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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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mit seinem Schifflein wieder in See. Der Kämmerer mit fünfzig Helden segelt
ihm nach und ergreift ihn auch nach längerer Jagd; doch nicht lange erfreut
er sich seines Fanges. Morolt macht die Schiffsmannschaft dnrch allerlei
Schnurren sorglos, berauscht sie durch einen Zaubertrank, tödtet den Kämmerer
und eilt in dessen Kleidern, "das Haar kraus und fahl" wie jener, nach dem
Königsschlosse, um dort zu melden, daß Morolt gefangen und im Meere er¬
tränkt worden sei. Anerkannt verrichtet er des Kämmerers Dienste, setzt wieder
seinen Zaubertrank in Thätigkeit, legt den schlafenden König zu den "Kapellanen"
des Hofes, einen Kapellan aber dorthin, wo nur der König ruhen durfte. Die
Verlegenheiten, welche durch diesen Lagerwechsel entstehen, als die Ernüchterten
erwachen, malt unser Spielmann mit humoristischem Behagen aus. Diesmal
läßt sich Morolt aber nicht sangen. Durch einen Taucherapparat -- höchst
merkwürdig für ein Gedicht des 1.2. Jahrhunderts -- steigt er in des Meeres
Tiefe und entgeht so seinen Verfolgern. Bald erreicht er die "gute Burg"
Jerusalem. Auf seinen Bericht hin zieht Salomo mit 10,000 Helden über
den "wilden See"; unfern der feindlichen Burg in einem finstern Tann machen
sie f>alt, der König aber sucht allein in einem Pilgergewcinde und bewaffnet
mit einer Krücke, in der ein Schwert verborgen steckt, seiner früheren Gemahlin
sich zu nähern. Trotz seiner Verkleidung wird er sofort erkannt und soll seine
Kühnheit mit dem Tode büßen. Die Noth des Helden bringt den Dichter zu
einem Trunke: "Nun muß er verlieren sein werthes Leben, Man wolle denn
dem Leser ein Trinken geben."

Nachdem die Labung stattgefunden, erzählt der Spielmann weiter, wie
auf Bitten von König Pharo's Schwester, welche mit dem "allerschönsten
Pilger" Mitleid hat, dem Salomo auf eine Nacht das Leben geschenkt und
wie der Gefangene von der liebenden Prinzessin durch allerlei Ergötzlichkeiten,
durch edlen "Lautertrank" und den Gesang eines "Fahrenden" über sein Unglück
getröstet wird. Salomo nimmt selbst die Harfe zur Hand, gedenkend "an
David, den lieben Vater sein, Der vor der alten Troie (sich Erdachte das
Saitenspiel so sein." Am andern Morgen wird er an den finstern Tann zum
Galgen geführt. Als er durch einen Hornruf seine Mannen, welche unter
Führung Morolt's, zweier Tempelherren und des Herzogs Friedrich in der
Nähe lagern, von seiner Noth benachrichtigt, wird er von den Heiden hart be¬
drängt und kommt in große Gefahr, der Dichter aber wieder zu einem Trunke:
"Er fiel nieder auf das Land, Man gebe dem Leser zu trinken, sonst hat er
den Tod an der Hand."

Salomo wird noch zur rechten Zeit gerettet, das Heidenheer geschlagen,
Pharo gehenkt, Salome aber gegen das Versprechen steter Treue zu Gnaden
angenommen und zugleich mit Pharo's Schwester nach Jerusalem zurückgeführt.


mit seinem Schifflein wieder in See. Der Kämmerer mit fünfzig Helden segelt
ihm nach und ergreift ihn auch nach längerer Jagd; doch nicht lange erfreut
er sich seines Fanges. Morolt macht die Schiffsmannschaft dnrch allerlei
Schnurren sorglos, berauscht sie durch einen Zaubertrank, tödtet den Kämmerer
und eilt in dessen Kleidern, „das Haar kraus und fahl" wie jener, nach dem
Königsschlosse, um dort zu melden, daß Morolt gefangen und im Meere er¬
tränkt worden sei. Anerkannt verrichtet er des Kämmerers Dienste, setzt wieder
seinen Zaubertrank in Thätigkeit, legt den schlafenden König zu den „Kapellanen"
des Hofes, einen Kapellan aber dorthin, wo nur der König ruhen durfte. Die
Verlegenheiten, welche durch diesen Lagerwechsel entstehen, als die Ernüchterten
erwachen, malt unser Spielmann mit humoristischem Behagen aus. Diesmal
läßt sich Morolt aber nicht sangen. Durch einen Taucherapparat — höchst
merkwürdig für ein Gedicht des 1.2. Jahrhunderts — steigt er in des Meeres
Tiefe und entgeht so seinen Verfolgern. Bald erreicht er die „gute Burg"
Jerusalem. Auf seinen Bericht hin zieht Salomo mit 10,000 Helden über
den „wilden See"; unfern der feindlichen Burg in einem finstern Tann machen
sie f>alt, der König aber sucht allein in einem Pilgergewcinde und bewaffnet
mit einer Krücke, in der ein Schwert verborgen steckt, seiner früheren Gemahlin
sich zu nähern. Trotz seiner Verkleidung wird er sofort erkannt und soll seine
Kühnheit mit dem Tode büßen. Die Noth des Helden bringt den Dichter zu
einem Trunke: „Nun muß er verlieren sein werthes Leben, Man wolle denn
dem Leser ein Trinken geben."

Nachdem die Labung stattgefunden, erzählt der Spielmann weiter, wie
auf Bitten von König Pharo's Schwester, welche mit dem „allerschönsten
Pilger" Mitleid hat, dem Salomo auf eine Nacht das Leben geschenkt und
wie der Gefangene von der liebenden Prinzessin durch allerlei Ergötzlichkeiten,
durch edlen „Lautertrank" und den Gesang eines „Fahrenden" über sein Unglück
getröstet wird. Salomo nimmt selbst die Harfe zur Hand, gedenkend „an
David, den lieben Vater sein, Der vor der alten Troie (sich Erdachte das
Saitenspiel so sein." Am andern Morgen wird er an den finstern Tann zum
Galgen geführt. Als er durch einen Hornruf seine Mannen, welche unter
Führung Morolt's, zweier Tempelherren und des Herzogs Friedrich in der
Nähe lagern, von seiner Noth benachrichtigt, wird er von den Heiden hart be¬
drängt und kommt in große Gefahr, der Dichter aber wieder zu einem Trunke:
„Er fiel nieder auf das Land, Man gebe dem Leser zu trinken, sonst hat er
den Tod an der Hand."

Salomo wird noch zur rechten Zeit gerettet, das Heidenheer geschlagen,
Pharo gehenkt, Salome aber gegen das Versprechen steter Treue zu Gnaden
angenommen und zugleich mit Pharo's Schwester nach Jerusalem zurückgeführt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/266>, abgerufen am 02.07.2024.