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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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schickte Benutzung des Terrains durch Hannibal hatte zur Folge, daß eine
Hauptbedingung für die erfolgreiche Gefechtsthätigkeit der Legion, der Platz
zur Entwickelung, zum Oeffnen der Intervalle, in entscheidenden Augenblicken
fehlte, und dies wurde mehrfach Ursache ihrer Niederlage. Aber die Römer
lernten während des Krieges; und im Grunde waren sie von Anfang an
taktisch im Vortheil. Denn die Prinzipien der römischen Kriegskunst hatten sich
durchaus selbständig im Ringen mit den Jtalern herausgebildet, während den
Puniern die Formen ihrer JnfanterietaM auf überseeischen Wege von den
Griechen zugekommen waren und sie sich also nicht nur fremder Soldaten,
sondern auch einer fremden Kriegsweise bedienten. Das sklavische Nachahmen
anderer, wenn auch bewährter Formen straft sich jedoch stets dnrch befangenen
schematischen Formalismus. So war's auch bei den Puniern. Rom aber blieb
in rastlosem Aneignen und Fortschreiten, und Zama zeigte, wie viel es gelernt.

Die Heeresverfassung der Römer war während des zweiten punischen Krieges
im Wesentlichen dieselbe wie früher. Indeß -- es ist schon darauf hingewiesen
worden -- spüre" der Umwandlung sind doch erkennbar, und unzweifelhaft ist
es gerade die Zeit des hannibalifchen Krieges, in welcher sich die Trennung
eines Soldatenstandes von der übrigen Bürgerschaft und der Beginn des
Söldnerthums vorbereitet, und in Verbindung damit treten Symptome sittlichen
Verfalls an den Tag.

Schon während des ersten punischen Krieges hatte der Dienst auf Sizilien
die Regelmäßigkeit eines jährlichen Wechsels der in den Legionen stehenden
Mannschaft nicht gestattet und zu längeren Terminen ununterbrochener aktiver
Dienstpflicht geführt. Im hannibalifchen Kriege wurde das die Regel, erst¬
lich weil Hannibal in Italien stand, und zweitens weil die bei Cannä und
Herdonea geschlagenen Legionen strafweise bis zum Ende des Krieges in Sizilien
unter den Fahnen festgehalten wurden. Noch weniger aber war ein regel¬
mäßiger Wechsel der in Spanien fechtenden Legionen möglich; die hier stehen¬
den Heere bestanden größtenteils aus Veteranen, von denen manche bis zu
14 Dienstjahren zählten. Solche Leute waren natürlich dem bürgerlichen Leben
entfremdet und mit ihren Interessen auf den Kriegsdienst hingewiesen. Da der
Sold, den Rom zahlte, aber unmöglich locken konnte und auch gar nicht diesen
Zweck hatte, sondern nur eine, noch dazu sehr ungenügende Entschädigung für
den Bürger bildete, welchen der Staat seinem Berufe entriß und seinem Dienste
widmete, so war es, von dem Augenblicke an, da die Legionen längere Zeit
unter den Fahnen gehalten wurden, allgemeine Sitte geworden, den Truppen
die bewegliche Beute zu überlassen, gewissermaßen im Sinne einer Gratifikation
oder Tantieme. Damit aber hatte man den römischen Soldaten von Hans
aus auf's Plündern verwiesen und ein durchaus unsittliches Element in das


schickte Benutzung des Terrains durch Hannibal hatte zur Folge, daß eine
Hauptbedingung für die erfolgreiche Gefechtsthätigkeit der Legion, der Platz
zur Entwickelung, zum Oeffnen der Intervalle, in entscheidenden Augenblicken
fehlte, und dies wurde mehrfach Ursache ihrer Niederlage. Aber die Römer
lernten während des Krieges; und im Grunde waren sie von Anfang an
taktisch im Vortheil. Denn die Prinzipien der römischen Kriegskunst hatten sich
durchaus selbständig im Ringen mit den Jtalern herausgebildet, während den
Puniern die Formen ihrer JnfanterietaM auf überseeischen Wege von den
Griechen zugekommen waren und sie sich also nicht nur fremder Soldaten,
sondern auch einer fremden Kriegsweise bedienten. Das sklavische Nachahmen
anderer, wenn auch bewährter Formen straft sich jedoch stets dnrch befangenen
schematischen Formalismus. So war's auch bei den Puniern. Rom aber blieb
in rastlosem Aneignen und Fortschreiten, und Zama zeigte, wie viel es gelernt.

Die Heeresverfassung der Römer war während des zweiten punischen Krieges
im Wesentlichen dieselbe wie früher. Indeß — es ist schon darauf hingewiesen
worden — spüre» der Umwandlung sind doch erkennbar, und unzweifelhaft ist
es gerade die Zeit des hannibalifchen Krieges, in welcher sich die Trennung
eines Soldatenstandes von der übrigen Bürgerschaft und der Beginn des
Söldnerthums vorbereitet, und in Verbindung damit treten Symptome sittlichen
Verfalls an den Tag.

Schon während des ersten punischen Krieges hatte der Dienst auf Sizilien
die Regelmäßigkeit eines jährlichen Wechsels der in den Legionen stehenden
Mannschaft nicht gestattet und zu längeren Terminen ununterbrochener aktiver
Dienstpflicht geführt. Im hannibalifchen Kriege wurde das die Regel, erst¬
lich weil Hannibal in Italien stand, und zweitens weil die bei Cannä und
Herdonea geschlagenen Legionen strafweise bis zum Ende des Krieges in Sizilien
unter den Fahnen festgehalten wurden. Noch weniger aber war ein regel¬
mäßiger Wechsel der in Spanien fechtenden Legionen möglich; die hier stehen¬
den Heere bestanden größtenteils aus Veteranen, von denen manche bis zu
14 Dienstjahren zählten. Solche Leute waren natürlich dem bürgerlichen Leben
entfremdet und mit ihren Interessen auf den Kriegsdienst hingewiesen. Da der
Sold, den Rom zahlte, aber unmöglich locken konnte und auch gar nicht diesen
Zweck hatte, sondern nur eine, noch dazu sehr ungenügende Entschädigung für
den Bürger bildete, welchen der Staat seinem Berufe entriß und seinem Dienste
widmete, so war es, von dem Augenblicke an, da die Legionen längere Zeit
unter den Fahnen gehalten wurden, allgemeine Sitte geworden, den Truppen
die bewegliche Beute zu überlassen, gewissermaßen im Sinne einer Gratifikation
oder Tantieme. Damit aber hatte man den römischen Soldaten von Hans
aus auf's Plündern verwiesen und ein durchaus unsittliches Element in das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/331>, abgerufen am 22.07.2024.