Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

umspielt wiederum ein schelmisches Lächeln. Und es sind nicht Damen, die ihre
Zeit verschwenden, um so entzückende Mädchengestalten ans die Leinwand zu
zaudern, nicht Damen wie die Verfasserinnen der verspotteten "Gouvernanten¬
romane", sondern reife Männer, die mit Ehren, Würden und Medaillen geschmückt
sind, Männer wie Bonghton, Leighton und Leslie, die zu den vornehmsten
Repräsentanten der englischen Malerei gehören. Ein anmuthiges Genrebild
von Bonghton zeigt uns eine heitere Mädchenschaar, ältere und jüngere, Rosen,
die sich eben zur vollen Blüthe erschlossen haben, und noch scheu verschlossene
Knospen, zur Frühjahrszeit im Gehölz. Sie wollten die Erstlinge des Lenzes
pflücken, als der launige April plötzlich über die lustige Schaar eine Schnee¬
wolke ausschüttete, die sie zusammentrieb wie ein Sperlingsvölkchen. Und
derselbe Boughton malt uns eine ernste, schwermüthige Abendlandschaft mit
Steinklopfern, die an der Landstraße ihr saures Tagewerk verrichten, mit
wandernden Frauen, die eine jede ihre Bürde tragend, sei es ein Kind oder
eine andere minder süße Last, vom Abendgold beleuchtet, ihre Schritte dem
heimathlichen Dach zuwenden. Leighton, der den Pinsel ebenso geschickt zu
führen versteht als deu Meißel, zeigt uns zwei lächelnde Mädchen in kleidsamen,
halborientalischem Kostüm, ein älteres und ein jüngeres, mit den Anfangs--
grttuden der Musik beschäftigt. Aber auch er weiß ernste Töne anzuschlagen.
Neben dieses heitere Genrebild stellt er eine religiöse Komposition strengen Stils:
Elias, dem der Engel in der Wüste erscheint und Speise und Trank spendet.
Leslie, der dritte, erschließt uns die vornehme Schönheit eines englischen
Parks, den im Vordergrunde ein Bach durchfließt. Auf der Brücke, die über
den Bach führt, und auf dem saftigen Rasen des Ufers stehen junge Mädchen, die
-- eine Frage an das Schicksal -- Rosen in deu Bach werfen und dem Spiele
des vorwärts treibenden Wassers zuschauen. Gerade darin, daß der Engländer
uus auf seinen Bildern den Menschen mit Vorliebe im innigsten Zusammen¬
hang mit der Natur zeigt, und zwar, indem er beide gleichwertig behandelt,
nicht den einen als Staffage und nicht die andere als bloßen Hintergrund,
gerade in dieser Zusammenstimmung des Belebten und Unbelebten liegt der
hauptsächlichste Reiz dieser Gemälde. Die Figuren sind meist in Zweidrittel-
Lebensgröße dargestellt, ein Maßstab, der dem Maler gestattet, die seelischen
Affekte im Angesicht dentlich wiederzuspiegeln. Ein Muster von stimmungs--
und empfindungsvoller Verbindung der Landschaft mit den Gefühlen des
Menschen hat E. H. Fahey mit einem Bilde geboten, auf dem wir in der
Abenddämmerung eine junge Dame sehen, welche am Ufer eines stillen Weihers
steht und in sehnsüchtiger, ungeduldiger Erwartung nach der andern Seite
hinüberblickt: Er kommt nicht! Nicht minder ergreifend und unmittelbar zum
Herzen sprechend ist ein Genrebild von Marcus Störe: eine glückliche Arbeiter-


umspielt wiederum ein schelmisches Lächeln. Und es sind nicht Damen, die ihre
Zeit verschwenden, um so entzückende Mädchengestalten ans die Leinwand zu
zaudern, nicht Damen wie die Verfasserinnen der verspotteten „Gouvernanten¬
romane", sondern reife Männer, die mit Ehren, Würden und Medaillen geschmückt
sind, Männer wie Bonghton, Leighton und Leslie, die zu den vornehmsten
