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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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auch einen Gott mißfälligen Eifer, wie Paulus vor seiner Bekehrung gehabt hätte.
Zum dritten und vierten Mal replizirten die Stände, und der Kurfürst ließ
sich herbei, einen schriftlichen Revers auszustellen, daß jeder im Lande lutherisch
oder reformirt sein oder bleiben könne, wie er wolle. Nirgend in Städten,
Kommunen oder Dörfern, auch nicht wo der Kurfürst das Patronatsrecht habe,
solle einer Gemeinde ein verdächtiger oder unannehmlicher Prediger wider
ihren Willen aufgedrungen werden.

Trotzdem erregte der Uebertritt des Kurfürsten einen Sturm von Unwillen,
angefacht besonders durch den lutherischen Dompropst Gebiete in Berlin, der
sich in Schmähungen über den Kurfürsten erging. Dieser ließ dagegen nur
durch den Amtshauptmann Knesebeck eine Vermahnung über die Pflichten der
Unterthanen gegen ihre Obrigkeit schreiben, in welcher er mahnt: "Beurtheile
Deines Landesfürsten Thun und Vorhaben nicht eher bis Du es recht unter¬
suchet hast und bis dahin enthalte Dich allen Urtheilens; zwinge Dein Maul, daß
Du dem Fürsten Deines Landes nicht stündest, noch lästerst, noch Böses anwünschest,
entziehe Dich nicht seinem Gehorsam; erbitte ihm von Gott zeitliche, geistliche
und ewige Wohlfahrt." Als des Lästerns auf den Kanzeln immer mehr ward,
berief der Kurfürst die hervorragendsten Geistlichen des Landes zu einem
Kollegium, an welchem er selbst theilnahm und worin er sich bereit erklärte, sofern
er aus Gottes Wort eiues einzigen Irrthums in seinem reformirten Glauben
überführt werde, von derselben Stunde an abzutreten. Nach langen Verhandlungen
versprachen Alle, sich friedlich zu halten, doch fingen die hitzigen Predigten bald
wieder an. Als aber der Kurfürst im April 1615 aus der Domkirche, der
einzigen, welche er als seine eigene für den reformirten Gottesdienst gefordert
hatte, einige Bilder und Seitenaltäre, welche aus katholischer Zeit darin ver¬
blieben waren, wegräumen ließ, entstand ein furchtbarer Auflauf in Berlin
durch die aufreizende Predigt eines Diakonus in der Petrikirche. Die Sturm¬
glocken wurden geläutet. Des Kurfürsten Bruder, der den Lärm beruhigen
wollte, wurde mit Steinen geworfen; das Haus des Hospredigers Füssel wurde
von der aufgeregten Menge zerstört. -- Ebenso unduldsam war die lutherische
Bevölkerung im Herzogthum Preußen. Nur hatten die Unduldsamen hier noch
einen Rückhalt an dem König von Polen, der so weit ging, als Lehnsherr
Ordnungen und Befehle des Kurfürsten aufzuheben. Als der Kurfürst 1017
uach Königsberg kam und am ersten Osterfeiertag in seinem Gemach von
seinem reformirten Hofprediger, den er mitgebracht hatte, das heilige Abendmahl
sich reichen ließ, predigte am zweiten Feiertag in der Schloßkirche der lutherische
Hofprediger Behm über Amos 8, 7: "Ich will eure Feiertage in Trauer und
eure Lieder in Wehklagen verwandeln" und machte dabei die heftigsten Ausfälle
über die ealvinische Rotte, die gestrigen Tags ihr ealvinisches Brodbrechen


auch einen Gott mißfälligen Eifer, wie Paulus vor seiner Bekehrung gehabt hätte.
Zum dritten und vierten Mal replizirten die Stände, und der Kurfürst ließ
sich herbei, einen schriftlichen Revers auszustellen, daß jeder im Lande lutherisch
oder reformirt sein oder bleiben könne, wie er wolle. Nirgend in Städten,
Kommunen oder Dörfern, auch nicht wo der Kurfürst das Patronatsrecht habe,
solle einer Gemeinde ein verdächtiger oder unannehmlicher Prediger wider
ihren Willen aufgedrungen werden.

Trotzdem erregte der Uebertritt des Kurfürsten einen Sturm von Unwillen,
angefacht besonders durch den lutherischen Dompropst Gebiete in Berlin, der
sich in Schmähungen über den Kurfürsten erging. Dieser ließ dagegen nur
durch den Amtshauptmann Knesebeck eine Vermahnung über die Pflichten der
Unterthanen gegen ihre Obrigkeit schreiben, in welcher er mahnt: „Beurtheile
Deines Landesfürsten Thun und Vorhaben nicht eher bis Du es recht unter¬
suchet hast und bis dahin enthalte Dich allen Urtheilens; zwinge Dein Maul, daß
Du dem Fürsten Deines Landes nicht stündest, noch lästerst, noch Böses anwünschest,
entziehe Dich nicht seinem Gehorsam; erbitte ihm von Gott zeitliche, geistliche
und ewige Wohlfahrt." Als des Lästerns auf den Kanzeln immer mehr ward,
berief der Kurfürst die hervorragendsten Geistlichen des Landes zu einem
Kollegium, an welchem er selbst theilnahm und worin er sich bereit erklärte, sofern
er aus Gottes Wort eiues einzigen Irrthums in seinem reformirten Glauben
überführt werde, von derselben Stunde an abzutreten. Nach langen Verhandlungen
versprachen Alle, sich friedlich zu halten, doch fingen die hitzigen Predigten bald
wieder an. Als aber der Kurfürst im April 1615 aus der Domkirche, der
einzigen, welche er als seine eigene für den reformirten Gottesdienst gefordert
hatte, einige Bilder und Seitenaltäre, welche aus katholischer Zeit darin ver¬
blieben waren, wegräumen ließ, entstand ein furchtbarer Auflauf in Berlin
durch die aufreizende Predigt eines Diakonus in der Petrikirche. Die Sturm¬
glocken wurden geläutet. Des Kurfürsten Bruder, der den Lärm beruhigen
wollte, wurde mit Steinen geworfen; das Haus des Hospredigers Füssel wurde
von der aufgeregten Menge zerstört. — Ebenso unduldsam war die lutherische
Bevölkerung im Herzogthum Preußen. Nur hatten die Unduldsamen hier noch
einen Rückhalt an dem König von Polen, der so weit ging, als Lehnsherr
Ordnungen und Befehle des Kurfürsten aufzuheben. Als der Kurfürst 1017
uach Königsberg kam und am ersten Osterfeiertag in seinem Gemach von
seinem reformirten Hofprediger, den er mitgebracht hatte, das heilige Abendmahl
sich reichen ließ, predigte am zweiten Feiertag in der Schloßkirche der lutherische
Hofprediger Behm über Amos 8, 7: „Ich will eure Feiertage in Trauer und
eure Lieder in Wehklagen verwandeln" und machte dabei die heftigsten Ausfälle
über die ealvinische Rotte, die gestrigen Tags ihr ealvinisches Brodbrechen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/183>, abgerufen am 22.07.2024.