdem, da er bei solcher Gelegenheit bisweilen von früh
bis Abends zu Pferde zu sitzen hatte, seinen von Hause aus nicht eben kräftigen
Körper. Kein Wunder, daß bei solcher Erziehung anfangs weniger ernst
wissenschaftliche als vielmehr belletristische Neigungen bei ihm hervortraten, so
daß er Schäfergedichte und Komödien schreiben wollte, und es bedürfte eines
besonders beschämenden Erlebnisses -- es wurde ihm einst bei einem der er¬
wähnten Ausflüge von einigen Gelehrten gehörig auf den Zahn gefühlt und
ihm die Schwäche seiner positiven Kenntnisse nachgewiesen, -- damit er derartige
Liebhabereien an den Nagel hing und sich ernstlich in das Studium des klassischen
Alterthums vertiefte.

Mit zwanzig Jahren bezog Christ, nachdem er sich vorher noch ein Jahr
privatim speziell für das Universitätsstudium vorbereitet hatte, dem Willen
seines Vaters gemäß die Universität Jena, um Jurisprudenz zu studiren- Von
dem rohen Pennalismus, der damals unter den Jenenser Studenten herrschte,


biographische und bibliographische Material zu einer Darstellung von dem Leben
und Wirken Christ's vollständig zusammengebracht und in ansprechender Form
verarbeitet hat, und so darf sie wenigstens als eine dankenswerthe Vorarbeit
zu der „Monographie", die Justi vorgeschwebt haben mag, betrachtet werden.

JohannFriedrich Christ war im April 1700 in Koburg geboren.
Sein Vater, Johann Sebastian Christ, war damals Raths- und Konsistorial-
assessor bei der fürstlich sächsischen Landesregierung in Koburg; 1710 brachte
er es zum Hofrath, 1713 zum Konsistoralrath, und lange Zeit hindurch be¬
kleidete er zugleich das Amt eines Protoscholarchen am Koburger Gymnasium.
Johann Friedrich war das dritte von neun Kindern. Er genoß wie seine
Geschwister die liebevollste Erziehung, seine geistige Ausbildung aber war mehr
vielseitig als gründlich. Er besuchte erst die lateinische Rathsschule, dann das
Gymnasium in Koburg — das Casimirianum —, außerdem wurde er durch
Privatunterricht vorgebildet, und auch der Vater selbst, ein vielseitig unter¬
richteter Mann, nahm sich der wissenschaftlichen Ausbildung des Sohnes an.
Daneben wurde dem Knaben Gelegenheit zur Aneigung künstlerischer Fertig¬
keiten gegeben; er lernte zeichnen, malen, radiren und modelliren. Zu all diesem
vielfachen Unterricht gesellte sich endlich aber auch eine Welt- und Hofmännische
Erziehung. Als Sohn eines hohen und an dem kleinen Hofe einflußreichen
und beliebten Beamten erlangte der junge Christ frühzeitig Zutritt in den
Kreisen der aristokratischen Gesellschaft und durfte seines einnehmenden Wesens
wegen bald auch am Hofe selbst verkehren. Er erhielt Unterweisung in allen
ritterlichen Künsten, im Fechten, Tanzen und Reiten, und auf gelegentlichen
größeren oder kleineren Ausflügen, die auf benachbarte adliche Schlösser unter¬
nommen wurden, lernte er seine Bildung nach manchen Richtungen hin er¬
weitern und stählte außerdem, da er bei solcher Gelegenheit bisweilen von früh
bis Abends zu Pferde zu sitzen hatte, seinen von Hause aus nicht eben kräftigen
Körper. Kein Wunder, daß bei solcher Erziehung anfangs weniger ernst
wissenschaftliche als vielmehr belletristische Neigungen bei ihm hervortraten, so
daß er Schäfergedichte und Komödien schreiben wollte, und es bedürfte eines
besonders beschämenden Erlebnisses — es wurde ihm einst bei einem der er¬
wähnten Ausflüge von einigen Gelehrten gehörig auf den Zahn gefühlt und
ihm die Schwäche seiner positiven Kenntnisse nachgewiesen, — damit er derartige
Liebhabereien an den Nagel hing und sich ernstlich in das Studium des klassischen
Alterthums vertiefte.

