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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Institut der, allgemeinen Wehrpflicht eingeführt, dessen Bösartigkeit sich ver¬
schärfte, sobald es nicht nur Fremde, sondern ehemalige, nur abtrünnig gewor¬
dene Bundesgenossen zu bekämpfen galt. Bei der Behandlung und Bestrafung
dieser brach denn die Raublust und Bestialität in erschreckender Weise los.
Hier, bei der Eroberung von Capua, Lokri, Leontini und Syrakus entwickelte
sich zuerst jene Lust an planvoller Verwüstung, an methodischem Ausplündern,
welche später in den Bürgerkriegen so fürchterliche Früchte trug und die Ver¬
ödung weiter Gegenden Italien's zur Folge hatte.

Dabei soll keineswegs geleugnet werden, daß sich in dieser italischen Sol¬
dateska eben jetzt noch eine Fülle vortrefflicher Elemente befanden, welche aus
der Noth eine Tugend machten und die lange Dienstzeit, der sie nun einmal
nicht entgehen konnten, benutzten, um sich für die endliche Rückkehr zu ihrem
kleinen Heimwesen ökonomisch auszustatten. Ist doch noch immer der Bauer
von Latium oder Scunnium des römischen Heeres bester Kern. Sparsam und
erwerbstüchtig weiß er sich durch Tüchtigkeit im Dienste hervorzuthun und in
den Subalternstellen zu fördern. Livius hat uns, gelegentlich seiner Schilde-
derung der Aushebung im Jahre 171, die Umrisse der Laufbahn eines solchen
strebsamen römischen Bauern erhalten. Da tritt ein Legionär auf und stellt
sich den Heerespflichtigen als der Centurio Ligustinus aus dem Sabinerlande
vor. Er besitzt ein Jugerum, also etwa einen Morgen Landes und vom Vater
ein kleines Haus. Zwei Jahre hat er in Griechenland als Gemeiner, dann
im dritten als Centurio im 10. Manipel der Hastaten, darauf in Spanien in
derselben Charge beim 1. Manipel der Hastaten, dann wieder in Griechenland
und Asien als erster Centurio der Principes gedient. Seine folgenden Feldzüge
-- es waren im Ganzen 22 -- brachten ihn bis in die höchste Centurienstelle
der Legion, nämlich in die als erster Centurio des ersten Manipels der
Triarier. Seine Auszeichnungen sind 34 Ehrengaben der Feldherren und 6
Bürgerkronen. Er ist jetzt 50 Jahre alt und hat zu Hause 6 Söhne und 2 ver-
heirathete Töchter. Durch die Erzählung dieser glücklichen und ehrenvollen
Laufbahn will er offenbar Eindruck machen auf das versammelte Kriegsvolk,
und daß er ihn wirklich macht, beweist, daß die Zuhörer mehr oder weniger
Männer desselben Schlages sein mußten, keine Soldknechte, sondern kleine Be¬
sitzer, die, kriegspflichtig wie sie nun einmal waren, in ihrer Dienstzeit gern
auch eine ehrenvolle und vortheilhafte Laufbahn anstreben mochten.

Aber neben diesem tüchtigen Kerne erscheinen doch schon höchst bedenkliche
Elemente. Man darf nicht vergessen, daß Rom während des hannibalischen
Krieges Freikorps aufstellte, unter andern jene der berüchtigten Zollpächter und
Betrüger Pomponius und Postumins. Diese Banden waren geradezu Freibeuter;
sie hausten abscheulich, und die elenden Sklavenlegionen trugen auch uicht wenig


Institut der, allgemeinen Wehrpflicht eingeführt, dessen Bösartigkeit sich ver¬
schärfte, sobald es nicht nur Fremde, sondern ehemalige, nur abtrünnig gewor¬
dene Bundesgenossen zu bekämpfen galt. Bei der Behandlung und Bestrafung
dieser brach denn die Raublust und Bestialität in erschreckender Weise los.
Hier, bei der Eroberung von Capua, Lokri, Leontini und Syrakus entwickelte
sich zuerst jene Lust an planvoller Verwüstung, an methodischem Ausplündern,
welche später in den Bürgerkriegen so fürchterliche Früchte trug und die Ver¬
ödung weiter Gegenden Italien's zur Folge hatte.

