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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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sahrenen Leute sich im Triarierkvrps zusammenfanden, das an Zahl schwach,
doch an Einfluß auf Ton und Geist des Heeres mächtig war.*) Ohne höheren
Sold, ohne eine glänzendere Waffe, ist diese Veteranenreserve der entschiedenste
Ausdruck des Römerthums. Die ganze Staats- und Heereseinrichtung ist
darauf berechnet, daß die Grundschicht der römischen Bauerschaft immer vor¬
handen und immer ausgiebig sei an ungeschwächter Willfährigkeit und Zuver¬
lässigkeit für den Dienst im Heere. Denn in ihr entspringt der Quell der
kriegerischen Machtfülle der großen Republik. Wie groß auch die Masse der
Bundesgenossen sei: sie stehen doch immer nur neben den Legionen; sie thun
nur mit, insofern sie befehligt werden von Römern.

Die alte, furchtbar strenge Kriegszucht blieb unverändert. Nach wie vor
war es dem Feldherrn gestattet, jedem in seinem Lager dienenden Manne den
Kopf vor die Füße zu legen und den Stabsoffizier so gut wie den gemeinen
Soldaten mit Ruthen schlagen zu lassen. Auch wurden Körperstrafen nicht
blos wegen gemeiner Verbrechen erkannt, sondern auch wenn sich z. B. ein Offizier
erlaubt hatte, von dem ertheilten Befehle abzuweichen, wenn eine Abtheilung
sich hatte überrumpeln lassen oder vom Schlachtfelde gewichen war.**)

Je lebendiger man sich diese Gleichheit der Führer und der Mannschaft
dem Feldherrn gegenüber vorstellt, je mehr man sich vergegenwärtigt, wie anch
der gemeine Legionär sich als freier Bürger fühlte, um so befremdlicher muß
die Stellung erscheinen, welche einer solchen Infanterie gegenüber die Reiterei
einnimmt. In ihren Händen liegt die ganze Kontrolle des Wachtdienstes. Ein
einfacher squW mit seinen a-alvi begeht die Posten, rapportirt darüber, und
auf seine Meldung wird die etwa nothwendige Strafe verfügt. Aber noch
mehr: die Zelte der Reiter liegeu in der Hauptlagergasse, die betreffenden
Stallungen dahinter. Der römische s-znss hat jedoch keinen Stalldienst bei
seinem eigenen Pferde, sondern dieser wird von den Triariern geleistet, welche
hinter ihm nach den beiden nächsten Lagergassen hin liegen. Die Elite der
Infanterie liefert also, so zu sagen, die Stalljungen der Kavallerie, und zwar
einer Kavallerie, deren taktische Leistungen denen des Fußvolks gegenüber sehr
schwach waren. Ein solches Verhältniß läßt sich nur aus sozialen Beziehun¬
gen erklären. Einmal spielte wohl der altgewohnte Respekt vor dem Adel und
dem Reichthums der ocMws seine Rolle; dann aber darf man nicht vergessen,
daß die Reiterei wesentlich aus den Söhnen der senatorischen Familien be¬
stand, zu denen der kleine Mann immer noch in einer Art von Klientel stand,
namentlich hinsichtlich seiner Abhängigkeit von dem juristischen Beirathe der




*) Mommsen a. a. O-
**) Nitzsch und Mommsen a. a. O>

sahrenen Leute sich im Triarierkvrps zusammenfanden, das an Zahl schwach,
doch an Einfluß auf Ton und Geist des Heeres mächtig war.*) Ohne höheren
Sold, ohne eine glänzendere Waffe, ist diese Veteranenreserve der entschiedenste
Ausdruck des Römerthums. Die ganze Staats- und Heereseinrichtung ist
darauf berechnet, daß die Grundschicht der römischen Bauerschaft immer vor¬
handen und immer ausgiebig sei an ungeschwächter Willfährigkeit und Zuver¬
lässigkeit für den Dienst im Heere. Denn in ihr entspringt der Quell der
kriegerischen Machtfülle der großen Republik. Wie groß auch die Masse der
Bundesgenossen sei: sie stehen doch immer nur neben den Legionen; sie thun
nur mit, insofern sie befehligt werden von Römern.

Die alte, furchtbar strenge Kriegszucht blieb unverändert. Nach wie vor
war es dem Feldherrn gestattet, jedem in seinem Lager dienenden Manne den
Kopf vor die Füße zu legen und den Stabsoffizier so gut wie den gemeinen
Soldaten mit Ruthen schlagen zu lassen. Auch wurden Körperstrafen nicht
blos wegen gemeiner Verbrechen erkannt, sondern auch wenn sich z. B. ein Offizier
erlaubt hatte, von dem ertheilten Befehle abzuweichen, wenn eine Abtheilung
sich hatte überrumpeln lassen oder vom Schlachtfelde gewichen war.**)

