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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Lucas Crcmcich war einer der eifrigsten Anhänger Luther's. Aber auch
der Goldschmidt Christian Döring gehörte zum intimsten Freundeskreise des
Reformators. Wo Luther in den Briefen, die er von auswärts nach Witten-
berg schreibt, die Wittenberger Freunde grüßen läßt, da hebt er Cranach und
Döring stets neben einander mit Namen hervor. Auch für die Familie Döring's
spricht sich in Luther's Briefen wiederholt herzliche Theilnahme ans. Döring
besaß schon im Jahre 1518 eine eigene, wenn auch vielleicht nur unbedeutende
Druckerei. Am 31. März 1518 schreibt Luther an Staupitz: "Ich bin der
Lehre Tauler's gefolgt und seinem Büchlein, welches ihr neulich unserem Gold¬
schmidt Christian zu drucken gegeben." Im Jahre 1524 errichtete aber auch
Cranach neben seiner Malerwerkstatt, seiner Apotheke, seinem Papier- und Buch¬
handel eine eigene Druckerei, und möglicherweise verschmolz er mit ihr die
Döring'sche. So entstand diejenige, um deretwillen Lotter nicht wieder in
Cranach's Haus gelassen wurde. Augenscheinlich hängt die Errichtung der
Cranach'schen Druckerei mit der Beseitigung Lotter's zusammen. Cranach und
Döring mochten, allerdings nicht ohne Neid, gesehen haben, welche glänzenden
Geschäfte Lotter mit dem Drucke der biblischen Bücher, vor allem mit dem
des Neuen Testamentes, seit 1522 gemacht hatte. Es verdroß sie, daß ein
Auswärtiger, der nur mit dem einem Fuße in Wittenberg, mit dem andern
in Leipzig stand, den Wittenbergern so reichlichen Gewinn vor den Augen
wegnahm, und so wünschten sie im Stillen, das Unternehmen, das Lotter bisher
mit seinen Mitteln betrieben hatte, in ihre Hände zu bekommen. Irgend ein
Vergehen, das Lotter sich zu Schulden kommen ließ, kam ihren Wünschen
entgegen und bot ihnen die willkommene Handhabe, ihn zu verdrängen. Nun
waren aber beide durch ihre sonstige Thätigkeit jedenfalls derart in Anspruch
genommen, daß sie der Druckerei nicht selbst vorstehen konnten, sondern sich
nach einem besonderen Drucker umsehen mußten, um bloß die Verleger spielen
zu dürfen. Als Lotter merkte, was gegen ihn im Werke war, suchte er
wenigstens einen Theil seines bisherigen Gewinnes zu retten und bot sich als
Drucker an, während das buchhändlerische Geschäft seinen beiden Gegnern
überlassen bleiben sollte. Trotz Luther's Verwendung wies man ihn ab und
nahm einen andern Drucker: Hans Luft. Dies muß der Hergang der Sache
gewesen zu sein.

Wo Hans Luft, den Lotter in seinem Schreiben an den Kurfürsten als
"fremden Drucker" bezeichnet, plötzlich herkam, ist völlig unbekannt. Luther erwähnt
ihn zum ersten Male in einem Briefe an Spalatin vom 29. April l524.
Dort wird er von dem Augustinerprior zu Wittenberg, noch kurz vor der Auf¬
hebung des Klosters, an den Hof geschickt, um einige rückständige Klostergefälle
einzutreiben. Daß er damals nicht zum ersten Male in solcher Kommission


Grenzboten III. 1373. 33

Lucas Crcmcich war einer der eifrigsten Anhänger Luther's. Aber auch
der Goldschmidt Christian Döring gehörte zum intimsten Freundeskreise des
Reformators. Wo Luther in den Briefen, die er von auswärts nach Witten-
berg schreibt, die Wittenberger Freunde grüßen läßt, da hebt er Cranach und
Döring stets neben einander mit Namen hervor. Auch für die Familie Döring's
spricht sich in Luther's Briefen wiederholt herzliche Theilnahme ans. Döring
besaß schon im Jahre 1518 eine eigene, wenn auch vielleicht nur unbedeutende
Druckerei. Am 31. März 1518 schreibt Luther an Staupitz: „Ich bin der
Lehre Tauler's gefolgt und seinem Büchlein, welches ihr neulich unserem Gold¬
schmidt Christian zu drucken gegeben." Im Jahre 1524 errichtete aber auch
Cranach neben seiner Malerwerkstatt, seiner Apotheke, seinem Papier- und Buch¬
handel eine eigene Druckerei, und möglicherweise verschmolz er mit ihr die
Döring'sche. So entstand diejenige, um deretwillen Lotter nicht wieder in
Cranach's Haus gelassen wurde. Augenscheinlich hängt die Errichtung der
Cranach'schen Druckerei mit der Beseitigung Lotter's zusammen. Cranach und
Döring mochten, allerdings nicht ohne Neid, gesehen haben, welche glänzenden
Geschäfte Lotter mit dem Drucke der biblischen Bücher, vor allem mit dem
des Neuen Testamentes, seit 1522 gemacht hatte. Es verdroß sie, daß ein
Auswärtiger, der nur mit dem einem Fuße in Wittenberg, mit dem andern
in Leipzig stand, den Wittenbergern so reichlichen Gewinn vor den Augen
wegnahm, und so wünschten sie im Stillen, das Unternehmen, das Lotter bisher
mit seinen Mitteln betrieben hatte, in ihre Hände zu bekommen. Irgend ein
Vergehen, das Lotter sich zu Schulden kommen ließ, kam ihren Wünschen
entgegen und bot ihnen die willkommene Handhabe, ihn zu verdrängen. Nun
waren aber beide durch ihre sonstige Thätigkeit jedenfalls derart in Anspruch
genommen, daß sie der Druckerei nicht selbst vorstehen konnten, sondern sich
nach einem besonderen Drucker umsehen mußten, um bloß die Verleger spielen
zu dürfen. Als Lotter merkte, was gegen ihn im Werke war, suchte er
wenigstens einen Theil seines bisherigen Gewinnes zu retten und bot sich als
Drucker an, während das buchhändlerische Geschäft seinen beiden Gegnern
überlassen bleiben sollte. Trotz Luther's Verwendung wies man ihn ab und
nahm einen andern Drucker: Hans Luft. Dies muß der Hergang der Sache
gewesen zu sein.

