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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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dazu bei, die Verwilderung zu steigern, in welche die Bevölkerung Italien's
während des hannibalischen Krieges versank.

Endlich aber ist der Söldner zu gedenken, die im zweiten punischen Kriege
doch schon in namhafter Zahl auf römischer Seite erscheinen, leichte Truppen,
welche als Äiixilia ganz genau von den sovil, den italischen Bundesgenossen,
unterschieden werden.*) Es waren verbündete Gallier, Spanier, Numidier,
Kreter**), kurz, geworbene Fremde, die gar kein Interesse am Kriege hatten
als eben lediglich Beute und Sold.

Keineswegs war es übrigens nur der gemeine Mann, der an Raub und
Plünderung Gefallen fand. Gerade die höheren Offiziere gingen mit leuchten¬
dem Beispiel voran. Bei der Plünderung von Lokri entstand ein Aufstand
dadurch, daß zwei Militärtribunen mit dem Oberbefehlshaber um die Beute
zankten. Als außerordentliche Großmuth und Selbstverleugnung wird es ge¬
priesen, daß Scipio nach der Einnahme Karthagena's das schönste junge Mädchen,
das seine Freunde für ihn ausgesucht, zurückgewiesen habe. Weiber galten eben
als regelrechte Beutestücke wie in den Tagen des Homer. Die Sucht, sich durch
gewaltthätigen Raub zu bereichern, ist seit Urzeiten ein Charakterzug der römi¬
schen Aristokratie gewesen, und es ist nicht zu leugnen, daß sie der Beharrlich¬
keit, mit der sie ihm folgte, kolossale Reichthümer verdankte, die mit jeder
neuen Eroberung wuchsen.

Während aber die Befehlshaber mit offener Gewalt nahmen, was ihnen
beliebte, folgten die Armeen, Lieferanten und Kaufleute dem Heere wie der
Schackal dem Löwen. Die Beute, welche der Soldat gemacht, konnte er fast
niemals direkt verwerthen; jene Händler erstanden sie zu Schleuderpreisen und
wußten dann den rechten Markt zu finden, wo sie mit unglaublichem Vortheile
verkaufen konnten. In der Regel waren solche Leute durchtriebene Gauner,
und die genaue Bekanntschaft mit ihnen trug viel dazu bei, den Stand der
Kaufleute unter den Römern als einen Betrugerstand zu kennzeichnen.

Aber auch da, wo von all' dem Schlechten nicht die Rede ist, da, wo viel¬
mehr die edelsten und höchsten Erscheinungen dieser ganzen Zeit in Frage kommen,
zeigen sich die Spuren einer inneren Umwandlung des Römerthums. Mit vollem
Rechte pries Rom den glorreichen Besieger Hannibal's. Der junge Held wurde
begeistert gefeiert. Polybios rühmt Scipio's Bescheidenheit und bürgerliche
Gesinnung und rechnet es ihm zu hohem Lobe an, daß er weder jetzt, noch
auch später nach der Besiegung Karthago's und Syrien's, da er ans dem Gipfel
des Ruhmes stand, die Hand nach der Königsherrschaft ausgestreckt habe.




") v"i-ro (I.! I, 7., g, 90; ?söll eM. x, 17. U; I,lo, 40, 31.
Lions erwähnt beiläufig (24, 30, 13) daß schon in der Schlacht am Trasiinenus
"00 kretische Bogenschützen suchten.

dazu bei, die Verwilderung zu steigern, in welche die Bevölkerung Italien's
während des hannibalischen Krieges versank.

Endlich aber ist der Söldner zu gedenken, die im zweiten punischen Kriege
doch schon in namhafter Zahl auf römischer Seite erscheinen, leichte Truppen,
welche als Äiixilia ganz genau von den sovil, den italischen Bundesgenossen,
unterschieden werden.*) Es waren verbündete Gallier, Spanier, Numidier,
Kreter**), kurz, geworbene Fremde, die gar kein Interesse am Kriege hatten
als eben lediglich Beute und Sold.

Keineswegs war es übrigens nur der gemeine Mann, der an Raub und
Plünderung Gefallen fand. Gerade die höheren Offiziere gingen mit leuchten¬
dem Beispiel voran. Bei der Plünderung von Lokri entstand ein Aufstand
dadurch, daß zwei Militärtribunen mit dem Oberbefehlshaber um die Beute
zankten. Als außerordentliche Großmuth und Selbstverleugnung wird es ge¬
priesen, daß Scipio nach der Einnahme Karthagena's das schönste junge Mädchen,
das seine Freunde für ihn ausgesucht, zurückgewiesen habe. Weiber galten eben
als regelrechte Beutestücke wie in den Tagen des Homer. Die Sucht, sich durch
gewaltthätigen Raub zu bereichern, ist seit Urzeiten ein Charakterzug der römi¬
schen Aristokratie gewesen, und es ist nicht zu leugnen, daß sie der Beharrlich¬
keit, mit der sie ihm folgte, kolossale Reichthümer verdankte, die mit jeder
neuen Eroberung wuchsen.