Repräsentanten der englischen Malerei gehören. Ein anmuthiges Genrebild
von Bonghton zeigt uns eine heitere Mädchenschaar, ältere und jüngere, Rosen,
die sich eben zur vollen Blüthe erschlossen haben, und noch scheu verschlossene
Knospen, zur Frühjahrszeit im Gehölz. Sie wollten die Erstlinge des Lenzes
pflücken, als der launige April plötzlich über die lustige Schaar eine Schnee¬
wolke ausschüttete, die sie zusammentrieb wie ein Sperlingsvölkchen. Und
derselbe Boughton malt uns eine ernste, schwermüthige Abendlandschaft mit
Steinklopfern, die an der Landstraße ihr saures Tagewerk verrichten, mit
wandernden Frauen, die eine jede ihre Bürde tragend, sei es ein Kind oder
eine andere minder süße Last, vom Abendgold beleuchtet, ihre Schritte dem
heimathlichen Dach zuwenden. Leighton, der den Pinsel ebenso geschickt zu
führen versteht als deu Meißel, zeigt uns zwei lächelnde Mädchen in kleidsamen,
halborientalischem Kostüm, ein älteres und ein jüngeres, mit den Anfangs--
grttuden der Musik beschäftigt. Aber auch er weiß ernste Töne anzuschlagen.
Neben dieses heitere Genrebild stellt er eine religiöse Komposition strengen Stils:
Elias, dem der Engel in der Wüste erscheint und Speise und Trank spendet.
Leslie, der dritte, erschließt uns die vornehme Schönheit eines englischen
Parks, den im Vordergrunde ein Bach durchfließt. Auf der Brücke, die über
den Bach führt, und auf dem saftigen Rasen des Ufers stehen junge Mädchen, die
— eine Frage an das Schicksal — Rosen in deu Bach werfen und dem Spiele
des vorwärts treibenden Wassers zuschauen. Gerade darin, daß der Engländer
uus auf seinen Bildern den Menschen mit Vorliebe im innigsten Zusammen¬
hang mit der Natur zeigt, und zwar, indem er beide gleichwertig behandelt,
nicht den einen als Staffage und nicht die andere als bloßen Hintergrund,
gerade in dieser Zusammenstimmung des Belebten und Unbelebten liegt der
hauptsächlichste Reiz dieser Gemälde. Die Figuren sind meist in Zweidrittel-
Lebensgröße dargestellt, ein Maßstab, der dem Maler gestattet, die seelischen
Affekte im Angesicht dentlich wiederzuspiegeln. Ein Muster von stimmungs--
und empfindungsvoller Verbindung der Landschaft mit den Gefühlen des
Menschen hat E. H. Fahey mit einem Bilde geboten, auf dem wir in der
Abenddämmerung eine junge Dame sehen, welche am Ufer eines stillen Weihers
steht und in sehnsüchtiger, ungeduldiger Erwartung nach der andern Seite
hinüberblickt: Er kommt nicht! Nicht minder ergreifend und unmittelbar zum
Herzen sprechend ist ein Genrebild von Marcus Störe: eine glückliche Arbeiter-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140470"/>
          <p xml:id="ID_362" prev="#ID_361" next="#ID_363"> umspielt wiederum ein schelmisches Lächeln. Und es sind nicht Damen, die ihre<lb/>
Zeit verschwenden, um so entzückende Mädchengestalten ans die Leinwand zu<lb/>
zaudern, nicht Damen wie die Verfasserinnen der verspotteten &#x201E;Gouvernanten¬<lb/>
romane", sondern reife Männer, die mit Ehren, Würden und Medaillen geschmückt<lb/>
sind, Männer wie Bonghton, Leighton und Leslie, die zu den vornehmsten<lb/>
Repräsentanten der englischen Malerei gehören. Ein anmuthiges Genrebild<lb/>
von Bonghton zeigt uns eine heitere Mädchenschaar, ältere und jüngere, Rosen,<lb/>
die sich eben zur vollen Blüthe erschlossen haben, und noch scheu verschlossene<lb/>
