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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Die Samniter saßen vorzugsweise in den heutigen Abruzzen, und die andau¬
ernden und wiederkehrenden Feldzüge in einem Berglande und gegen ein
Bergvolk riefen eine der größten taktischen Neugestaltungen aller Zeiten hervor:
die Manipular-Legion.

Die bisherige phalangitische Legion war wie die hellenische Phalanx in
ununterbrochener Front ausgestellt worden. Aber sie hatte natürlich ebensowohl
wie jene Evolutionseinheiten gehabt. Als solche konnten die Bezirkskontingente
der Tribus, die Cohorten, nicht dienen, obgleich diese allerdings zuweilen als
selbstständige taktische Komplexe verwendet wurden;*) Evolutionseinheit
waren vielmehr die Manipel. Diese irmnixM bestanden vermuthlich in qua¬
dratischen Trupps von 8 Mann Front und 8 Mann Tiefe, oder (bei Ent¬
sendung der Leichtbewaffneten zum zerstreuten Gefechte) in Rechtecken von 8
Mann Front zu 6 Mann Tiefe. NaniMlus heißt wörtlich "eine Handvoll",
ein "Bündel".**) -- In dem schwierigen Gelände des samnitischen Gebirges
konnte die zusammenhängende Linie der Phalanx nur sehr beschränkte Anwen¬
dung finden; häufig mußte die Nothwendigkeit eintreten, für die Bekämpfung
von Pässen und Schluchten kleine Kolonnen anzuwenden. Und geradeso wie
einst Xenophon in den karduchischen Bergen seine Kompagniekolonne, o^Al"?
^"^os, erfand, so werden die Römer in den samnitischen Bergen mit ihren
Manipeln operirt haben. -- Bei diesen Gebirgskämpfen mußte nun auch die
Bedeutung der Wurfwnffen in erhöhtem Maße hervortreten, und insbesondere
scheinen die Römer nachtheilige Erfahrungen hinsichtlich einer von ihnen bisher
wenig gewürdigten Gattung des Wurfspießes gemacht zu haben, deren sich die
Samniter zur Vertheidigung wie zum Augriff bedienten. Es war dies eine
schwere Wurfwaffe, welche uuter dem Namen des "xiwm" in der Folge die
recht eigentliche Nativncilwaffe des römischen Fußvolks wurde. Zuerst scheint
mit derselben die Truppe der Triarier allsgerüstet worden zu sein, der sie
namentlich bei der ihr gewöhnlich zufallenden Vertheidigung des Lagers, also
beim Wurfe von oben nach unten, von ganz besonderem Nutzen sein mußte.

Auf der Grundlage dieser neuen Erfahrungen gestaltet sich nun die neue
Legion. Nicht nur für einzelne Unternehmungen, sondern auch für die eigent¬
liche Schlachtordnung wird die Linie der Phalanx unterbrochen. Die




*) Livius führt nicht nur bei den Nachbarvölkern (II. 64, V. 16, VII. 7) sondern auch
bei den Römern selbst Cohorten auf (II. 20; III. S, 43, 69; IV. 27, 28, 38, 69). Die
Kopfzahl giebt er nicht an, wohl aber Dyonisios, der Cohorten von S00, 600, ja einmal
eine solche (die des Siccins) von 300 Mann erwähnt (IX. 63, 71; X. 43).
""^) Andere behaupten die ursprüngliche Identität von UMipnIiii! und esiMrig. und
meinen der Name stamme daher, daß der Centurie in der Frühzeit als Feldzeichen ein Heu-
bi'endet (in-miziulus) auf einer Stange vorausgetragen worden sei. Das klingt sehr unwahr-
scheinlich!

Die Samniter saßen vorzugsweise in den heutigen Abruzzen, und die andau¬
ernden und wiederkehrenden Feldzüge in einem Berglande und gegen ein
Bergvolk riefen eine der größten taktischen Neugestaltungen aller Zeiten hervor:
die Manipular-Legion.

Die bisherige phalangitische Legion war wie die hellenische Phalanx in
ununterbrochener Front ausgestellt worden. Aber sie hatte natürlich ebensowohl
wie jene Evolutionseinheiten gehabt. Als solche konnten die Bezirkskontingente
der Tribus, die Cohorten, nicht dienen, obgleich diese allerdings zuweilen als
selbstständige taktische Komplexe verwendet wurden;*) Evolutionseinheit
waren vielmehr die Manipel. Diese irmnixM bestanden vermuthlich in qua¬
dratischen Trupps von 8 Mann Front und 8 Mann Tiefe, oder (bei Ent¬
sendung der Leichtbewaffneten zum zerstreuten Gefechte) in Rechtecken von 8
Mann Front zu 6 Mann Tiefe. NaniMlus heißt wörtlich „eine Handvoll",
ein „Bündel".**) — In dem schwierigen Gelände des samnitischen Gebirges
konnte die zusammenhängende Linie der Phalanx nur sehr beschränkte Anwen¬
dung finden; häufig mußte die Nothwendigkeit eintreten, für die Bekämpfung
von Pässen und Schluchten kleine Kolonnen anzuwenden. Und geradeso wie
einst Xenophon in den karduchischen Bergen seine Kompagniekolonne, o^Al«?
^»^os, erfand, so werden die Römer in den samnitischen Bergen mit ihren
Manipeln operirt haben. — Bei diesen Gebirgskämpfen mußte nun auch die
Bedeutung der Wurfwnffen in erhöhtem Maße hervortreten, und insbesondere
scheinen die Römer nachtheilige Erfahrungen hinsichtlich einer von ihnen bisher
wenig gewürdigten Gattung des Wurfspießes gemacht zu haben, deren sich die
Samniter zur Vertheidigung wie zum Augriff bedienten. Es war dies eine
schwere Wurfwaffe, welche uuter dem Namen des „xiwm" in der Folge die
recht eigentliche Nativncilwaffe des römischen Fußvolks wurde. Zuerst scheint
mit derselben die Truppe der Triarier allsgerüstet worden zu sein, der sie
namentlich bei der ihr gewöhnlich zufallenden Vertheidigung des Lagers, also
beim Wurfe von oben nach unten, von ganz besonderem Nutzen sein mußte.