Mit zwanzig Jahren bezog Christ, nachdem er sich vorher noch ein Jahr
privatim speziell für das Universitätsstudium vorbereitet hatte, dem Willen
seines Vaters gemäß die Universität Jena, um Jurisprudenz zu studiren- Von
dem rohen Pennalismus, der damals unter den Jenenser Studenten herrschte,


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[0340] biographische und bibliographische Material zu einer Darstellung von dem Leben und Wirken Christ's vollständig zusammengebracht und in ansprechender Form verarbeitet hat, und so darf sie wenigstens als eine dankenswerthe Vorarbeit zu der „Monographie", die Justi vorgeschwebt haben mag, betrachtet werden. JohannFriedrich Christ war im April 1700 in Koburg geboren. Sein Vater, Johann Sebastian Christ, war damals Raths- und Konsistorial- assessor bei der fürstlich sächsischen Landesregierung in Koburg; 1710 brachte er es zum Hofrath, 1713 zum Konsistoralrath, und lange Zeit hindurch be¬ kleidete er zugleich das Amt eines Protoscholarchen am Koburger Gymnasium. Johann Friedrich war das dritte von neun Kindern. Er genoß wie seine Geschwister die liebevollste Erziehung, seine geistige Ausbildung aber war mehr vielseitig als gründlich. Er besuchte erst die lateinische Rathsschule, dann das Gymnasium in Koburg — das Casimirianum —, außerdem wurde er durch Privatunterricht vorgebildet, und auch der Vater selbst, ein vielseitig unter¬ richteter Mann, nahm sich der wissenschaftlichen Ausbildung des Sohnes an. Daneben wurde dem Knaben Gelegenheit zur Aneigung künstlerischer Fertig¬ keiten gegeben; er lernte zeichnen, malen, radiren und modelliren. Zu all diesem vielfachen Unterricht gesellte sich endlich aber auch eine Welt- und Hofmännische Erziehung. Als Sohn eines hohen und an dem kleinen Hofe einflußreichen und beliebten Beamten erlangte der junge Christ frühzeitig Zutritt in den Kreisen der aristokratischen Gesellschaft und durfte seines einnehmenden Wesens wegen bald auch am Hofe selbst verkehren. Er erhielt Unterweisung in allen ritterlichen Künsten, im Fechten, Tanzen und Reiten, und auf gelegentlichen größeren oder kleineren Ausflügen, die auf benachbarte adliche Schlösser unter¬ nommen wurden, lernte er seine Bildung nach manchen Richtungen hin er¬ weitern und stählte außerdem, da er bei solcher Gelegenheit bisweilen von früh bis Abends zu Pferde zu sitzen hatte, seinen von Hause aus nicht eben kräftigen Körper. Kein Wunder, daß bei solcher Erziehung anfangs weniger ernst wissenschaftliche als vielmehr belletristische Neigungen bei ihm hervortraten, so daß er Schäfergedichte und Komödien schreiben wollte, und es bedürfte eines besonders beschämenden Erlebnisses — es wurde ihm einst bei einem der er¬ wähnten Ausflüge von einigen Gelehrten gehörig auf den Zahn gefühlt und ihm die Schwäche seiner positiven Kenntnisse nachgewiesen, — damit er derartige Liebhabereien an den Nagel hing und sich ernstlich in das Studium des klassischen Alterthums vertiefte. Mit zwanzig Jahren bezog Christ, nachdem er sich vorher noch ein Jahr privatim speziell für das Universitätsstudium vorbereitet hatte, dem Willen seines Vaters gemäß die Universität Jena, um Jurisprudenz zu studiren- Von dem rohen Pennalismus, der damals unter den Jenenser Studenten herrschte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/340>, abgerufen am 22.07.2024.