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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Dieses Lob läßt erkennen, daß also doch zu des Polybios' Zeit, d. h. in der
ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, der Gedanke der Monarchie schon
nicht mehr unfaßbar erschien. In der That aber ist doch zuerst im Hause
der Scipionen und zwar in Spanien jene autokratische Gewalt der römischen
Großen emporgekommen, welche, von Geschlecht zu Geschlecht zunehmend, end¬
lich hinauswuchs über die republikanische Form. Und eben in diesem Spanien
bildet sich das römische Heer um: aber hier verliert es zuerst seinen bürger¬
lichen Charakter und beginnt, sich dem Söldnerthume zuzuneigen.

So läßt sich denn nicht verkennen, daß der hmmibalische Krieg, trotz seines
siegreichen Ausgangs, auf Volksthum und Heerwesen der Römer zersetzend ge¬
wirkt hat. Auf der einen Seite nahm das Proletariat zu und häufte sich der
Reichthum in einer kleinen Anzahl von Händen an; auf der andern Seite war
die alte Form der allgemeinen Wehrpflicht in ihrer Wesenheit angegriffen, das
bürgerliche Element durch ein soldateskes überwuchert, zugleich die alte Kriegs-
zucht bedenklich erschüttert und die Feldherrnmacht in einer die Republik be¬
drohenden Weise gesteigert worden.

Die nächste Folgezeit entwickelte alle diese Keime weiter.

Der materielle Gewinn des zweiten punischen Krieges bestand für Rom
in der Erwerbung Spanien's und des transalpinischen Gallien's, der politische
in der bleibenden Inferiorität Karthago's, welcher bald die Zerstörung dieser
Stadt folgte, und der Erhebung Rom's zur ersten Großmacht im Bereiche des
Mittelmeers. Der ganze Westen der thalassischen Welt erkannte die Oberherr¬
lichkeit Rom's an. Der Osten dagegen war noch getheilt unter die Diadochen-
reiche Makedonien mit Griechenland, Syrien, das über ganz Vorderasien herrschte,
und Aegypten. Die Unterwerfung dieser, durchweg unter dem Einfluß helleni¬
stischer Bildung stehenden Reiche war die Aufgabe, welche Rom im zweiten
Jahrhundert v. Chr. löste oder wenigstens vorbereitete.

Es wäre ein Irrthum, wenn man angesichts des siegreichen Ausgangs des
zweiten punischen Krieges den Schluß ziehen wollte, daß die römische Legion
für sich allein allen Aufgaben gewachsen gewesen wäre, welche die damalige
Taktik stellte. Wiederholt waren Verhältnisse eingetreten, denen sie nicht zu
genügen vermochte. Zumal da, wo ihre Reiterei unterlegen war (am Ticinus,
bei Cannä, bei Capua 212), konnte die Legion nicht immer die hieraus er-
wachsenen Nachtheile wieder gut machen, und in den schließlichen Entscheidungs¬
kämpfen besiegte Rom die Reitermassen der Feinde wesentlich durch Hilfe seiner
numidischen Bundesgenossen.

Dennoch ging mau uach dem punischen Kriege nicht mit einer Umgestal¬
tung der Heereseinrichtnngen vor; vielmehr trat man mit ebendenselben in neue


Dieses Lob läßt erkennen, daß also doch zu des Polybios' Zeit, d. h. in der
ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, der Gedanke der Monarchie schon
nicht mehr unfaßbar erschien. In der That aber ist doch zuerst im Hause
der Scipionen und zwar in Spanien jene autokratische Gewalt der römischen
Großen emporgekommen, welche, von Geschlecht zu Geschlecht zunehmend, end¬
lich hinauswuchs über die republikanische Form. Und eben in diesem Spanien
bildet sich das römische Heer um: aber hier verliert es zuerst seinen bürger¬
lichen Charakter und beginnt, sich dem Söldnerthume zuzuneigen.

So läßt sich denn nicht verkennen, daß der hmmibalische Krieg, trotz seines
siegreichen Ausgangs, auf Volksthum und Heerwesen der Römer zersetzend ge¬
wirkt hat. Auf der einen Seite nahm das Proletariat zu und häufte sich der
Reichthum in einer kleinen Anzahl von Händen an; auf der andern Seite war
die alte Form der allgemeinen Wehrpflicht in ihrer Wesenheit angegriffen, das
bürgerliche Element durch ein soldateskes überwuchert, zugleich die alte Kriegs-
zucht bedenklich erschüttert und die Feldherrnmacht in einer die Republik be¬
drohenden Weise gesteigert worden.

Die nächste Folgezeit entwickelte alle diese Keime weiter.

