Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der grauen Mönche ans dein Münchenhvf und zerstörte auch in den städtischen
Kirchen die Nebenaltäre. Römischgesiunte wurden auf den Straßen verhöhnt.
Als Albrecht davon hörte, schrieb er sofort an seinen Bischof Potenz, der
die Regentschaft führte, er solle jedem Auflauf und jeder Gewaltthat vorbeugen;
Niemand solle um seines Glaubens willen gekränkt werden. Mit Vorsicht und
Milde ganz im Sinne des Fürsten wurde nun die Reformation eingeführt. --
Anders ging es in der Mark Brandenburg. Kurfürst Joachim I. war verletzt
dnrch das schroffe Auftreten Luther's im Ablaßhandel gegen seinen Bruder,
den Erzbischof von Mainz. Als seiue eigene Gemahlin Elisabeth, die dänische
Königstochter, gegen das strenge Gebot ihres Gemahls heimlich zur evangelischen
Kirche übertrat, bedrohte er ihr Leben, so daß sie entfloh. Unversöhnt mit
seiner Gemahlin und der neuen Lehre starb der Kurfürst 1535, der letzte
katholische Hohenzoller. -- Seine Söhne waren schon seit Jahren im Herzen
dem evangelischen Glauben zugethan; feierlich holten sie ihre Mutter zurück.
Zur Regierung gekommen, ließ Joachim II. dem göttlichen Wort seinen Lauf.
Vier Jahre nach seinem Regierungsantritt empfing er selbst mit seinem Bruder
trotz dem Revers, den sie einst unterschrieben hatten, das Abendmahl in beiderlei
Gestalt. Ohne Gewaltthat vollzog sich die Reformation in der Mark. Doch
nicht lange währte der religiöse Friede. Nach dem unglücklichen Ausgang des
schmalkcildischen Krieges ordnete ein kaiserliches Reichsgesetz, wie es bis zum
Austrag des Kouzils mit der Religion solle gehalten werden. Dieses Interim
machte den Evangelischen schwere Bedenken, als dein Glanben und Bestand
ihrer Kirche gefährlich. Der Bruder des Kurfürsten, Johann von Küstrin,
verweigerte seine Unterschrift dazu mit den Worten: "Lieber Blut, als Tinte."
Der Kurfürst, dessen Hofprediger Agrikola des Interim mit abgefaßt hatte, suchte
es in der Mark einzuführen, scheiterte aber an dem Widerstand der Geist¬
lichen und dem Spott des Volkes, das höhnend sang: "Das Interim, das Interim,
das hat den Schalken hinter ihm," Zu Gewaltmaßregeln griff der Kurfürst nicht,
während in Süddeutschland und in Sachsen Hunderte von Geistlichen ihres
Amtes entsetzt wurden. Erst der Religionsfriede von Augsburg 1555 regelte
das Verhältniß der Katholiken und Protestanten in Deutschland.

Neue religiöse Schwierigkeiten entstanden für das Haus der Hohenzollern
1613 durch den Uebertritt Kurfürst Johann Sigismund's von der lutherischen
zur reformirten Kirche. Lutheraner und Reformirte oder Calvinisten, wie man
sie zu nennen pflegte, standen damals einander fast noch schroffer gegenüber
als Katholiken und Protestanten. Kein Reformirter konnte in Brandenburg
ein öffentliches Amt erhalten. Calvinistische Bücher zu verlausen war bei
Leibesstrafe verboten. Der Kanzler des Kurfürsten Johann Georg hatte die
Instruktion für die Deputation einer Synode mit den Worten geschlossen: "Gott


