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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Wenn wir etwa ein Dutzend Historienbilder aus der französischen Ge¬
schichte namhaft machen können, so hat jedoch kaum die Hälfte derselben einen
besonderen Werth. Der heilige Ludwig ist einer der Könige, der unter den
heutigen politischen Komplicativnen noch am wenigsten offensiv ist. Ihm hat
A. Cabanel, eines der Häupter der französischen Malerschule, eine große durch
eine Süulenstellung in fünf Theile gesonderte Komposition gewidmet, welche
die wichtigsten Momente aus dem Leben des frommen Herrschers darstellt.
Die figurenreiche Malerei ist für das Pantheon bestimmt und gehört zu den
monumentalen Arbeiten, die auf Veranlassung des Marquis von Chennevieres,
des bisherigen Direktors der schönen Künste, in großer Anzahl zum Mißver¬
gnügen seiner antiklerikalen Gegner unternommen worden sind. Ihr Mißver¬
gnügen ist angesichts dieses Cabanel'schen Historienbildes sehr erklärlich: selten
ist so etwas Trostloses und Langweiliges gemalt worden als diese Apotheose des
heiligen Ludwig. Der Maler hat sogar sein sonst gesundes und kräftiges
Colorit zu einer flauen, energielosen Stimmung herabgedrückt, um die Mono¬
tonie des Ensembles beileibe nicht durch einen vorlauten Farbenton zu stören.

Ein echtes Historienbild, beiläufig das einzige in der französischen Aus¬
stellung, dem man nach allen Richtungen hin ungetheilten Beifall zollen kann,
ist hingegen die Leichenparade des in den Kriegen der ersten Republik gegen
die Oesterreicher gefallenen Generals Marceau von I. P. Laurens, ein Bild
von großer Konzeption und von brillanter Durchführung in den Details. Ge¬
neral Marceau, der während der Rheincampagne schwer verwundet in die
Gefangenschaft der Oesterreicher gerieth und zwei Tage darauf starb, liegt auf
einem Bette ausgestreckt. Die edlen, ausdrucksvollen Züge des Verblichenen
sind genau der schönen Statue nachgebildet, welche die Nordfacade des Louvre
ziert. Die Offiziere des österreichischen Generalstabes umstehen das Bett des
Helden. Am Kopfende sitzt ein alter Offizier, der weinend sein Haupt senkt,
während der österreichische Erzherzog am Fußende steht und dem Todten seine
Honneurs macht. Die Szene ist schlicht und einfach, ohne das übliche theatra¬
lische Pathos vorgetragen und wirkt um fo ergreifender, als der Maler die
Farbenstimmnng etwas gedämpft hat, um den Charakter des feierlichen Vor¬
gangs auch durch das Kolorit auszudrücken. Noch zu zwei andern Bildern
hat der Maler die Stoffe der französischen Geschichte entlehnt. Das eine stellt
die Exkommunikation des Königs Robert des Frommen vor, der sich den
Kirchenfluch zugezogen, weil er eine nahe Verwandte geheirathet und diese Ehe
nicht lösen wollte. Der Maler hat in weiser Einsicht den Moment gewählt,
wie die Geistlichkeit eben den Saal verläßt, so daß sich die ganze Aufmerksamkeit
des Beschauers auf den König konzentrirt, der finster vor sich her blickend auf
dem Throne sitzt, und ans seine Gemahlin, die ihn ängstlich umfaßt. Vor dem


Wenn wir etwa ein Dutzend Historienbilder aus der französischen Ge¬
schichte namhaft machen können, so hat jedoch kaum die Hälfte derselben einen
besonderen Werth. Der heilige Ludwig ist einer der Könige, der unter den
heutigen politischen Komplicativnen noch am wenigsten offensiv ist. Ihm hat
A. Cabanel, eines der Häupter der französischen Malerschule, eine große durch
eine Süulenstellung in fünf Theile gesonderte Komposition gewidmet, welche
die wichtigsten Momente aus dem Leben des frommen Herrschers darstellt.
Die figurenreiche Malerei ist für das Pantheon bestimmt und gehört zu den
monumentalen Arbeiten, die auf Veranlassung des Marquis von Chennevieres,
des bisherigen Direktors der schönen Künste, in großer Anzahl zum Mißver¬
gnügen seiner antiklerikalen Gegner unternommen worden sind. Ihr Mißver¬
gnügen ist angesichts dieses Cabanel'schen Historienbildes sehr erklärlich: selten
ist so etwas Trostloses und Langweiliges gemalt worden als diese Apotheose des
heiligen Ludwig. Der Maler hat sogar sein sonst gesundes und kräftiges
Colorit zu einer flauen, energielosen Stimmung herabgedrückt, um die Mono¬
tonie des Ensembles beileibe nicht durch einen vorlauten Farbenton zu stören.

Ein echtes Historienbild, beiläufig das einzige in der französischen Aus¬
stellung, dem man nach allen Richtungen hin ungetheilten Beifall zollen kann,
ist hingegen die Leichenparade des in den Kriegen der ersten Republik gegen
die Oesterreicher gefallenen Generals Marceau von I. P. Laurens, ein Bild
von großer Konzeption und von brillanter Durchführung in den Details. Ge¬
neral Marceau, der während der Rheincampagne schwer verwundet in die
Gefangenschaft der Oesterreicher gerieth und zwei Tage darauf starb, liegt auf
einem Bette ausgestreckt. Die edlen, ausdrucksvollen Züge des Verblichenen
sind genau der schönen Statue nachgebildet, welche die Nordfacade des Louvre
ziert. Die Offiziere des österreichischen Generalstabes umstehen das Bett des
Helden. Am Kopfende sitzt ein alter Offizier, der weinend sein Haupt senkt,
während der österreichische Erzherzog am Fußende steht und dem Todten seine
Honneurs macht. Die Szene ist schlicht und einfach, ohne das übliche theatra¬
lische Pathos vorgetragen und wirkt um fo ergreifender, als der Maler die
Farbenstimmnng etwas gedämpft hat, um den Charakter des feierlichen Vor¬
gangs auch durch das Kolorit auszudrücken. Noch zu zwei andern Bildern
hat der Maler die Stoffe der französischen Geschichte entlehnt. Das eine stellt
die Exkommunikation des Königs Robert des Frommen vor, der sich den
Kirchenfluch zugezogen, weil er eine nahe Verwandte geheirathet und diese Ehe
nicht lösen wollte. Der Maler hat in weiser Einsicht den Moment gewählt,
wie die Geistlichkeit eben den Saal verläßt, so daß sich die ganze Aufmerksamkeit
des Beschauers auf den König konzentrirt, der finster vor sich her blickend auf
dem Throne sitzt, und ans seine Gemahlin, die ihn ängstlich umfaßt. Vor dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/155>, abgerufen am 22.07.2024.