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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Familienhäupter. Eines solchen Rathes aber bedürfte der römische Kleinbürger
sehr oft. Er verheirathete keine Tochter, er verkaufte kein Joch Landes, er
schloß kein Anlehen ohne juristischen Rath; denn dieser war ihm nicht nur
eine Nothwendigkeit, sondern eine Seelenstärkung. Juristisches Wissen war
aber dazumal geradezu ein Monopol der senatorischen Häuser. So drückte
sich denn die geschäftliche Abhängigkeit auch in den militärischen Lagerbezie¬
hungen aus, und es erscheint das um so erklärlicher, wenn man bedenkt, daß
aus den Kreisen dieser squites im Ganzen genommen alle höheren Beamten
und Offiziere der Republik hervorgingen. Während bei uns kaum jemals der
Glanz der militärischen und der geschäftlichen Tradition zusammentreffen, konnte
und sollte das bei jedem römischen Staatsmanne geschehen. Wäre die Be¬
amtenlaufbahn der Republik nicht so durchaus gleichmäßig eine zivile und
militärische, eben beides zugleich gewesen, so würde sich der Begriff des staats-
männischen Kredites gewisser Familien niemals in dem Maße ansgebildet
haben, wie er in der Bezeichnung der nodMas und seinem Gegensatze, dem
der lioininsZ Qvvi so deutlich erscheint. Daß in der einen Person, in der
einen Familie die militärische, in der andern die administrative Seite überwog,
versteht sich von selbst; immerhin aber war nun einmal kein Staatsmann zu
denken, der nicht zugleich gedienter Offizier war, und umgekehrt kein Feldherr,
der nicht auch in den großen Zivilämtern gedient hatte. Die meisten der¬
artigen Stellen wurden ja durch die Comitien besetzt, und bei einzelnen von
den Historikern überlieferten Gelegenheiten tritt dieser persönliche Zusammen¬
hang sehr anschaulich hervor. Jener große Jurist, der nach seiner Wahlnieder¬
lage den Bürgern unwillig zuruft: OonZiilerö senis, consulkw tALörs usseitis!
steht da neben dem jungen kühnen Stabsoffizier, dem bei der Bewerbung um
die rein städtische Aedilität sofort alle Stimmen zufallen. Die lange Reihe
großer Feldherren und Magistrate, die wundervolle Sicherheit der inneren und
äußeren Politik, welche Rom, seltene Ausnahmen abgerechnet, ausgezeichnet hat,
war bei einer Verfassung, die alle entscheidenden Beschlüsse der Volksver¬
sammlung zuwies, uicht denkbar ohne den natürlichen Einfluß, den die Manns¬
zucht und die stolzen Ueberlieferungen des Heeres auf den Geist der
Comitien übten.

Die militärischen Formen dieser Centuriatcomitien sind nicht nur die Reste
ihrer ältesten Einrichtung, sondern entsprechen eines durchaus dem Geiste, der
in ihnen lebte. Die Volksversammlung stand, sie saß nicht, und schon Cicero
hat dies im Gegensatz zu der sitzenden, lange debattirenden Ekklesia von Athen
als bedeutungsvoll bemerkt. Auf Kommando traten die Centuriatcomitien
zur Abstimmung an. Zu einer breiten und zügellosen Debatte war wenig
Raum; mit Entschiedenheit macht .sich der Eindruck sicherer Haltung, ruhigen


Familienhäupter. Eines solchen Rathes aber bedürfte der römische Kleinbürger
sehr oft. Er verheirathete keine Tochter, er verkaufte kein Joch Landes, er
schloß kein Anlehen ohne juristischen Rath; denn dieser war ihm nicht nur
eine Nothwendigkeit, sondern eine Seelenstärkung. Juristisches Wissen war
aber dazumal geradezu ein Monopol der senatorischen Häuser. So drückte
sich denn die geschäftliche Abhängigkeit auch in den militärischen Lagerbezie¬
hungen aus, und es erscheint das um so erklärlicher, wenn man bedenkt, daß
aus den Kreisen dieser squites im Ganzen genommen alle höheren Beamten
und Offiziere der Republik hervorgingen. Während bei uns kaum jemals der
Glanz der militärischen und der geschäftlichen Tradition zusammentreffen, konnte
und sollte das bei jedem römischen Staatsmanne geschehen. Wäre die Be¬
amtenlaufbahn der Republik nicht so durchaus gleichmäßig eine zivile und
militärische, eben beides zugleich gewesen, so würde sich der Begriff des staats-
männischen Kredites gewisser Familien niemals in dem Maße ansgebildet
haben, wie er in der Bezeichnung der nodMas und seinem Gegensatze, dem
der lioininsZ Qvvi so deutlich erscheint. Daß in der einen Person, in der
einen Familie die militärische, in der andern die administrative Seite überwog,
versteht sich von selbst; immerhin aber war nun einmal kein Staatsmann zu
denken, der nicht zugleich gedienter Offizier war, und umgekehrt kein Feldherr,
der nicht auch in den großen Zivilämtern gedient hatte. Die meisten der¬
artigen Stellen wurden ja durch die Comitien besetzt, und bei einzelnen von
den Historikern überlieferten Gelegenheiten tritt dieser persönliche Zusammen¬
hang sehr anschaulich hervor. Jener große Jurist, der nach seiner Wahlnieder¬
lage den Bürgern unwillig zuruft: OonZiilerö senis, consulkw tALörs usseitis!
steht da neben dem jungen kühnen Stabsoffizier, dem bei der Bewerbung um
die rein städtische Aedilität sofort alle Stimmen zufallen. Die lange Reihe
großer Feldherren und Magistrate, die wundervolle Sicherheit der inneren und
äußeren Politik, welche Rom, seltene Ausnahmen abgerechnet, ausgezeichnet hat,
war bei einer Verfassung, die alle entscheidenden Beschlüsse der Volksver¬
sammlung zuwies, uicht denkbar ohne den natürlichen Einfluß, den die Manns¬
zucht und die stolzen Ueberlieferungen des Heeres auf den Geist der
Comitien übten.

