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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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erscheint das natürlich einfach verwerflich; ich werde aber noch darauf hin¬
weisen, welche Umstände die Schädlichkeit eines solchen Verfahrens milderten,
ja geraume Frist hindurch fast aufhoben. -- Es ist dies übrigens für lange
Zeit die einzige Verfassungsfrage, welche militärisches Juteresse hat.

Nach Außer hin war die Geschichte Roms während derselben Zeit um so
bewegter. In ihrem Verlaufe vollzog sich die Erhebung der Stadt zur allei¬
nigen Großmacht im System der Mittelmeerstaaten. Die ersten
Stadien dieser Entwickelung sind die Kämpfe mit den empörten Latinern, die
mit den Etruskern und die mit den Samnitern. Der große Latinerkrieg war
die erste schwere Prüfung des durch Camillus reorganisirten Heerwesens der
Römer. Das erkannte schon Livius, und deshalb giebt er bei dieser Gelegen¬
heit seinen Lesern einen Ueberblick über die Heereseinrichtung Rom's zu
jener Zeit.

Die empörten Ladin er sahen sich nach dreijährigem ernstem Ringen im
Jahre 340 bei Trisanna gänzlich besiegt. Der latinische Bund ward aufgelöst,
und die unterworfenen Städte wurden isolirt. Einzeln mußten sie neue Ver¬
träge mit Rom schließen, in denen ihnen dies ihre Krieg sleistungen u. s. w
vorschrieb. Es ward den ladinischen Gemeinden verboten, ihre Kontingente
von sich aus aufzustellen und ius Feld zu sende"; sie verloren das Kriegs¬
und Vertragsrecht gegenüber dem Auslande; der Oberbefehl, der früher ge¬
wechselt, kam ein für allemal an Rom; dieses ermannte die Stabsoffiziere der
ladinischen Kontingente und zwar vorwiegend ans römischen Bürgern. Es sind
das die 12 xrÄiztsoti soLioruiQ, welche ebenso je 6 und 6 den beiden "alav"
der Bundesgenossen vorstehen wie die Kriegstribunen den Legionen des römischen
Heeres. Dagegen durfte nach wie vor den ladinischen Orten in ihrer Gesammt¬
heit keine stärkere Mannschaftsgestellnng zugemuthet werden als der römischen
Gemeinde, und der Oberfeldherr war gehalten, die ladinischen Truppen nicht
zu zersplittern/')

Dies straffere Anziehen der Zügel in Latium war um so wichtiger, als
zu gleicher Zeit Rom dazu kam, in Campanien festen Fuß zu fassen. Dort
hatte während des ladinischen Krieges das Bergvolk der Samniten in raschen
Zügen das ganze Küstenland, griechische wie kampanische Städte, unter seine
Botmäßigkeit gebracht. Streitigkeiten veranlaßten die Römer, einzuschreiten und
zu helfen. Sie thaten das aber so gründlich, daß sie bereits um 330 eine
Reihe bedeutender eampanischer Städte, darunter Capua und Cumä, ihrem
Machtgebiet einverleibt hatten. -- Hieraus entsprangen die beiden großen
Scnnniterkriege, die für das Kriegswesen bei weitem wichtigsten jener Zeit.



*) Mmnmsen. -- Mheres über die bimdcsgenössischen Streitkräfte weiter unten!

erscheint das natürlich einfach verwerflich; ich werde aber noch darauf hin¬
weisen, welche Umstände die Schädlichkeit eines solchen Verfahrens milderten,
ja geraume Frist hindurch fast aufhoben. — Es ist dies übrigens für lange
Zeit die einzige Verfassungsfrage, welche militärisches Juteresse hat.

Nach Außer hin war die Geschichte Roms während derselben Zeit um so
bewegter. In ihrem Verlaufe vollzog sich die Erhebung der Stadt zur allei¬
nigen Großmacht im System der Mittelmeerstaaten. Die ersten
Stadien dieser Entwickelung sind die Kämpfe mit den empörten Latinern, die
mit den Etruskern und die mit den Samnitern. Der große Latinerkrieg war
die erste schwere Prüfung des durch Camillus reorganisirten Heerwesens der
Römer. Das erkannte schon Livius, und deshalb giebt er bei dieser Gelegen¬
heit seinen Lesern einen Ueberblick über die Heereseinrichtung Rom's zu
jener Zeit.

