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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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um die Quälgeister los zu werden, sich etwas nachgiebig zeigt; noch einige
Gläser Rum als Draufgeld und die Schwarze" ziehen ab. -- Dann ist es
wieder still im Gehöft: es wurde Mittag und der Dolmetsch klappert zum
Zeichen der Arbeitspause. Jetzt werden unter die Stationsneger Lebensmittel
vertheilt, eine bestimmte Menge vniovWAii und getrockneter Fische. Inzwischen
deckten die Moleques den Tisch des Weißen und auf den Ruf: s, ooirMa n-v
msstU wird die Suppe aufgetragen. Es ist Hühnersuppe mit Bataten, ^.bo-
dors-s (einer Kürbisfrucht) und anderen Früchten des Landes, eine dünne
Suppe, die täglich wiederkehrt! Daun kommt das Huhn mit Bataten und
eine Schüssel Reis mit den Ueberresten des kalten Fleisches von heute Morgen.
-- Das ist ein Speisezettel, der sich Wochen-, ja monatelang bis zum Ueberdruß
wiederholt, aber dieser Abwechselungsmcmgel ist durch die Nothwendigkeit be¬
dingt. Huhn und Reis, Reis und Huhn! Oft ist es noch trister, denn in
der Brütezeit ist oft zu doppelten und noch theureren Preisen kein Huhn von
den Eingeborenen zu erstehen und es bleibt der Reis allein übrig und Muamba,
ein Gericht von den Fischen der Krunianos und Palmöl. Der Verbannte
bekommt zwar von Zeit zu Zeit einige Conserven von seiner Firma, aber wie
lange halten sie vor? Gegen den Ueberdruß hat der Westafrikaner ein Mittel,
den Piment, Pfefferfrüchte (von Vs,x8tenir>, frutssosns), welche wie höllisches
Feuer brennen; eine Anzahl derselben ist in Essig gelegt und von diesem
scharfen Extrakt werden jeder Suppe und Sauce einige Tropfen zugesetzt, ja
zum Fleisch einige frische Früchte fein zerschnitten verzehrt. -- Das Getränk
bildet, natürlich so lange er noch da ist, schwerer, portugiesischer Landwein,
später Genevre, dann der gewöhnliche Negerrnm, ein scheußlicher Stoff, der
selten nach Rum schmeckt -- und doch auch den Weißen noch oft genug be¬
rauscht. --

Da ertönt schon wieder die Klapper zum Arbeitsantritt, der Einsame
wirft einen Blick nach den Leuten und schleudert wieder in's Haus, um die
heißen Tagesstunden zu verschlafen. Er dreht ein Häufchen des noch vor¬
handenen geringen Tabakvorraths in einem Stückchen Papier -- es heißt
morwMg., Leichentuch -- zu einem "K-u-ro, schnell verzehrt er sich und bald
liegt der Bedauernswerthe in tiefem Schlaf. Gönnen wir ihm dieses Glück
des Vergessens, es ist in der That einer der Glanzpunkte in seinem einför¬
migen Dasein, er sehnt sich so sehr nach dem Schlummer, daß er ihn oft genug
durch Trinken zu erzwingen weiß.

Der Arme hat nicht lange Ruhe, ein Klopfen an der Thür erweckt ihn;
zürnend und scheltend fragt er nach dem Grund der Störung und erfährt zu
seiner Freude, daß ein eadriro -- ein Ziegenbock -- zum Verkauf angeboten
werde. Der Handel wird glücklich abgeschlossen, der Ziegenbock für 3 Stücke


um die Quälgeister los zu werden, sich etwas nachgiebig zeigt; noch einige
Gläser Rum als Draufgeld und die Schwarze» ziehen ab. — Dann ist es
wieder still im Gehöft: es wurde Mittag und der Dolmetsch klappert zum
Zeichen der Arbeitspause. Jetzt werden unter die Stationsneger Lebensmittel
vertheilt, eine bestimmte Menge vniovWAii und getrockneter Fische. Inzwischen
deckten die Moleques den Tisch des Weißen und auf den Ruf: s, ooirMa n-v
msstU wird die Suppe aufgetragen. Es ist Hühnersuppe mit Bataten, ^.bo-
dors-s (einer Kürbisfrucht) und anderen Früchten des Landes, eine dünne
Suppe, die täglich wiederkehrt! Daun kommt das Huhn mit Bataten und
eine Schüssel Reis mit den Ueberresten des kalten Fleisches von heute Morgen.
— Das ist ein Speisezettel, der sich Wochen-, ja monatelang bis zum Ueberdruß
wiederholt, aber dieser Abwechselungsmcmgel ist durch die Nothwendigkeit be¬
dingt. Huhn und Reis, Reis und Huhn! Oft ist es noch trister, denn in
der Brütezeit ist oft zu doppelten und noch theureren Preisen kein Huhn von
den Eingeborenen zu erstehen und es bleibt der Reis allein übrig und Muamba,
ein Gericht von den Fischen der Krunianos und Palmöl. Der Verbannte
bekommt zwar von Zeit zu Zeit einige Conserven von seiner Firma, aber wie
lange halten sie vor? Gegen den Ueberdruß hat der Westafrikaner ein Mittel,
den Piment, Pfefferfrüchte (von Vs,x8tenir>, frutssosns), welche wie höllisches
Feuer brennen; eine Anzahl derselben ist in Essig gelegt und von diesem
scharfen Extrakt werden jeder Suppe und Sauce einige Tropfen zugesetzt, ja
zum Fleisch einige frische Früchte fein zerschnitten verzehrt. — Das Getränk
bildet, natürlich so lange er noch da ist, schwerer, portugiesischer Landwein,
später Genevre, dann der gewöhnliche Negerrnm, ein scheußlicher Stoff, der
selten nach Rum schmeckt — und doch auch den Weißen noch oft genug be¬
rauscht. —

Da ertönt schon wieder die Klapper zum Arbeitsantritt, der Einsame
wirft einen Blick nach den Leuten und schleudert wieder in's Haus, um die
heißen Tagesstunden zu verschlafen. Er dreht ein Häufchen des noch vor¬
handenen geringen Tabakvorraths in einem Stückchen Papier — es heißt
morwMg., Leichentuch — zu einem «K-u-ro, schnell verzehrt er sich und bald
liegt der Bedauernswerthe in tiefem Schlaf. Gönnen wir ihm dieses Glück
des Vergessens, es ist in der That einer der Glanzpunkte in seinem einför¬
migen Dasein, er sehnt sich so sehr nach dem Schlummer, daß er ihn oft genug
durch Trinken zu erzwingen weiß.

Der Arme hat nicht lange Ruhe, ein Klopfen an der Thür erweckt ihn;
zürnend und scheltend fragt er nach dem Grund der Störung und erfährt zu
seiner Freude, daß ein eadriro — ein Ziegenbock — zum Verkauf angeboten
werde. Der Handel wird glücklich abgeschlossen, der Ziegenbock für 3 Stücke


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/31>, abgerufen am 22.07.2024.