Die militärischen Formen dieser Centuriatcomitien sind nicht nur die Reste
ihrer ältesten Einrichtung, sondern entsprechen eines durchaus dem Geiste, der
in ihnen lebte. Die Volksversammlung stand, sie saß nicht, und schon Cicero
hat dies im Gegensatz zu der sitzenden, lange debattirenden Ekklesia von Athen
als bedeutungsvoll bemerkt. Auf Kommando traten die Centuriatcomitien
zur Abstimmung an. Zu einer breiten und zügellosen Debatte war wenig
Raum; mit Entschiedenheit macht .sich der Eindruck sicherer Haltung, ruhigen


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[0251] Familienhäupter. Eines solchen Rathes aber bedürfte der römische Kleinbürger sehr oft. Er verheirathete keine Tochter, er verkaufte kein Joch Landes, er schloß kein Anlehen ohne juristischen Rath; denn dieser war ihm nicht nur eine Nothwendigkeit, sondern eine Seelenstärkung. Juristisches Wissen war aber dazumal geradezu ein Monopol der senatorischen Häuser. So drückte sich denn die geschäftliche Abhängigkeit auch in den militärischen Lagerbezie¬ hungen aus, und es erscheint das um so erklärlicher, wenn man bedenkt, daß aus den Kreisen dieser squites im Ganzen genommen alle höheren Beamten und Offiziere der Republik hervorgingen. Während bei uns kaum jemals der Glanz der militärischen und der geschäftlichen Tradition zusammentreffen, konnte und sollte das bei jedem römischen Staatsmanne geschehen. Wäre die Be¬ amtenlaufbahn der Republik nicht so durchaus gleichmäßig eine zivile und militärische, eben beides zugleich gewesen, so würde sich der Begriff des staats- männischen Kredites gewisser Familien niemals in dem Maße ansgebildet haben, wie er in der Bezeichnung der nodMas und seinem Gegensatze, dem der lioininsZ Qvvi so deutlich erscheint. Daß in der einen Person, in der einen Familie die militärische, in der andern die administrative Seite überwog, versteht sich von selbst; immerhin aber war nun einmal kein Staatsmann zu denken, der nicht zugleich gedienter Offizier war, und umgekehrt kein Feldherr, der nicht auch in den großen Zivilämtern gedient hatte. Die meisten der¬ artigen Stellen wurden ja durch die Comitien besetzt, und bei einzelnen von den Historikern überlieferten Gelegenheiten tritt dieser persönliche Zusammen¬ hang sehr anschaulich hervor. Jener große Jurist, der nach seiner Wahlnieder¬ lage den Bürgern unwillig zuruft: OonZiilerö senis, consulkw tALörs usseitis! steht da neben dem jungen kühnen Stabsoffizier, dem bei der Bewerbung um die rein städtische Aedilität sofort alle Stimmen zufallen. Die lange Reihe großer Feldherren und Magistrate, die wundervolle Sicherheit der inneren und äußeren Politik, welche Rom, seltene Ausnahmen abgerechnet, ausgezeichnet hat, war bei einer Verfassung, die alle entscheidenden Beschlüsse der Volksver¬ sammlung zuwies, uicht denkbar ohne den natürlichen Einfluß, den die Manns¬ zucht und die stolzen Ueberlieferungen des Heeres auf den Geist der Comitien übten. Die militärischen Formen dieser Centuriatcomitien sind nicht nur die Reste ihrer ältesten Einrichtung, sondern entsprechen eines durchaus dem Geiste, der in ihnen lebte. Die Volksversammlung stand, sie saß nicht, und schon Cicero hat dies im Gegensatz zu der sitzenden, lange debattirenden Ekklesia von Athen als bedeutungsvoll bemerkt. Auf Kommando traten die Centuriatcomitien zur Abstimmung an. Zu einer breiten und zügellosen Debatte war wenig Raum; mit Entschiedenheit macht .sich der Eindruck sicherer Haltung, ruhigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/251>, abgerufen am 03.07.2024.