Während aber die Befehlshaber mit offener Gewalt nahmen, was ihnen
beliebte, folgten die Armeen, Lieferanten und Kaufleute dem Heere wie der
Schackal dem Löwen. Die Beute, welche der Soldat gemacht, konnte er fast
niemals direkt verwerthen; jene Händler erstanden sie zu Schleuderpreisen und
wußten dann den rechten Markt zu finden, wo sie mit unglaublichem Vortheile
verkaufen konnten. In der Regel waren solche Leute durchtriebene Gauner,
und die genaue Bekanntschaft mit ihnen trug viel dazu bei, den Stand der
Kaufleute unter den Römern als einen Betrugerstand zu kennzeichnen.

Aber auch da, wo von all' dem Schlechten nicht die Rede ist, da, wo viel¬
mehr die edelsten und höchsten Erscheinungen dieser ganzen Zeit in Frage kommen,
zeigen sich die Spuren einer inneren Umwandlung des Römerthums. Mit vollem
Rechte pries Rom den glorreichen Besieger Hannibal's. Der junge Held wurde
begeistert gefeiert. Polybios rühmt Scipio's Bescheidenheit und bürgerliche
Gesinnung und rechnet es ihm zu hohem Lobe an, daß er weder jetzt, noch
auch später nach der Besiegung Karthago's und Syrien's, da er ans dem Gipfel
des Ruhmes stand, die Hand nach der Königsherrschaft ausgestreckt habe.




») v»i-ro (I.! I, 7., g, 90; ?söll eM. x, 17. U; I,lo, 40, 31.
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«00 kretische Bogenschützen suchten.
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[0333] dazu bei, die Verwilderung zu steigern, in welche die Bevölkerung Italien's während des hannibalischen Krieges versank. Endlich aber ist der Söldner zu gedenken, die im zweiten punischen Kriege doch schon in namhafter Zahl auf römischer Seite erscheinen, leichte Truppen, welche als Äiixilia ganz genau von den sovil, den italischen Bundesgenossen, unterschieden werden.*) Es waren verbündete Gallier, Spanier, Numidier, Kreter**), kurz, geworbene Fremde, die gar kein Interesse am Kriege hatten als eben lediglich Beute und Sold. Keineswegs war es übrigens nur der gemeine Mann, der an Raub und Plünderung Gefallen fand. Gerade die höheren Offiziere gingen mit leuchten¬ dem Beispiel voran. Bei der Plünderung von Lokri entstand ein Aufstand dadurch, daß zwei Militärtribunen mit dem Oberbefehlshaber um die Beute zankten. Als außerordentliche Großmuth und Selbstverleugnung wird es ge¬ priesen, daß Scipio nach der Einnahme Karthagena's das schönste junge Mädchen, das seine Freunde für ihn ausgesucht, zurückgewiesen habe. Weiber galten eben als regelrechte Beutestücke wie in den Tagen des Homer. Die Sucht, sich durch gewaltthätigen Raub zu bereichern, ist seit Urzeiten ein Charakterzug der römi¬ schen Aristokratie gewesen, und es ist nicht zu leugnen, daß sie der Beharrlich¬ keit, mit der sie ihm folgte, kolossale Reichthümer verdankte, die mit jeder neuen Eroberung wuchsen. Während aber die Befehlshaber mit offener Gewalt nahmen, was ihnen beliebte, folgten die Armeen, Lieferanten und Kaufleute dem Heere wie der Schackal dem Löwen. Die Beute, welche der Soldat gemacht, konnte er fast niemals direkt verwerthen; jene Händler erstanden sie zu Schleuderpreisen und wußten dann den rechten Markt zu finden, wo sie mit unglaublichem Vortheile verkaufen konnten. In der Regel waren solche Leute durchtriebene Gauner, und die genaue Bekanntschaft mit ihnen trug viel dazu bei, den Stand der Kaufleute unter den Römern als einen Betrugerstand zu kennzeichnen. Aber auch da, wo von all' dem Schlechten nicht die Rede ist, da, wo viel¬ mehr die edelsten und höchsten Erscheinungen dieser ganzen Zeit in Frage kommen, zeigen sich die Spuren einer inneren Umwandlung des Römerthums. Mit vollem Rechte pries Rom den glorreichen Besieger Hannibal's. Der junge Held wurde begeistert gefeiert. Polybios rühmt Scipio's Bescheidenheit und bürgerliche Gesinnung und rechnet es ihm zu hohem Lobe an, daß er weder jetzt, noch auch später nach der Besiegung Karthago's und Syrien's, da er ans dem Gipfel des Ruhmes stand, die Hand nach der Königsherrschaft ausgestreckt habe. ») v»i-ro (I.! I, 7., g, 90; ?söll eM. x, 17. U; I,lo, 40, 31. Lions erwähnt beiläufig (24, 30, 13) daß schon in der Schlacht am Trasiinenus «00 kretische Bogenschützen suchten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/333>, abgerufen am 22.07.2024.