der grauen Mönche ans dein Münchenhvf und zerstörte auch in den städtischen
Kirchen die Nebenaltäre. Römischgesiunte wurden auf den Straßen verhöhnt.
Als Albrecht davon hörte, schrieb er sofort an seinen Bischof Potenz, der
die Regentschaft führte, er solle jedem Auflauf und jeder Gewaltthat vorbeugen;
Niemand solle um seines Glaubens willen gekränkt werden. Mit Vorsicht und
Milde ganz im Sinne des Fürsten wurde nun die Reformation eingeführt. —
Anders ging es in der Mark Brandenburg. Kurfürst Joachim I. war verletzt
dnrch das schroffe Auftreten Luther's im Ablaßhandel gegen seinen Bruder,
den Erzbischof von Mainz. Als seiue eigene Gemahlin Elisabeth, die dänische
Königstochter, gegen das strenge Gebot ihres Gemahls heimlich zur evangelischen
Kirche übertrat, bedrohte er ihr Leben, so daß sie entfloh. Unversöhnt mit
seiner Gemahlin und der neuen Lehre starb der Kurfürst 1535, der letzte
katholische Hohenzoller. — Seine Söhne waren schon seit Jahren im Herzen
dem evangelischen Glauben zugethan; feierlich holten sie ihre Mutter zurück.
Zur Regierung gekommen, ließ Joachim II. dem göttlichen Wort seinen Lauf.
Vier Jahre nach seinem Regierungsantritt empfing er selbst mit seinem Bruder
trotz dem Revers, den sie einst unterschrieben hatten, das Abendmahl in beiderlei
Gestalt. Ohne Gewaltthat vollzog sich die Reformation in der Mark. Doch
nicht lange währte der religiöse Friede. Nach dem unglücklichen Ausgang des
schmalkcildischen Krieges ordnete ein kaiserliches Reichsgesetz, wie es bis zum
Austrag des Kouzils mit der Religion solle gehalten werden. Dieses Interim
machte den Evangelischen schwere Bedenken, als dein Glanben und Bestand
ihrer Kirche gefährlich. Der Bruder des Kurfürsten, Johann von Küstrin,
verweigerte seine Unterschrift dazu mit den Worten: „Lieber Blut, als Tinte."
Der Kurfürst, dessen Hofprediger Agrikola des Interim mit abgefaßt hatte, suchte
es in der Mark einzuführen, scheiterte aber an dem Widerstand der Geist¬
lichen und dem Spott des Volkes, das höhnend sang: „Das Interim, das Interim,
das hat den Schalken hinter ihm," Zu Gewaltmaßregeln griff der Kurfürst nicht,
während in Süddeutschland und in Sachsen Hunderte von Geistlichen ihres
Amtes entsetzt wurden. Erst der Religionsfriede von Augsburg 1555 regelte
das Verhältniß der Katholiken und Protestanten in Deutschland.

Neue religiöse Schwierigkeiten entstanden für das Haus der Hohenzollern
1613 durch den Uebertritt Kurfürst Johann Sigismund's von der lutherischen
zur reformirten Kirche. Lutheraner und Reformirte oder Calvinisten, wie man
sie zu nennen pflegte, standen damals einander fast noch schroffer gegenüber
als Katholiken und Protestanten. Kein Reformirter konnte in Brandenburg
ein öffentliches Amt erhalten. Calvinistische Bücher zu verlausen war bei
Leibesstrafe verboten. Der Kanzler des Kurfürsten Johann Georg hatte die
Instruktion für die Deputation einer Synode mit den Worten geschlossen: „Gott


