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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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erfülle uns mit Haß gegen die Calvinisten." -- Auch im Herzogthum Preußen
war man den Reformirten nicht günstig, Luther hatte dem Herzog Albrecht
gerathen, sie in seinem Lande nicht zu dulden. Unter dem blöden Sohn des
Herzog Albrecht that der lutherische Prediger Tilemann Hesshusins die Refor¬
mirten öffentlich in den großen Bann und übergab sie und Alle, die ihnen zu
essen oder zu trinken gäben, dein Satan. Inzwischen hatte Johann Sigismund
selbst den Reformirten sich zugewandt. Jahre lang hatte er die Sache mit sich
herumgetragen; nun ließ er sein ausführliches Glaubensbekenntniß veröffent¬
lichen. Den Landständen schrieb er: "Das ist unser Glaube und Konfession
von den streitigen Religionsartikeln, denen wir allbereits vor 8 Jahren und
länger zugethan gewesen, die wir aus den Brunnen Jsraeli's, ohne einiges
Menschen Zuthun oder Persuasion (wie wir dessen Gott zum Zeugen an-
rufen) geschöpft und die wir öffentlich zu bekennen gezwungen werden, dabei
wir auch bis an unser Ende standhaftig zu verharren und fröhlich
und getrost vor dem Richterstuhl Christi zu erscheinen gedenken." Er
hatte zuvor alle Geistlichen Berlin's ins Schloß beschieden und durch seineu
Kanzler ihnen mitgetheilt, daß er an Keines Gewissen sich vergreifen werde;
andrerseits wäre aber auch recht, daß nicht die Unterthanen ihrer Obrigkeit
den Glauben vorschrieben. Die Geistlichen erinnerten den Kurfürsten an seinen
Revers. Der Kurfürst erwiederte, er erinnere sich dessen sehr wohl, weil er
sich aber versichert halte, daß in Gottes Sachen keine Reverse gälten, auch sein
Großvater Joachim II. und dessen Bruder, ihren Ehren und Treuen unbeschadet,
sich an solche selbst eidliche Versprechung uicht gebunden hätten, so habe er sich
anch, nachdem er in seinem Gewissen eines Andern überzeugt worden, nicht
verbunden zu sein erachtet, bei solchem ausgestellten Reverse zu bleiben. Am
25. Dezember 1K13 nahm der Kurfürst mit seinem Bruder Johann Georg und
einer Zahl hoher Beamten das heilige Mahl ans den Händen der beiden
Hofprediger Füssel und Finck. Die Kurfürstin blieb beim lutherischen Glanben
und ihrem Widerwillen gegen die reformirte Religion, den sie in ihrer Leichen¬
rede zu erwähnen besonders verordnete. Auch die Landstände hatten den Kur¬
fürsten von seinem Vorhaben vorher abgemahnt. Er antwortete ihnen drei
Monate nach seinem Uebertritt und versprach auch ihnen, sie in ihrem Gewissen
unbeirrt und in ihrer Religion ungekränkt zu lassen. Auch ihnen gegenüber
verantwortete er sich wegen des ehemals ausgestellten Reverses. "Was für eine
unverantwortliche Sünde wäre es, wenn wir dem heiligen Geist alle Zugänge,
Thür und Thor durch Reverse versperren wollten, sein Werk in uns zu ver¬
richten und uns zu weiterer Erkenntniß in der göttlichen Wahrheit seines
Wortes zu bringen." Als die Stände nochmals vorstellig wurden, sagte er
ihnen, daß es nicht genng sei, Eifer für die Religion zu haben, denn es gäbe


erfülle uns mit Haß gegen die Calvinisten." — Auch im Herzogthum Preußen
war man den Reformirten nicht günstig, Luther hatte dem Herzog Albrecht
gerathen, sie in seinem Lande nicht zu dulden. Unter dem blöden Sohn des
Herzog Albrecht that der lutherische Prediger Tilemann Hesshusins die Refor¬
mirten öffentlich in den großen Bann und übergab sie und Alle, die ihnen zu
essen oder zu trinken gäben, dein Satan. Inzwischen hatte Johann Sigismund
selbst den Reformirten sich zugewandt. Jahre lang hatte er die Sache mit sich
herumgetragen; nun ließ er sein ausführliches Glaubensbekenntniß veröffent¬
lichen. Den Landständen schrieb er: „Das ist unser Glaube und Konfession
von den streitigen Religionsartikeln, denen wir allbereits vor 8 Jahren und
länger zugethan gewesen, die wir aus den Brunnen Jsraeli's, ohne einiges
Menschen Zuthun oder Persuasion (wie wir dessen Gott zum Zeugen an-
rufen) geschöpft und die wir öffentlich zu bekennen gezwungen werden, dabei
wir auch bis an unser Ende standhaftig zu verharren und fröhlich
und getrost vor dem Richterstuhl Christi zu erscheinen gedenken." Er
hatte zuvor alle Geistlichen Berlin's ins Schloß beschieden und durch seineu
Kanzler ihnen mitgetheilt, daß er an Keines Gewissen sich vergreifen werde;
andrerseits wäre aber auch recht, daß nicht die Unterthanen ihrer Obrigkeit
den Glauben vorschrieben. Die Geistlichen erinnerten den Kurfürsten an seinen
Revers. Der Kurfürst erwiederte, er erinnere sich dessen sehr wohl, weil er
sich aber versichert halte, daß in Gottes Sachen keine Reverse gälten, auch sein
Großvater Joachim II. und dessen Bruder, ihren Ehren und Treuen unbeschadet,
sich an solche selbst eidliche Versprechung uicht gebunden hätten, so habe er sich
anch, nachdem er in seinem Gewissen eines Andern überzeugt worden, nicht
verbunden zu sein erachtet, bei solchem ausgestellten Reverse zu bleiben. Am
25. Dezember 1K13 nahm der Kurfürst mit seinem Bruder Johann Georg und
einer Zahl hoher Beamten das heilige Mahl ans den Händen der beiden
Hofprediger Füssel und Finck. Die Kurfürstin blieb beim lutherischen Glanben
und ihrem Widerwillen gegen die reformirte Religion, den sie in ihrer Leichen¬
rede zu erwähnen besonders verordnete. Auch die Landstände hatten den Kur¬
fürsten von seinem Vorhaben vorher abgemahnt. Er antwortete ihnen drei
Monate nach seinem Uebertritt und versprach auch ihnen, sie in ihrem Gewissen
unbeirrt und in ihrer Religion ungekränkt zu lassen. Auch ihnen gegenüber
verantwortete er sich wegen des ehemals ausgestellten Reverses. „Was für eine
unverantwortliche Sünde wäre es, wenn wir dem heiligen Geist alle Zugänge,
Thür und Thor durch Reverse versperren wollten, sein Werk in uns zu ver¬
richten und uns zu weiterer Erkenntniß in der göttlichen Wahrheit seines
Wortes zu bringen." Als die Stände nochmals vorstellig wurden, sagte er
ihnen, daß es nicht genng sei, Eifer für die Religion zu haben, denn es gäbe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/182>, abgerufen am 22.07.2024.