Der materielle Gewinn des zweiten punischen Krieges bestand für Rom
in der Erwerbung Spanien's und des transalpinischen Gallien's, der politische
in der bleibenden Inferiorität Karthago's, welcher bald die Zerstörung dieser
Stadt folgte, und der Erhebung Rom's zur ersten Großmacht im Bereiche des
Mittelmeers. Der ganze Westen der thalassischen Welt erkannte die Oberherr¬
lichkeit Rom's an. Der Osten dagegen war noch getheilt unter die Diadochen-
reiche Makedonien mit Griechenland, Syrien, das über ganz Vorderasien herrschte,
und Aegypten. Die Unterwerfung dieser, durchweg unter dem Einfluß helleni¬
stischer Bildung stehenden Reiche war die Aufgabe, welche Rom im zweiten
Jahrhundert v. Chr. löste oder wenigstens vorbereitete.

Es wäre ein Irrthum, wenn man angesichts des siegreichen Ausgangs des
zweiten punischen Krieges den Schluß ziehen wollte, daß die römische Legion
für sich allein allen Aufgaben gewachsen gewesen wäre, welche die damalige
Taktik stellte. Wiederholt waren Verhältnisse eingetreten, denen sie nicht zu
genügen vermochte. Zumal da, wo ihre Reiterei unterlegen war (am Ticinus,
bei Cannä, bei Capua 212), konnte die Legion nicht immer die hieraus er-
wachsenen Nachtheile wieder gut machen, und in den schließlichen Entscheidungs¬
kämpfen besiegte Rom die Reitermassen der Feinde wesentlich durch Hilfe seiner
numidischen Bundesgenossen.

Dennoch ging mau uach dem punischen Kriege nicht mit einer Umgestal¬
tung der Heereseinrichtnngen vor; vielmehr trat man mit ebendenselben in neue


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[0334] Dieses Lob läßt erkennen, daß also doch zu des Polybios' Zeit, d. h. in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, der Gedanke der Monarchie schon nicht mehr unfaßbar erschien. In der That aber ist doch zuerst im Hause der Scipionen und zwar in Spanien jene autokratische Gewalt der römischen Großen emporgekommen, welche, von Geschlecht zu Geschlecht zunehmend, end¬ lich hinauswuchs über die republikanische Form. Und eben in diesem Spanien bildet sich das römische Heer um: aber hier verliert es zuerst seinen bürger¬ lichen Charakter und beginnt, sich dem Söldnerthume zuzuneigen. So läßt sich denn nicht verkennen, daß der hmmibalische Krieg, trotz seines siegreichen Ausgangs, auf Volksthum und Heerwesen der Römer zersetzend ge¬ wirkt hat. Auf der einen Seite nahm das Proletariat zu und häufte sich der Reichthum in einer kleinen Anzahl von Händen an; auf der andern Seite war die alte Form der allgemeinen Wehrpflicht in ihrer Wesenheit angegriffen, das bürgerliche Element durch ein soldateskes überwuchert, zugleich die alte Kriegs- zucht bedenklich erschüttert und die Feldherrnmacht in einer die Republik be¬ drohenden Weise gesteigert worden. Die nächste Folgezeit entwickelte alle diese Keime weiter. Der materielle Gewinn des zweiten punischen Krieges bestand für Rom in der Erwerbung Spanien's und des transalpinischen Gallien's, der politische in der bleibenden Inferiorität Karthago's, welcher bald die Zerstörung dieser Stadt folgte, und der Erhebung Rom's zur ersten Großmacht im Bereiche des Mittelmeers. Der ganze Westen der thalassischen Welt erkannte die Oberherr¬ lichkeit Rom's an. Der Osten dagegen war noch getheilt unter die Diadochen- reiche Makedonien mit Griechenland, Syrien, das über ganz Vorderasien herrschte, und Aegypten. Die Unterwerfung dieser, durchweg unter dem Einfluß helleni¬ stischer Bildung stehenden Reiche war die Aufgabe, welche Rom im zweiten Jahrhundert v. Chr. löste oder wenigstens vorbereitete. Es wäre ein Irrthum, wenn man angesichts des siegreichen Ausgangs des zweiten punischen Krieges den Schluß ziehen wollte, daß die römische Legion für sich allein allen Aufgaben gewachsen gewesen wäre, welche die damalige Taktik stellte. Wiederholt waren Verhältnisse eingetreten, denen sie nicht zu genügen vermochte. Zumal da, wo ihre Reiterei unterlegen war (am Ticinus, bei Cannä, bei Capua 212), konnte die Legion nicht immer die hieraus er- wachsenen Nachtheile wieder gut machen, und in den schließlichen Entscheidungs¬ kämpfen besiegte Rom die Reitermassen der Feinde wesentlich durch Hilfe seiner numidischen Bundesgenossen. Dennoch ging mau uach dem punischen Kriege nicht mit einer Umgestal¬ tung der Heereseinrichtnngen vor; vielmehr trat man mit ebendenselben in neue

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/334>, abgerufen am 22.07.2024.