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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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große Kämpfe ein. Karthago's Heere waren aus den verschiedensten Waffen¬
gattungen bunt gemischt gewesen, wie die Nationalität der auf seiner Seite
fechtenden Völkerschaften sie herausgebildet hatte. In der Folge galt es, Heeren
gegenüber zu treten, deren Kriegswesen sich völlig einseitig und zwar in ganz
entgegengesetzten Richtungen ausgebildet hatte: den Makedonien: mit ihrer aus¬
schließlich für den Ncihekampf bestimmten Phalanx und den Parthern mit ihren
lediglich für das Ferngefecht bestimmten Reitergeschwadern. Die Zeit der Parther¬
kriege fand allerdings das Wesen der Legion gegen die Zeit der punischen
Kriege schon bedeutend (wenn auch nicht in ihrem tiefsten Wesen) alterirt; die
Kämpfe mit den Griechen aber führte Rom noch mit derselben Mcmipular-
legion, welche die Niederlagen gegen Hannibal erlitten und die Siege Scipio's
erfochten hatte. Ja eben jetzt sollte diese Manipnlarlegion ihre höchste" Triumphe
erfechten! In nicht geringem Grade erscheinen die Erfolge der Römer über
die Alexandriner als Siege der Praxis über die Theorie, als Siege des lebendigen
Gewordenen über die ererbte todte Form. Die Schlacht bei Phdna ist das Jena
der Alexandriner. In nur einstündigem Kampfe entschied sich hier der Sieg
für Rom, weniger durch das Talent des Konsuls Aemilius Paulus als durch
die unleugbare taktische Ueberlegenheit der Manipnlarlegion über die Phalanx.
Zwischen diesen beiden großen taktischen Ordnungen haben die makedonischer
Kriege endgiltig entschieden. Schon Pvlybios hat dies erkannt und den Werth
beider Ordnungen im 17. Buche seines Geschichtswerkes in einem berühmten
Vergleiche näher beleuchtet. Er sagt:


"So lauge die Phalanx ihre Eigenthümlichkeit und ihre natürliche Stärke be¬
hält, so ist nichts im Stande, sie von vorn zu brechen und ihrem Ansturme zu
widerstehen . . . Welches ist um die Ursache der römischen Siege? und worin
liegt der Grund, daß diejenigen, welche sich der Phalanx bedienten, geschlagen
wurden? Im Kriege sind Ort und Zeit der Gefechte selten durch unsere Will
tur zu bestimmen; die Phalanx aber ist nur ans eine Zeit, auf einen Ort,
auf eine Manier zu schlagen, eingeschränkt, wenn sie wirksam werde" soll. Hat
sie auf einem ihr angemessenen Terrain zu kämpfen und unter Zeitumständen, die
ihr günstig sind, so wird sie unzweifelhaft dnrch ihr natürliches Gewicht siegen.
Vermag mau aber, ihr diesen günstigen Boden zu entziehen, warum sollte sie länger
fürchterlich sein? Es ist ausgemacht, daß die Phalanx ein ebenes und freies
Gelände fordert, das nicht von Gräben und Bächen durchschnitten ist und das
überhaupt keine Anhöhen, Abhänge und Klüfte hat; denn durch dergleichen wird
die Phalanx gehindert und gebrochen. Auch dies wird jeder eingestehen, daß es
beinahe unmöglich und wenigstens sehr selten ist, Plätze von auch nur 2U Stadien
(d. h. etwa 5 Kilometern) zu finden, auf deuen nichts dergleichen anzutreffen ist.
Doch wir wollen annehmen, daß sich solche Plätze finden. Wie, wenn nun der
Feind, anstatt anzugreifen, umherstreift und die Städte und Felder der Bundes-

große Kämpfe ein. Karthago's Heere waren aus den verschiedensten Waffen¬
gattungen bunt gemischt gewesen, wie die Nationalität der auf seiner Seite
fechtenden Völkerschaften sie herausgebildet hatte. In der Folge galt es, Heeren
gegenüber zu treten, deren Kriegswesen sich völlig einseitig und zwar in ganz
entgegengesetzten Richtungen ausgebildet hatte: den Makedonien: mit ihrer aus¬
schließlich für den Ncihekampf bestimmten Phalanx und den Parthern mit ihren
lediglich für das Ferngefecht bestimmten Reitergeschwadern. Die Zeit der Parther¬
kriege fand allerdings das Wesen der Legion gegen die Zeit der punischen
Kriege schon bedeutend (wenn auch nicht in ihrem tiefsten Wesen) alterirt; die
Kämpfe mit den Griechen aber führte Rom noch mit derselben Mcmipular-
legion, welche die Niederlagen gegen Hannibal erlitten und die Siege Scipio's
erfochten hatte. Ja eben jetzt sollte diese Manipnlarlegion ihre höchste» Triumphe
erfechten! In nicht geringem Grade erscheinen die Erfolge der Römer über
die Alexandriner als Siege der Praxis über die Theorie, als Siege des lebendigen
Gewordenen über die ererbte todte Form. Die Schlacht bei Phdna ist das Jena
der Alexandriner. In nur einstündigem Kampfe entschied sich hier der Sieg
für Rom, weniger durch das Talent des Konsuls Aemilius Paulus als durch
die unleugbare taktische Ueberlegenheit der Manipnlarlegion über die Phalanx.
Zwischen diesen beiden großen taktischen Ordnungen haben die makedonischer
Kriege endgiltig entschieden. Schon Pvlybios hat dies erkannt und den Werth
beider Ordnungen im 17. Buche seines Geschichtswerkes in einem berühmten
Vergleiche näher beleuchtet. Er sagt:


„So lauge die Phalanx ihre Eigenthümlichkeit und ihre natürliche Stärke be¬
hält, so ist nichts im Stande, sie von vorn zu brechen und ihrem Ansturme zu
widerstehen . . . Welches ist um die Ursache der römischen Siege? und worin
liegt der Grund, daß diejenigen, welche sich der Phalanx bedienten, geschlagen
wurden? Im Kriege sind Ort und Zeit der Gefechte selten durch unsere Will
tur zu bestimmen; die Phalanx aber ist nur ans eine Zeit, auf einen Ort,
auf eine Manier zu schlagen, eingeschränkt, wenn sie wirksam werde» soll. Hat
sie auf einem ihr angemessenen Terrain zu kämpfen und unter Zeitumständen, die
ihr günstig sind, so wird sie unzweifelhaft dnrch ihr natürliches Gewicht siegen.
Vermag mau aber, ihr diesen günstigen Boden zu entziehen, warum sollte sie länger
fürchterlich sein? Es ist ausgemacht, daß die Phalanx ein ebenes und freies
Gelände fordert, das nicht von Gräben und Bächen durchschnitten ist und das
überhaupt keine Anhöhen, Abhänge und Klüfte hat; denn durch dergleichen wird
die Phalanx gehindert und gebrochen. Auch dies wird jeder eingestehen, daß es
beinahe unmöglich und wenigstens sehr selten ist, Plätze von auch nur 2U Stadien
(d. h. etwa 5 Kilometern) zu finden, auf deuen nichts dergleichen anzutreffen ist.
Doch wir wollen annehmen, daß sich solche Plätze finden. Wie, wenn nun der
Feind, anstatt anzugreifen, umherstreift und die Städte und Felder der Bundes-

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[0335] große Kämpfe ein. Karthago's Heere waren aus den verschiedensten Waffen¬ gattungen bunt gemischt gewesen, wie die Nationalität der auf seiner Seite fechtenden Völkerschaften sie herausgebildet hatte. In der Folge galt es, Heeren gegenüber zu treten, deren Kriegswesen sich völlig einseitig und zwar in ganz entgegengesetzten Richtungen ausgebildet hatte: den Makedonien: mit ihrer aus¬ schließlich für den Ncihekampf bestimmten Phalanx und den Parthern mit ihren lediglich für das Ferngefecht bestimmten Reitergeschwadern. Die Zeit der Parther¬ kriege fand allerdings das Wesen der Legion gegen die Zeit der punischen Kriege schon bedeutend (wenn auch nicht in ihrem tiefsten Wesen) alterirt; die Kämpfe mit den Griechen aber führte Rom noch mit derselben Mcmipular- legion, welche die Niederlagen gegen Hannibal erlitten und die Siege Scipio's erfochten hatte. Ja eben jetzt sollte diese Manipnlarlegion ihre höchste» Triumphe erfechten! In nicht geringem Grade erscheinen die Erfolge der Römer über die Alexandriner als Siege der Praxis über die Theorie, als Siege des lebendigen Gewordenen über die ererbte todte Form. Die Schlacht bei Phdna ist das Jena der Alexandriner. In nur einstündigem Kampfe entschied sich hier der Sieg für Rom, weniger durch das Talent des Konsuls Aemilius Paulus als durch die unleugbare taktische Ueberlegenheit der Manipnlarlegion über die Phalanx. Zwischen diesen beiden großen taktischen Ordnungen haben die makedonischer Kriege endgiltig entschieden. Schon Pvlybios hat dies erkannt und den Werth beider Ordnungen im 17. Buche seines Geschichtswerkes in einem berühmten Vergleiche näher beleuchtet. Er sagt: „So lauge die Phalanx ihre Eigenthümlichkeit und ihre natürliche Stärke be¬ hält, so ist nichts im Stande, sie von vorn zu brechen und ihrem Ansturme zu widerstehen . . . Welches ist um die Ursache der römischen Siege? und worin liegt der Grund, daß diejenigen, welche sich der Phalanx bedienten, geschlagen wurden? Im Kriege sind Ort und Zeit der Gefechte selten durch unsere Will tur zu bestimmen; die Phalanx aber ist nur ans eine Zeit, auf einen Ort, auf eine Manier zu schlagen, eingeschränkt, wenn sie wirksam werde» soll. Hat sie auf einem ihr angemessenen Terrain zu kämpfen und unter Zeitumständen, die ihr günstig sind, so wird sie unzweifelhaft dnrch ihr natürliches Gewicht siegen. Vermag mau aber, ihr diesen günstigen Boden zu entziehen, warum sollte sie länger fürchterlich sein? Es ist ausgemacht, daß die Phalanx ein ebenes und freies Gelände fordert, das nicht von Gräben und Bächen durchschnitten ist und das überhaupt keine Anhöhen, Abhänge und Klüfte hat; denn durch dergleichen wird die Phalanx gehindert und gebrochen. Auch dies wird jeder eingestehen, daß es beinahe unmöglich und wenigstens sehr selten ist, Plätze von auch nur 2U Stadien (d. h. etwa 5 Kilometern) zu finden, auf deuen nichts dergleichen anzutreffen ist. Doch wir wollen annehmen, daß sich solche Plätze finden. Wie, wenn nun der Feind, anstatt anzugreifen, umherstreift und die Städte und Felder der Bundes-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/335>, abgerufen am 22.07.2024.