Auf der Grundlage dieser neuen Erfahrungen gestaltet sich nun die neue
Legion. Nicht nur für einzelne Unternehmungen, sondern auch für die eigent¬
liche Schlachtordnung wird die Linie der Phalanx unterbrochen. Die




*) Livius führt nicht nur bei den Nachbarvölkern (II. 64, V. 16, VII. 7) sondern auch
bei den Römern selbst Cohorten auf (II. 20; III. S, 43, 69; IV. 27, 28, 38, 69). Die
Kopfzahl giebt er nicht an, wohl aber Dyonisios, der Cohorten von S00, 600, ja einmal
eine solche (die des Siccins) von 300 Mann erwähnt (IX. 63, 71; X. 43).
""^) Andere behaupten die ursprüngliche Identität von UMipnIiii! und esiMrig. und
meinen der Name stamme daher, daß der Centurie in der Frühzeit als Feldzeichen ein Heu-
bi'endet (in-miziulus) auf einer Stange vorausgetragen worden sei. Das klingt sehr unwahr-
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[0136] Die Samniter saßen vorzugsweise in den heutigen Abruzzen, und die andau¬ ernden und wiederkehrenden Feldzüge in einem Berglande und gegen ein Bergvolk riefen eine der größten taktischen Neugestaltungen aller Zeiten hervor: die Manipular-Legion. Die bisherige phalangitische Legion war wie die hellenische Phalanx in ununterbrochener Front ausgestellt worden. Aber sie hatte natürlich ebensowohl wie jene Evolutionseinheiten gehabt. Als solche konnten die Bezirkskontingente der Tribus, die Cohorten, nicht dienen, obgleich diese allerdings zuweilen als selbstständige taktische Komplexe verwendet wurden;*) Evolutionseinheit waren vielmehr die Manipel. Diese irmnixM bestanden vermuthlich in qua¬ dratischen Trupps von 8 Mann Front und 8 Mann Tiefe, oder (bei Ent¬ sendung der Leichtbewaffneten zum zerstreuten Gefechte) in Rechtecken von 8 Mann Front zu 6 Mann Tiefe. NaniMlus heißt wörtlich „eine Handvoll", ein „Bündel".**) — In dem schwierigen Gelände des samnitischen Gebirges konnte die zusammenhängende Linie der Phalanx nur sehr beschränkte Anwen¬ dung finden; häufig mußte die Nothwendigkeit eintreten, für die Bekämpfung von Pässen und Schluchten kleine Kolonnen anzuwenden. Und geradeso wie einst Xenophon in den karduchischen Bergen seine Kompagniekolonne, o^Al«? ^»^os, erfand, so werden die Römer in den samnitischen Bergen mit ihren Manipeln operirt haben. — Bei diesen Gebirgskämpfen mußte nun auch die Bedeutung der Wurfwnffen in erhöhtem Maße hervortreten, und insbesondere scheinen die Römer nachtheilige Erfahrungen hinsichtlich einer von ihnen bisher wenig gewürdigten Gattung des Wurfspießes gemacht zu haben, deren sich die Samniter zur Vertheidigung wie zum Augriff bedienten. Es war dies eine schwere Wurfwaffe, welche uuter dem Namen des „xiwm" in der Folge die recht eigentliche Nativncilwaffe des römischen Fußvolks wurde. Zuerst scheint mit derselben die Truppe der Triarier allsgerüstet worden zu sein, der sie namentlich bei der ihr gewöhnlich zufallenden Vertheidigung des Lagers, also beim Wurfe von oben nach unten, von ganz besonderem Nutzen sein mußte. Auf der Grundlage dieser neuen Erfahrungen gestaltet sich nun die neue Legion. Nicht nur für einzelne Unternehmungen, sondern auch für die eigent¬ liche Schlachtordnung wird die Linie der Phalanx unterbrochen. Die *) Livius führt nicht nur bei den Nachbarvölkern (II. 64, V. 16, VII. 7) sondern auch bei den Römern selbst Cohorten auf (II. 20; III. S, 43, 69; IV. 27, 28, 38, 69). Die Kopfzahl giebt er nicht an, wohl aber Dyonisios, der Cohorten von S00, 600, ja einmal eine solche (die des Siccins) von 300 Mann erwähnt (IX. 63, 71; X. 43). ""^) Andere behaupten die ursprüngliche Identität von UMipnIiii! und esiMrig. und meinen der Name stamme daher, daß der Centurie in der Frühzeit als Feldzeichen ein Heu- bi'endet (in-miziulus) auf einer Stange vorausgetragen worden sei. Das klingt sehr unwahr- scheinlich!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/136>, abgerufen am 22.07.2024.