Die empörten Ladin er sahen sich nach dreijährigem ernstem Ringen im
Jahre 340 bei Trisanna gänzlich besiegt. Der latinische Bund ward aufgelöst,
und die unterworfenen Städte wurden isolirt. Einzeln mußten sie neue Ver¬
träge mit Rom schließen, in denen ihnen dies ihre Krieg sleistungen u. s. w
vorschrieb. Es ward den ladinischen Gemeinden verboten, ihre Kontingente
von sich aus aufzustellen und ius Feld zu sende»; sie verloren das Kriegs¬
und Vertragsrecht gegenüber dem Auslande; der Oberbefehl, der früher ge¬
wechselt, kam ein für allemal an Rom; dieses ermannte die Stabsoffiziere der
ladinischen Kontingente und zwar vorwiegend ans römischen Bürgern. Es sind
das die 12 xrÄiztsoti soLioruiQ, welche ebenso je 6 und 6 den beiden „alav"
der Bundesgenossen vorstehen wie die Kriegstribunen den Legionen des römischen
Heeres. Dagegen durfte nach wie vor den ladinischen Orten in ihrer Gesammt¬
heit keine stärkere Mannschaftsgestellnng zugemuthet werden als der römischen
Gemeinde, und der Oberfeldherr war gehalten, die ladinischen Truppen nicht
zu zersplittern/')

Dies straffere Anziehen der Zügel in Latium war um so wichtiger, als
zu gleicher Zeit Rom dazu kam, in Campanien festen Fuß zu fassen. Dort
hatte während des ladinischen Krieges das Bergvolk der Samniten in raschen
Zügen das ganze Küstenland, griechische wie kampanische Städte, unter seine
Botmäßigkeit gebracht. Streitigkeiten veranlaßten die Römer, einzuschreiten und
zu helfen. Sie thaten das aber so gründlich, daß sie bereits um 330 eine
Reihe bedeutender eampanischer Städte, darunter Capua und Cumä, ihrem
Machtgebiet einverleibt hatten. — Hieraus entsprangen die beiden großen
Scnnniterkriege, die für das Kriegswesen bei weitem wichtigsten jener Zeit.



*) Mmnmsen. — Mheres über die bimdcsgenössischen Streitkräfte weiter unten!
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[0135] erscheint das natürlich einfach verwerflich; ich werde aber noch darauf hin¬ weisen, welche Umstände die Schädlichkeit eines solchen Verfahrens milderten, ja geraume Frist hindurch fast aufhoben. — Es ist dies übrigens für lange Zeit die einzige Verfassungsfrage, welche militärisches Juteresse hat. Nach Außer hin war die Geschichte Roms während derselben Zeit um so bewegter. In ihrem Verlaufe vollzog sich die Erhebung der Stadt zur allei¬ nigen Großmacht im System der Mittelmeerstaaten. Die ersten Stadien dieser Entwickelung sind die Kämpfe mit den empörten Latinern, die mit den Etruskern und die mit den Samnitern. Der große Latinerkrieg war die erste schwere Prüfung des durch Camillus reorganisirten Heerwesens der Römer. Das erkannte schon Livius, und deshalb giebt er bei dieser Gelegen¬ heit seinen Lesern einen Ueberblick über die Heereseinrichtung Rom's zu jener Zeit. Die empörten Ladin er sahen sich nach dreijährigem ernstem Ringen im Jahre 340 bei Trisanna gänzlich besiegt. Der latinische Bund ward aufgelöst, und die unterworfenen Städte wurden isolirt. Einzeln mußten sie neue Ver¬ träge mit Rom schließen, in denen ihnen dies ihre Krieg sleistungen u. s. w vorschrieb. Es ward den ladinischen Gemeinden verboten, ihre Kontingente von sich aus aufzustellen und ius Feld zu sende»; sie verloren das Kriegs¬ und Vertragsrecht gegenüber dem Auslande; der Oberbefehl, der früher ge¬ wechselt, kam ein für allemal an Rom; dieses ermannte die Stabsoffiziere der ladinischen Kontingente und zwar vorwiegend ans römischen Bürgern. Es sind das die 12 xrÄiztsoti soLioruiQ, welche ebenso je 6 und 6 den beiden „alav" der Bundesgenossen vorstehen wie die Kriegstribunen den Legionen des römischen Heeres. Dagegen durfte nach wie vor den ladinischen Orten in ihrer Gesammt¬ heit keine stärkere Mannschaftsgestellnng zugemuthet werden als der römischen Gemeinde, und der Oberfeldherr war gehalten, die ladinischen Truppen nicht zu zersplittern/') Dies straffere Anziehen der Zügel in Latium war um so wichtiger, als zu gleicher Zeit Rom dazu kam, in Campanien festen Fuß zu fassen. Dort hatte während des ladinischen Krieges das Bergvolk der Samniten in raschen Zügen das ganze Küstenland, griechische wie kampanische Städte, unter seine Botmäßigkeit gebracht. Streitigkeiten veranlaßten die Römer, einzuschreiten und zu helfen. Sie thaten das aber so gründlich, daß sie bereits um 330 eine Reihe bedeutender eampanischer Städte, darunter Capua und Cumä, ihrem Machtgebiet einverleibt hatten. — Hieraus entsprangen die beiden großen Scnnniterkriege, die für das Kriegswesen bei weitem wichtigsten jener Zeit. *) Mmnmsen. — Mheres über die bimdcsgenössischen Streitkräfte weiter unten!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/135>, abgerufen am 22.07.2024.