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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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kommen. Ihre Waaren legten sie vor einem der Magazine hin und nähern sich
nun dem Faktvristen, zum Gruß leicht gebeugt und mit der Hand nach dem Kopf
fahrend. Der Weiße ruft nach dem Dolmetsch, welcher die Ankömmlinge begrüßt
und ihre Handelsartikel prüft. Das Palmöl und der Kautschuk werden ans einer
Brückenwage abgewogen, und zu bewundern ist das Vertrauen welches die
Schwarzen dieser Manipulation gegenüber haben, die Palmenkerne werden in
einer Ginkiste, welche der Weiße als Hohlmaß einführte, abgeschätzt. Die
Menge der Waaren und ihr Werth ist festgestellt, und nun begiebt sich
der Händler in sein Wohnhaus, um unter Assistenz seines Lingster's Zahlung
zu leisten. Ein ziemlich großes Zimmer wird geöffnet, durch dessen Fenster-
luke ein Heller Lichtstrahl ans die hier aufgestapelten Schätze fällt. Da
liegen in einem Fachgestell die verschiedenen Sorten Zeuge, die im west¬
afrikanischen Handel als Hanptzahlmittel gehen, besonders Kattuue, weiße
oder bedrückte, aber auch Flanelle, Trieothemden und Jacken; ferner in Kisten
und Kasten viele Eisenwaaren, zerbrechliche Vorhängeschlösser, schlechte Messer,
Spiegel, werthlose Schmucksachen, aber vor allen Dingen alte Fenersteingewehre
und in kleinen Fäßchen grobkörniges "Negerpulver".

Aus all diesen Gegenständen wählt nun der Sprecher der Eingebornen,
unterstützt von seinen Freunden aus, und bei dieser Gelegenheit strengt der
Weiße alle seine Fähigkeit, sein Können und seine Schlauheit an, um einen
möglichst vortheilhaften Handel abzuschließen. Das sind die einzigen Augen¬
blicke während des ganzen Tages, die dem Kaufmann einiges Vergnügen be¬
reiten, wenn sie auch immer uoch mit reichlichem Aerger verknüpft sind. Es ist
interessant zu sehen, wie der Schwarze seine Waaren herausstreicht, diejenige
des Geguers herabsetzt, ein Stück Zeug nach dem anderen zwischen den Fingern
prüft, an jedem Gewehr, bis die Vorräthe erschöpft sind, genane Untersuchungen
anstellt, alles seinen Gefährten zuschiebt, die ebenfalls nach langer Besichtigung
die Waaren dem Europäer zurückstellen. Es dauert lange, ehe der Kauf ab¬
geschlossen ist, über eine Kleinigkeit wird stundenlang disputirt, die Verhand¬
lungen führen trotzdem zu nichts, sogar heftiger Wortwechsel entspinnt sich,
Schelten und Schreien hüben und drüben, die Schwarzen werden abgewiesen
und durch deu Liugster uicht gerade sehr sanft ans den Hof befördert, fluchend
schließt der Händler seinen Fetisch, um nun geärgert, noch schärferen Auges
in seinem kleinen Hauswesen hier und dort triftige Gründe für Strafen und
Schimpfreden zu finden.

Endlich aber -- er wußte es ja schon vorher -- melden sich die Unzu¬
friedenen nach langen Verhandlungen unter sich wieder und erklären mit dem
Angebot einverstanden zu sein. Von Neuem werden die Waaren geprüft, noch
einmal sucht das Haupt der kleinen Karawane zu "schrauben", bis der Weiße,


kommen. Ihre Waaren legten sie vor einem der Magazine hin und nähern sich
nun dem Faktvristen, zum Gruß leicht gebeugt und mit der Hand nach dem Kopf
fahrend. Der Weiße ruft nach dem Dolmetsch, welcher die Ankömmlinge begrüßt
und ihre Handelsartikel prüft. Das Palmöl und der Kautschuk werden ans einer
Brückenwage abgewogen, und zu bewundern ist das Vertrauen welches die
Schwarzen dieser Manipulation gegenüber haben, die Palmenkerne werden in
einer Ginkiste, welche der Weiße als Hohlmaß einführte, abgeschätzt. Die
Menge der Waaren und ihr Werth ist festgestellt, und nun begiebt sich
der Händler in sein Wohnhaus, um unter Assistenz seines Lingster's Zahlung
zu leisten. Ein ziemlich großes Zimmer wird geöffnet, durch dessen Fenster-
luke ein Heller Lichtstrahl ans die hier aufgestapelten Schätze fällt. Da
liegen in einem Fachgestell die verschiedenen Sorten Zeuge, die im west¬
afrikanischen Handel als Hanptzahlmittel gehen, besonders Kattuue, weiße
oder bedrückte, aber auch Flanelle, Trieothemden und Jacken; ferner in Kisten
und Kasten viele Eisenwaaren, zerbrechliche Vorhängeschlösser, schlechte Messer,
Spiegel, werthlose Schmucksachen, aber vor allen Dingen alte Fenersteingewehre
und in kleinen Fäßchen grobkörniges „Negerpulver".

Aus all diesen Gegenständen wählt nun der Sprecher der Eingebornen,
unterstützt von seinen Freunden aus, und bei dieser Gelegenheit strengt der
Weiße alle seine Fähigkeit, sein Können und seine Schlauheit an, um einen
möglichst vortheilhaften Handel abzuschließen. Das sind die einzigen Augen¬
blicke während des ganzen Tages, die dem Kaufmann einiges Vergnügen be¬
reiten, wenn sie auch immer uoch mit reichlichem Aerger verknüpft sind. Es ist
interessant zu sehen, wie der Schwarze seine Waaren herausstreicht, diejenige
des Geguers herabsetzt, ein Stück Zeug nach dem anderen zwischen den Fingern
prüft, an jedem Gewehr, bis die Vorräthe erschöpft sind, genane Untersuchungen
anstellt, alles seinen Gefährten zuschiebt, die ebenfalls nach langer Besichtigung
die Waaren dem Europäer zurückstellen. Es dauert lange, ehe der Kauf ab¬
geschlossen ist, über eine Kleinigkeit wird stundenlang disputirt, die Verhand¬
lungen führen trotzdem zu nichts, sogar heftiger Wortwechsel entspinnt sich,
Schelten und Schreien hüben und drüben, die Schwarzen werden abgewiesen
und durch deu Liugster uicht gerade sehr sanft ans den Hof befördert, fluchend
schließt der Händler seinen Fetisch, um nun geärgert, noch schärferen Auges
in seinem kleinen Hauswesen hier und dort triftige Gründe für Strafen und
Schimpfreden zu finden.

Endlich aber — er wußte es ja schon vorher — melden sich die Unzu¬
friedenen nach langen Verhandlungen unter sich wieder und erklären mit dem
Angebot einverstanden zu sein. Von Neuem werden die Waaren geprüft, noch
einmal sucht das Haupt der kleinen Karawane zu „schrauben", bis der Weiße,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/30>, abgerufen am 22.07.2024.