Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.drucks sein, mit welchem eine sorglose, despotische Negierung, durch eigennützige, Die Haupterzeugnisse der Insel, welche durch den Handel allsgeführt Seit der Eroberung der meist so blühenden und vielbegehrten Insel durch Nach jetzt veröffentlichten britischen Konsularberichten hat die Türkei in drucks sein, mit welchem eine sorglose, despotische Negierung, durch eigennützige, Die Haupterzeugnisse der Insel, welche durch den Handel allsgeführt Seit der Eroberung der meist so blühenden und vielbegehrten Insel durch Nach jetzt veröffentlichten britischen Konsularberichten hat die Türkei in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140549"/> <p xml:id="ID_608" prev="#ID_607"> drucks sein, mit welchem eine sorglose, despotische Negierung, durch eigennützige,<lb/> unfähige Beamte vertreten, seit Jahrhunderten Ackerbau und Handel belastet<lb/> hat, ohne ihrerseits je das Mindeste für deren Unterstützung und Hebung zu<lb/> thun. Die Engländer haben hier einen Augiasstall zu räumen, aber es werden<lb/> noch Jahre vergehen müssen, ehe die Folgen der neuen Herrschaft sich bemerk¬<lb/> bar machen können. Die Mißernten, eine Folge großer Trockenheit, werden<lb/> sich nicht gleich beseitigen lassen, denn die Trockenheit ist wieder die Folge der<lb/> türkischen Waldvcrwüstung, und zur Anfforstuug der Gebirge bedarf man der<lb/> Zeit. Wenn anch im Winter häufige und nicht selten anhaltende Regen fallen,<lb/> so dörrt doch die Gluth der Sonne den unbeschützten Boden zu schnell wieder<lb/> aus, und die geringe Wassermenge, welche in den Flüssen vom Gebirge herab-<lb/> kommt, erreicht während der wärmeren Jahreszeit selten oder nie die Küste,<lb/> so daß in den tiefer gelegenen Theilen der Insel die Klage über Wassermangel<lb/> eine allgemeine ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_609"> Die Haupterzeugnisse der Insel, welche durch den Handel allsgeführt<lb/> werden, sind: Wein, Johannisbrot, Krapp, der besonders hochgeschätzt wird,<lb/> Seide, Wolle, Baumwolle, sowie Schaf-, Kuh- und Ziegenhäute. Rosinen,<lb/> Käse, Branntwein, Pech und Harz kommen nur in geringen Mengen zum<lb/> Export. Auf der ganzen Insel wird die Feldwirthschaft nur in der einfachsten,<lb/> von den Vorfahren überkommenen Weise betrieben. Eine Düngung findet gar<lb/> nicht statt, da es an dem nöthigen Vichstcmde fehlt. Man läßt die Felder nur<lb/> abwechselnd brach liegen und bedient sich eines Pfluges, der aus wenig mehr<lb/> als einem zweischenkligen Baumstämme besteht, welcher am einen Schenkel ein<lb/> spitzes Eisen trägt, während vor den anderen die Zugthiere gespannt sind. Von<lb/> Cerealien werden vorzugsweise Weizen und Gerste gebaut.</p><lb/> <p xml:id="ID_610"> Seit der Eroberung der meist so blühenden und vielbegehrten Insel durch<lb/> die Türken ist der Wohlstand derselben und dem entsprechend die Zahl der Be¬<lb/> wohner fortwährend zurückgegangen, so daß letztere zur Zeit nur noch 100,000<lb/> betrügt (der gleichgroße Regierungsbezirk Cassel hat 8!