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140532"/>
          <p xml:id="ID_558" prev="#ID_557"> der grauen Mönche ans dein Münchenhvf und zerstörte auch in den städtischen<lb/>
Kirchen die Nebenaltäre. Römischgesiunte wurden auf den Straßen verhöhnt.<lb/>
Als Albrecht davon hörte, schrieb er sofort an seinen Bischof Potenz, der<lb/>
die Regentschaft führte, er solle jedem Auflauf und jeder Gewaltthat vorbeugen;<lb/>
Niemand solle um seines Glaubens willen gekränkt werden. Mit Vorsicht und<lb/>
Milde ganz im Sinne des Fürsten wurde nun die Reformation eingeführt. &#x2014;<lb/>
Anders ging es in der Mark Brandenburg. Kurfürst Joachim I. war verletzt<lb/>
dnrch das schroffe Auftreten Luther's im Ablaßhandel gegen seinen Bruder,<lb/>
den Erzbischof von Mainz. Als seiue eigene Gemahlin Elisabeth, die dänische<lb/>
Königstochter, gegen das strenge Gebot ihres Gemahls heimlich zur evangelischen<lb/>
Kirche übertrat, bedrohte er ihr Leben, so daß sie entfloh. Unversöhnt mit<lb/>
seiner Gemahlin und der neuen Lehre starb der Kurfürst 1535, der letzte<lb/>
katholische Hohenzoller. &#x2014; Seine Söhne waren schon seit Jahren im Herzen<lb/>
dem evangelischen Glauben zugethan; feierlich holten sie ihre Mutter zurück.<lb/>
Zur Regierung gekommen, ließ Joachim II. dem göttlichen Wort seinen Lauf.<lb/>
Vier Jahre nach seinem Regierungsantritt empfing er selbst mit seinem Bruder<lb/>
trotz dem Revers, den sie einst unterschrieben hatten, das Abendmahl in beiderlei<lb/>
Gestalt. Ohne Gewaltthat vollzog sich die Reformation in der Mark. Doch<lb/>
nicht lange währte der religiöse Friede. Nach dem unglücklichen Ausgang des<lb/>
schmalkcildischen Krieges ordnete ein kaiserliches Reichsgesetz, wie es bis zum<lb/>
Austrag des Kouzils mit der Religion solle gehalten werden. Dieses Interim<lb/>
machte den Evangelischen schwere Bedenken, als dein Glanben und Bestand<lb/>
ihrer Kirche gefährlich. Der Bruder des Kurfürsten, Johann von Küstrin,<lb/>
verweigerte seine Unterschrift dazu mit den Worten: &#x201E;Lieber Blut, als Tinte."<lb/>
Der Kurfürst, dessen Hofprediger Agrikola des Interim mit abgefaßt hatte, suchte<lb/>
es in der Mark einzuführen, scheiterte aber an dem Widerstand der Geist¬<lb/>
lichen und dem Spott des Volkes, das höhnend sang: &#x201E;Das Interim, das Interim,<lb/>
das hat den Schalken hinter ihm," Zu Gewaltmaßregeln griff der Kurfürst nicht,<lb/>
während in Süddeutschland und in Sachsen Hunderte von Geistlichen ihres<lb/>
Amtes entsetzt wurden. Erst der Religionsfriede von Augsburg 1555 regelte<lb/>
das Verhältniß der Katholiken und Protestanten in Deutschland.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_559" next="#ID_560"> Neue religiöse Schwierigkeiten entstanden für das Haus der Hohenzollern<lb/>
1613 durch den Uebertritt Kurfürst Johann Sigismund's von der lutherischen<lb/>
zur reformirten Kirche. Lutheraner und Reformirte oder Calvinisten, wie man<lb/>
sie zu nennen pflegte, standen damals einander fast noch schroffer gegenüber<lb/>
als Katholiken und Protestanten. Kein Reformirter konnte in Brandenburg<lb/>
ein öffentliches Amt erhalten. Calvinistische Bücher zu verlausen war bei<lb/>
Leibesstrafe verboten. Der Kanzler des Kurfürsten Johann Georg hatte die<lb/>
Instruktion für die Deputation einer Synode mit den Worten geschlossen: &#x201E;Gott</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0181] der grauen Mönche ans dein Münchenhvf und zerstörte auch in den städtischen Kirchen die Nebenaltäre. Römischgesiunte wurden auf den Straßen verhöhnt. Als Albrecht davon hörte, schrieb er sofort an seinen Bischof Potenz, der die Regentschaft führte, er solle jedem Auflauf und jeder Gewaltthat vorbeugen; Niemand solle um seines Glaubens willen gekränkt werden. Mit Vorsicht und Milde ganz im Sinne des Fürsten wurde nun die Reformation eingeführt. — Anders ging es in der Mark Brandenburg. Kurfürst Joachim I. war verletzt dnrch das schroffe Auftreten Luther's im Ablaßhandel gegen seinen Bruder, den Erzbischof von Mainz. Als seiue eigene Gemahlin Elisabeth, die dänische Königstochter, gegen das strenge Gebot ihres Gemahls heimlich zur evangelischen Kirche übertrat, bedrohte er ihr Leben, so daß sie entfloh. Unversöhnt mit seiner Gemahlin und der neuen Lehre starb der Kurfürst 1535, der letzte katholische Hohenzoller. — Seine Söhne waren schon seit Jahren im Herzen dem evangelischen Glauben zugethan; feierlich holten sie ihre Mutter zurück. Zur Regierung gekommen, ließ Joachim II. dem göttlichen Wort seinen Lauf. Vier Jahre nach seinem Regierungsantritt empfing er selbst mit seinem Bruder trotz dem Revers, den sie einst unterschrieben hatten, das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Ohne Gewaltthat vollzog sich die Reformation in der Mark. Doch nicht lange währte der religiöse Friede. Nach dem unglücklichen Ausgang des schmalkcildischen Krieges ordnete ein kaiserliches Reichsgesetz, wie es bis zum Austrag des Kouzils mit der Religion solle gehalten werden. Dieses Interim machte den Evangelischen schwere Bedenken, als dein Glanben und Bestand ihrer Kirche gefährlich. Der Bruder des Kurfürsten, Johann von Küstrin, verweigerte seine Unterschrift dazu mit den Worten: „Lieber Blut, als Tinte." Der Kurfürst, dessen Hofprediger Agrikola des Interim mit abgefaßt hatte, suchte es in der Mark einzuführen, scheiterte aber an dem Widerstand der Geist¬ lichen und dem Spott des Volkes, das höhnend sang: „Das Interim, das Interim, das hat den Schalken hinter ihm," Zu Gewaltmaßregeln griff der Kurfürst nicht, während in Süddeutschland und in Sachsen Hunderte von Geistlichen ihres Amtes entsetzt wurden. Erst der Religionsfriede von Augsburg 1555 regelte das Verhältniß der Katholiken und Protestanten in Deutschland. Neue religiöse Schwierigkeiten entstanden für das Haus der Hohenzollern 1613 durch den Uebertritt Kurfürst Johann Sigismund's von der lutherischen zur reformirten Kirche. Lutheraner und Reformirte oder Calvinisten, wie man sie zu nennen pflegte, standen damals einander fast noch schroffer gegenüber als Katholiken und Protestanten. Kein Reformirter konnte in Brandenburg ein öffentliches Amt erhalten. Calvinistische Bücher zu verlausen war bei Leibesstrafe verboten. Der Kanzler des Kurfürsten Johann Georg hatte die Instruktion für die Deputation einer Synode mit den Worten geschlossen: „Gott

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/181
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/181>, abgerufen am 22.07.2024.