Wo Hans Luft, den Lotter in seinem Schreiben an den Kurfürsten als
„fremden Drucker" bezeichnet, plötzlich herkam, ist völlig unbekannt. Luther erwähnt
ihn zum ersten Male in einem Briefe an Spalatin vom 29. April l524.
Dort wird er von dem Augustinerprior zu Wittenberg, noch kurz vor der Auf¬
hebung des Klosters, an den Hof geschickt, um einige rückständige Klostergefälle
einzutreiben. Daß er damals nicht zum ersten Male in solcher Kommission


Grenzboten III. 1373. 33
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[0305] Lucas Crcmcich war einer der eifrigsten Anhänger Luther's. Aber auch der Goldschmidt Christian Döring gehörte zum intimsten Freundeskreise des Reformators. Wo Luther in den Briefen, die er von auswärts nach Witten- berg schreibt, die Wittenberger Freunde grüßen läßt, da hebt er Cranach und Döring stets neben einander mit Namen hervor. Auch für die Familie Döring's spricht sich in Luther's Briefen wiederholt herzliche Theilnahme ans. Döring besaß schon im Jahre 1518 eine eigene, wenn auch vielleicht nur unbedeutende Druckerei. Am 31. März 1518 schreibt Luther an Staupitz: „Ich bin der Lehre Tauler's gefolgt und seinem Büchlein, welches ihr neulich unserem Gold¬ schmidt Christian zu drucken gegeben." Im Jahre 1524 errichtete aber auch Cranach neben seiner Malerwerkstatt, seiner Apotheke, seinem Papier- und Buch¬ handel eine eigene Druckerei, und möglicherweise verschmolz er mit ihr die Döring'sche. So entstand diejenige, um deretwillen Lotter nicht wieder in Cranach's Haus gelassen wurde. Augenscheinlich hängt die Errichtung der Cranach'schen Druckerei mit der Beseitigung Lotter's zusammen. Cranach und Döring mochten, allerdings nicht ohne Neid, gesehen haben, welche glänzenden Geschäfte Lotter mit dem Drucke der biblischen Bücher, vor allem mit dem des Neuen Testamentes, seit 1522 gemacht hatte. Es verdroß sie, daß ein Auswärtiger, der nur mit dem einem Fuße in Wittenberg, mit dem andern in Leipzig stand, den Wittenbergern so reichlichen Gewinn vor den Augen wegnahm, und so wünschten sie im Stillen, das Unternehmen, das Lotter bisher mit seinen Mitteln betrieben hatte, in ihre Hände zu bekommen. Irgend ein Vergehen, das Lotter sich zu Schulden kommen ließ, kam ihren Wünschen entgegen und bot ihnen die willkommene Handhabe, ihn zu verdrängen. Nun waren aber beide durch ihre sonstige Thätigkeit jedenfalls derart in Anspruch genommen, daß sie der Druckerei nicht selbst vorstehen konnten, sondern sich nach einem besonderen Drucker umsehen mußten, um bloß die Verleger spielen zu dürfen. Als Lotter merkte, was gegen ihn im Werke war, suchte er wenigstens einen Theil seines bisherigen Gewinnes zu retten und bot sich als Drucker an, während das buchhändlerische Geschäft seinen beiden Gegnern überlassen bleiben sollte. Trotz Luther's Verwendung wies man ihn ab und nahm einen andern Drucker: Hans Luft. Dies muß der Hergang der Sache gewesen zu sein. Wo Hans Luft, den Lotter in seinem Schreiben an den Kurfürsten als „fremden Drucker" bezeichnet, plötzlich herkam, ist völlig unbekannt. Luther erwähnt ihn zum ersten Male in einem Briefe an Spalatin vom 29. April l524. Dort wird er von dem Augustinerprior zu Wittenberg, noch kurz vor der Auf¬ hebung des Klosters, an den Hof geschickt, um einige rückständige Klostergefälle einzutreiben. Daß er damals nicht zum ersten Male in solcher Kommission Grenzboten III. 1373. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/305>, abgerufen am 30.06.2024.