Dabei soll keineswegs geleugnet werden, daß sich in dieser italischen Sol¬
dateska eben jetzt noch eine Fülle vortrefflicher Elemente befanden, welche aus
der Noth eine Tugend machten und die lange Dienstzeit, der sie nun einmal
nicht entgehen konnten, benutzten, um sich für die endliche Rückkehr zu ihrem
kleinen Heimwesen ökonomisch auszustatten. Ist doch noch immer der Bauer
von Latium oder Scunnium des römischen Heeres bester Kern. Sparsam und
erwerbstüchtig weiß er sich durch Tüchtigkeit im Dienste hervorzuthun und in
den Subalternstellen zu fördern. Livius hat uns, gelegentlich seiner Schilde-
derung der Aushebung im Jahre 171, die Umrisse der Laufbahn eines solchen
strebsamen römischen Bauern erhalten. Da tritt ein Legionär auf und stellt
sich den Heerespflichtigen als der Centurio Ligustinus aus dem Sabinerlande
vor. Er besitzt ein Jugerum, also etwa einen Morgen Landes und vom Vater
ein kleines Haus. Zwei Jahre hat er in Griechenland als Gemeiner, dann
im dritten als Centurio im 10. Manipel der Hastaten, darauf in Spanien in
derselben Charge beim 1. Manipel der Hastaten, dann wieder in Griechenland
und Asien als erster Centurio der Principes gedient. Seine folgenden Feldzüge
— es waren im Ganzen 22 — brachten ihn bis in die höchste Centurienstelle
der Legion, nämlich in die als erster Centurio des ersten Manipels der
Triarier. Seine Auszeichnungen sind 34 Ehrengaben der Feldherren und 6
Bürgerkronen. Er ist jetzt 50 Jahre alt und hat zu Hause 6 Söhne und 2 ver-
heirathete Töchter. Durch die Erzählung dieser glücklichen und ehrenvollen
Laufbahn will er offenbar Eindruck machen auf das versammelte Kriegsvolk,
und daß er ihn wirklich macht, beweist, daß die Zuhörer mehr oder weniger
Männer desselben Schlages sein mußten, keine Soldknechte, sondern kleine Be¬
sitzer, die, kriegspflichtig wie sie nun einmal waren, in ihrer Dienstzeit gern
auch eine ehrenvolle und vortheilhafte Laufbahn anstreben mochten.

Aber neben diesem tüchtigen Kerne erscheinen doch schon höchst bedenkliche
Elemente. Man darf nicht vergessen, daß Rom während des hannibalischen
Krieges Freikorps aufstellte, unter andern jene der berüchtigten Zollpächter und
Betrüger Pomponius und Postumins. Diese Banden waren geradezu Freibeuter;
sie hausten abscheulich, und die elenden Sklavenlegionen trugen auch uicht wenig


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[0332] Institut der, allgemeinen Wehrpflicht eingeführt, dessen Bösartigkeit sich ver¬ schärfte, sobald es nicht nur Fremde, sondern ehemalige, nur abtrünnig gewor¬ dene Bundesgenossen zu bekämpfen galt. Bei der Behandlung und Bestrafung dieser brach denn die Raublust und Bestialität in erschreckender Weise los. Hier, bei der Eroberung von Capua, Lokri, Leontini und Syrakus entwickelte sich zuerst jene Lust an planvoller Verwüstung, an methodischem Ausplündern, welche später in den Bürgerkriegen so fürchterliche Früchte trug und die Ver¬ ödung weiter Gegenden Italien's zur Folge hatte. Dabei soll keineswegs geleugnet werden, daß sich in dieser italischen Sol¬ dateska eben jetzt noch eine Fülle vortrefflicher Elemente befanden, welche aus der Noth eine Tugend machten und die lange Dienstzeit, der sie nun einmal nicht entgehen konnten, benutzten, um sich für die endliche Rückkehr zu ihrem kleinen Heimwesen ökonomisch auszustatten. Ist doch noch immer der Bauer von Latium oder Scunnium des römischen Heeres bester Kern. Sparsam und erwerbstüchtig weiß er sich durch Tüchtigkeit im Dienste hervorzuthun und in den Subalternstellen zu fördern. Livius hat uns, gelegentlich seiner Schilde- derung der Aushebung im Jahre 171, die Umrisse der Laufbahn eines solchen strebsamen römischen Bauern erhalten. Da tritt ein Legionär auf und stellt sich den Heerespflichtigen als der Centurio Ligustinus aus dem Sabinerlande vor. Er besitzt ein Jugerum, also etwa einen Morgen Landes und vom Vater ein kleines Haus. Zwei Jahre hat er in Griechenland als Gemeiner, dann im dritten als Centurio im 10. Manipel der Hastaten, darauf in Spanien in derselben Charge beim 1. Manipel der Hastaten, dann wieder in Griechenland und Asien als erster Centurio der Principes gedient. Seine folgenden Feldzüge — es waren im Ganzen 22 — brachten ihn bis in die höchste Centurienstelle der Legion, nämlich in die als erster Centurio des ersten Manipels der Triarier. Seine Auszeichnungen sind 34 Ehrengaben der Feldherren und 6 Bürgerkronen. Er ist jetzt 50 Jahre alt und hat zu Hause 6 Söhne und 2 ver- heirathete Töchter. Durch die Erzählung dieser glücklichen und ehrenvollen Laufbahn will er offenbar Eindruck machen auf das versammelte Kriegsvolk, und daß er ihn wirklich macht, beweist, daß die Zuhörer mehr oder weniger Männer desselben Schlages sein mußten, keine Soldknechte, sondern kleine Be¬ sitzer, die, kriegspflichtig wie sie nun einmal waren, in ihrer Dienstzeit gern auch eine ehrenvolle und vortheilhafte Laufbahn anstreben mochten. Aber neben diesem tüchtigen Kerne erscheinen doch schon höchst bedenkliche Elemente. Man darf nicht vergessen, daß Rom während des hannibalischen Krieges Freikorps aufstellte, unter andern jene der berüchtigten Zollpächter und Betrüger Pomponius und Postumins. Diese Banden waren geradezu Freibeuter; sie hausten abscheulich, und die elenden Sklavenlegionen trugen auch uicht wenig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/332>, abgerufen am 22.07.2024.