Je lebendiger man sich diese Gleichheit der Führer und der Mannschaft
dem Feldherrn gegenüber vorstellt, je mehr man sich vergegenwärtigt, wie anch
der gemeine Legionär sich als freier Bürger fühlte, um so befremdlicher muß
die Stellung erscheinen, welche einer solchen Infanterie gegenüber die Reiterei
einnimmt. In ihren Händen liegt die ganze Kontrolle des Wachtdienstes. Ein
einfacher squW mit seinen a-alvi begeht die Posten, rapportirt darüber, und
auf seine Meldung wird die etwa nothwendige Strafe verfügt. Aber noch
mehr: die Zelte der Reiter liegeu in der Hauptlagergasse, die betreffenden
Stallungen dahinter. Der römische s-znss hat jedoch keinen Stalldienst bei
seinem eigenen Pferde, sondern dieser wird von den Triariern geleistet, welche
hinter ihm nach den beiden nächsten Lagergassen hin liegen. Die Elite der
Infanterie liefert also, so zu sagen, die Stalljungen der Kavallerie, und zwar
einer Kavallerie, deren taktische Leistungen denen des Fußvolks gegenüber sehr
schwach waren. Ein solches Verhältniß läßt sich nur aus sozialen Beziehun¬
gen erklären. Einmal spielte wohl der altgewohnte Respekt vor dem Adel und
dem Reichthums der ocMws seine Rolle; dann aber darf man nicht vergessen,
daß die Reiterei wesentlich aus den Söhnen der senatorischen Familien be¬
stand, zu denen der kleine Mann immer noch in einer Art von Klientel stand,
namentlich hinsichtlich seiner Abhängigkeit von dem juristischen Beirathe der




*) Mommsen a. a. O-
**) Nitzsch und Mommsen a. a. O>
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[0250] sahrenen Leute sich im Triarierkvrps zusammenfanden, das an Zahl schwach, doch an Einfluß auf Ton und Geist des Heeres mächtig war.*) Ohne höheren Sold, ohne eine glänzendere Waffe, ist diese Veteranenreserve der entschiedenste Ausdruck des Römerthums. Die ganze Staats- und Heereseinrichtung ist darauf berechnet, daß die Grundschicht der römischen Bauerschaft immer vor¬ handen und immer ausgiebig sei an ungeschwächter Willfährigkeit und Zuver¬ lässigkeit für den Dienst im Heere. Denn in ihr entspringt der Quell der kriegerischen Machtfülle der großen Republik. Wie groß auch die Masse der Bundesgenossen sei: sie stehen doch immer nur neben den Legionen; sie thun nur mit, insofern sie befehligt werden von Römern. Die alte, furchtbar strenge Kriegszucht blieb unverändert. Nach wie vor war es dem Feldherrn gestattet, jedem in seinem Lager dienenden Manne den Kopf vor die Füße zu legen und den Stabsoffizier so gut wie den gemeinen Soldaten mit Ruthen schlagen zu lassen. Auch wurden Körperstrafen nicht blos wegen gemeiner Verbrechen erkannt, sondern auch wenn sich z. B. ein Offizier erlaubt hatte, von dem ertheilten Befehle abzuweichen, wenn eine Abtheilung sich hatte überrumpeln lassen oder vom Schlachtfelde gewichen war.**) Je lebendiger man sich diese Gleichheit der Führer und der Mannschaft dem Feldherrn gegenüber vorstellt, je mehr man sich vergegenwärtigt, wie anch der gemeine Legionär sich als freier Bürger fühlte, um so befremdlicher muß die Stellung erscheinen, welche einer solchen Infanterie gegenüber die Reiterei einnimmt. In ihren Händen liegt die ganze Kontrolle des Wachtdienstes. Ein einfacher squW mit seinen a-alvi begeht die Posten, rapportirt darüber, und auf seine Meldung wird die etwa nothwendige Strafe verfügt. Aber noch mehr: die Zelte der Reiter liegeu in der Hauptlagergasse, die betreffenden Stallungen dahinter. Der römische s-znss hat jedoch keinen Stalldienst bei seinem eigenen Pferde, sondern dieser wird von den Triariern geleistet, welche hinter ihm nach den beiden nächsten Lagergassen hin liegen. Die Elite der Infanterie liefert also, so zu sagen, die Stalljungen der Kavallerie, und zwar einer Kavallerie, deren taktische Leistungen denen des Fußvolks gegenüber sehr schwach waren. Ein solches Verhältniß läßt sich nur aus sozialen Beziehun¬ gen erklären. Einmal spielte wohl der altgewohnte Respekt vor dem Adel und dem Reichthums der ocMws seine Rolle; dann aber darf man nicht vergessen, daß die Reiterei wesentlich aus den Söhnen der senatorischen Familien be¬ stand, zu denen der kleine Mann immer noch in einer Art von Klientel stand, namentlich hinsichtlich seiner Abhängigkeit von dem juristischen Beirathe der *) Mommsen a. a. O- **) Nitzsch und Mommsen a. a. O>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/250>, abgerufen am 03.07.2024.