>0,000 Bewohner), von<lb/> denen der größte Theil der griechischen Kirche angehört. Armenische und<lb/> römisch-katholische Christen sind nur in geringer Zahl vorhanden, und auch die<lb/> Mohammedaner sind, einige wenige Orte ausgenommen, schwach vertreten. Die<lb/> Lebensweise der Bewohner ist, wie die Ballart ihrer Hänser, durchgängig über¬<lb/> aus einfach, ja auf dem Lande geradezu meist ärmlich. Da es nirgends Gast¬<lb/> höfe giebt, so ist der Reisende durchweg auf Gastfreundschaft angewiesen, die<lb/> gerne und liebenswürdig gewährt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_611" next="#ID_612"> Nach jetzt veröffentlichten britischen Konsularberichten hat die Türkei in<lb/> dem im März 1870 endigenden Finanzjahr 20,000,000 Pias aus der Insel<lb/> gezogen. Diese ganze Summe ging nach Konstantinopel; für die Bedürfnisse</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0198]
drucks sein, mit welchem eine sorglose, despotische Negierung, durch eigennützige,
unfähige Beamte vertreten, seit Jahrhunderten Ackerbau und Handel belastet
hat, ohne ihrerseits je das Mindeste für deren Unterstützung und Hebung zu
thun. Die Engländer haben hier einen Augiasstall zu räumen, aber es werden
noch Jahre vergehen müssen, ehe die Folgen der neuen Herrschaft sich bemerk¬
bar machen können. Die Mißernten, eine Folge großer Trockenheit, werden
sich nicht gleich beseitigen lassen, denn die Trockenheit ist wieder die Folge der
türkischen Waldvcrwüstung, und zur Anfforstuug der Gebirge bedarf man der
Zeit. Wenn anch im Winter häufige und nicht selten anhaltende Regen fallen,
so dörrt doch die Gluth der Sonne den unbeschützten Boden zu schnell wieder
aus, und die geringe Wassermenge, welche in den Flüssen vom Gebirge herab-
kommt, erreicht während der wärmeren Jahreszeit selten oder nie die Küste,
so daß in den tiefer gelegenen Theilen der Insel die Klage über Wassermangel
eine allgemeine ist.
Die Haupterzeugnisse der Insel, welche durch den Handel allsgeführt
werden, sind: Wein, Johannisbrot, Krapp, der besonders hochgeschätzt wird,
Seide, Wolle, Baumwolle, sowie Schaf-, Kuh- und Ziegenhäute. Rosinen,
Käse, Branntwein, Pech und Harz kommen nur in geringen Mengen zum
Export. Auf der ganzen Insel wird die Feldwirthschaft nur in der einfachsten,
von den Vorfahren überkommenen Weise betrieben. Eine Düngung findet gar
nicht statt, da es an dem nöthigen Vichstcmde fehlt. Man läßt die Felder nur
abwechselnd brach liegen und bedient sich eines Pfluges, der aus wenig mehr
als einem zweischenkligen Baumstämme besteht, welcher am einen Schenkel ein
spitzes Eisen trägt, während vor den anderen die Zugthiere gespannt sind. Von
Cerealien werden vorzugsweise Weizen und Gerste gebaut.
Seit der Eroberung der meist so blühenden und vielbegehrten Insel durch
die Türken ist der Wohlstand derselben und dem entsprechend die Zahl der Be¬
wohner fortwährend zurückgegangen, so daß letztere zur Zeit nur noch 100,000
betrügt (der gleichgroße Regierungsbezirk Cassel hat 8!>0,000 Bewohner), von
denen der größte Theil der griechischen Kirche angehört. Armenische und
römisch-katholische Christen sind nur in geringer Zahl vorhanden, und auch die
Mohammedaner sind, einige wenige Orte ausgenommen, schwach vertreten. Die
Lebensweise der Bewohner ist, wie die Ballart ihrer Hänser, durchgängig über¬
aus einfach, ja auf dem Lande geradezu meist ärmlich. Da es nirgends Gast¬
höfe giebt, so ist der Reisende durchweg auf Gastfreundschaft angewiesen, die
gerne und liebenswürdig gewährt wird.
Nach jetzt veröffentlichten britischen Konsularberichten hat die Türkei in
dem im März 1870 endigenden Finanzjahr 20,000,000 Pias aus der Insel
gezogen. Diese ganze Summe ging nach Konstantinopel; für die Bedürfnisse
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