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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Dingen die bösen Leidenschaften in den arbeitenden Klassen aufzuregen. Das
Wort Benjamin Franklin's: "Wer den Arbeitern sagt, daß sie anders als durch
Fleiß und Sparsamkeit ihre Lage verbessern können, ist ein Verführer des
Volkes", gilt den neuen Weltverbesserern als veraltet und ans unsere Zeiten
nicht mehr anwendbar. Viel Genuß und wenig Arbeit, -- das ist die
Quintessenz aller sozialdemokratischen Lehren. Wie amerikanische Blätter
melden, beabsichtigen die Sozialdemokraten und Kommunisten im Laufe dieses
Sommers an verschiedenen Orten der Union die Fahne des Aufruhrs zu
erheben. In mehreren größeren Städten, z. B. in Chicago, Se. Louis, Sau
Franzisko, Pittsburg u. s. w., so wie in den Kohleilregionen Pensylvaniens,
hat man bereits durch Bewaffnung und militärische Organisationen dahin
zielende Vorkehrungen getroffen. Am 16. Mai d. I. hielten z. B. die Sozial-
demokraten von Se. Louis eine Versammlung ab, um sich, wie ein Hauptagitator,
ein gewisser Ferdinand Amrein, offen erklärte, in den Stand zu setzen, dem
Militär und den Polizeimannschaften die Spitze zu bieten. In die zu orga-
nisirenden Arbeiter-Kompagnien sollten vorzugsweise nur solche Arbeiter einge¬
reiht werden, welche in Amerika oder in Enropa schon als Soldaten gedient
hätten; und es schrieben sich auch sofort 250 Mann als Landsknechte der
Kommune ein. Daß aber den nordamerikanischen Sozialdemokraten nicht
weniger, als ihren europäischen Gesinnungsgenossen, die Pariser Kommune von
1871 als ein erstrebenswerthes Ideal vorleuchtet, geht unter Andern aus den
Artikeln der in Se. Louis erscheinenden deutschen Kommunistenzeitnng, der
"Volksstimme des Westens", deutlich hervor; dieses von einem Herrn Ottv-
Walster, der früher in Dresden als svzialdemokratischer Agitator eine gewisse
Rolle spielte, redigirte Blatt ließ sich Mitte Mai dieses Jahres also vernehmen:
"Die Revolution der Pariser Kommune war vollständig berechtigt, ihre Kämpfer
waren Ehrenmänner, deren Kampf menschlich -- ihre Idee hoch, edel und
erhaben; ihr einziges Verbrechen war -- sie haben nicht gesiegt. Hütten sie
gesiegt, so würden sie heute höher geehrt und geachtet werdeu, als George
Washington und dessen Zeitgenossen; diese befreiten nur die Bewohner dieses
Landes (Amerikas) von dem Joche der Engländer, die Pariser Kommunards
aber wollten die Menschheit von dem Joche der Korruption einer unmenschlichen
Ausbeutung befreien. Darum ehren wir die todten und lebenden Kämpfer
dieser hohen Idee, wir wollen den Lebenden hülfreich zur Seite stehen und
die Grüber der todten von dem Schmutz-der Gegner reinigen; wir haben
die moralische Erbschaft der Kommune angetreten und wir sind
stolz auf diese Ehre!"

So schreibt der Freund und Gesinnungsgenosse Bebel's und Liebknecht's.
Aber warum sollte sich auch die rothe sozialdemokraiisch-kommunistische Meute


Dingen die bösen Leidenschaften in den arbeitenden Klassen aufzuregen. Das
Wort Benjamin Franklin's: „Wer den Arbeitern sagt, daß sie anders als durch
Fleiß und Sparsamkeit ihre Lage verbessern können, ist ein Verführer des
Volkes", gilt den neuen Weltverbesserern als veraltet und ans unsere Zeiten
nicht mehr anwendbar. Viel Genuß und wenig Arbeit, — das ist die
Quintessenz aller sozialdemokratischen Lehren. Wie amerikanische Blätter
melden, beabsichtigen die Sozialdemokraten und Kommunisten im Laufe dieses
Sommers an verschiedenen Orten der Union die Fahne des Aufruhrs zu
erheben. In mehreren größeren Städten, z. B. in Chicago, Se. Louis, Sau
Franzisko, Pittsburg u. s. w., so wie in den Kohleilregionen Pensylvaniens,
hat man bereits durch Bewaffnung und militärische Organisationen dahin
zielende Vorkehrungen getroffen. Am 16. Mai d. I. hielten z. B. die Sozial-
demokraten von Se. Louis eine Versammlung ab, um sich, wie ein Hauptagitator,
ein gewisser Ferdinand Amrein, offen erklärte, in den Stand zu setzen, dem
Militär und den Polizeimannschaften die Spitze zu bieten. In die zu orga-
nisirenden Arbeiter-Kompagnien sollten vorzugsweise nur solche Arbeiter einge¬
reiht werden, welche in Amerika oder in Enropa schon als Soldaten gedient
hätten; und es schrieben sich auch sofort 250 Mann als Landsknechte der
Kommune ein. Daß aber den nordamerikanischen Sozialdemokraten nicht
weniger, als ihren europäischen Gesinnungsgenossen, die Pariser Kommune von
1871 als ein erstrebenswerthes Ideal vorleuchtet, geht unter Andern aus den
Artikeln der in Se. Louis erscheinenden deutschen Kommunistenzeitnng, der
„Volksstimme des Westens", deutlich hervor; dieses von einem Herrn Ottv-
Walster, der früher in Dresden als svzialdemokratischer Agitator eine gewisse
Rolle spielte, redigirte Blatt ließ sich Mitte Mai dieses Jahres also vernehmen:
„Die Revolution der Pariser Kommune war vollständig berechtigt, ihre Kämpfer
waren Ehrenmänner, deren Kampf menschlich — ihre Idee hoch, edel und
erhaben; ihr einziges Verbrechen war — sie haben nicht gesiegt. Hütten sie
gesiegt, so würden sie heute höher geehrt und geachtet werdeu, als George
Washington und dessen Zeitgenossen; diese befreiten nur die Bewohner dieses
Landes (Amerikas) von dem Joche der Engländer, die Pariser Kommunards
aber wollten die Menschheit von dem Joche der Korruption einer unmenschlichen
Ausbeutung befreien. Darum ehren wir die todten und lebenden Kämpfer
dieser hohen Idee, wir wollen den Lebenden hülfreich zur Seite stehen und
die Grüber der todten von dem Schmutz-der Gegner reinigen; wir haben
die moralische Erbschaft der Kommune angetreten und wir sind
stolz auf diese Ehre!"

So schreibt der Freund und Gesinnungsgenosse Bebel's und Liebknecht's.
Aber warum sollte sich auch die rothe sozialdemokraiisch-kommunistische Meute


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/18>, abgerufen am 22.07.2024.