Knospen, zur Frühjahrszeit im Gehölz. Sie wollten die Erstlinge des Lenzes<lb/>
pflücken, als der launige April plötzlich über die lustige Schaar eine Schnee¬<lb/>
wolke ausschüttete, die sie zusammentrieb wie ein Sperlingsvölkchen. Und<lb/>
derselbe Boughton malt uns eine ernste, schwermüthige Abendlandschaft mit<lb/>
Steinklopfern, die an der Landstraße ihr saures Tagewerk verrichten, mit<lb/>
wandernden Frauen, die eine jede ihre Bürde tragend, sei es ein Kind oder<lb/>
eine andere minder süße Last, vom Abendgold beleuchtet, ihre Schritte dem<lb/>
heimathlichen Dach zuwenden. Leighton, der den Pinsel ebenso geschickt zu<lb/>
führen versteht als deu Meißel, zeigt uns zwei lächelnde Mädchen in kleidsamen,<lb/>
halborientalischem Kostüm, ein älteres und ein jüngeres, mit den Anfangs--<lb/>
grttuden der Musik beschäftigt. Aber auch er weiß ernste Töne anzuschlagen.<lb/>
Neben dieses heitere Genrebild stellt er eine religiöse Komposition strengen Stils:<lb/>
Elias, dem der Engel in der Wüste erscheint und Speise und Trank spendet.<lb/>
Leslie, der dritte, erschließt uns die vornehme Schönheit eines englischen<lb/>
Parks, den im Vordergrunde ein Bach durchfließt. Auf der Brücke, die über<lb/>
den Bach führt, und auf dem saftigen Rasen des Ufers stehen junge Mädchen, die<lb/>
&#x2014; eine Frage an das Schicksal &#x2014; Rosen in deu Bach werfen und dem Spiele<lb/>
des vorwärts treibenden Wassers zuschauen. Gerade darin, daß der Engländer<lb/>
uus auf seinen Bildern den Menschen mit Vorliebe im innigsten Zusammen¬<lb/>
hang mit der Natur zeigt, und zwar, indem er beide gleichwertig behandelt,<lb/>
nicht den einen als Staffage und nicht die andere als bloßen Hintergrund,<lb/>
gerade in dieser Zusammenstimmung des Belebten und Unbelebten liegt der<lb/>
hauptsächlichste Reiz dieser Gemälde. Die Figuren sind meist in Zweidrittel-<lb/>
Lebensgröße dargestellt, ein Maßstab, der dem Maler gestattet, die seelischen<lb/>
Affekte im Angesicht dentlich wiederzuspiegeln. Ein Muster von stimmungs--<lb/>
und empfindungsvoller Verbindung der Landschaft mit den Gefühlen des<lb/>
Menschen hat E. H. Fahey mit einem Bilde geboten, auf dem wir in der<lb/>
Abenddämmerung eine junge Dame sehen, welche am Ufer eines stillen Weihers<lb/>
steht und in sehnsüchtiger, ungeduldiger Erwartung nach der andern Seite<lb/>
hinüberblickt: Er kommt nicht! Nicht minder ergreifend und unmittelbar zum<lb/>
Herzen sprechend ist ein Genrebild von Marcus Störe: eine glückliche Arbeiter-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0119] umspielt wiederum ein schelmisches Lächeln. Und es sind nicht Damen, die ihre Zeit verschwenden, um so entzückende Mädchengestalten ans die Leinwand zu zaudern, nicht Damen wie die Verfasserinnen der verspotteten „Gouvernanten¬ romane", sondern reife Männer, die mit Ehren, Würden und Medaillen geschmückt sind, Männer wie Bonghton, Leighton und Leslie, die zu den vornehmsten Repräsentanten der englischen Malerei gehören. Ein anmuthiges Genrebild von Bonghton zeigt uns eine heitere Mädchenschaar, ältere und jüngere, Rosen, die sich eben zur vollen Blüthe erschlossen haben, und noch scheu verschlossene Knospen, zur Frühjahrszeit im Gehölz. Sie wollten die Erstlinge des Lenzes pflücken, als der launige April plötzlich über die lustige Schaar eine Schnee¬ wolke ausschüttete, die sie zusammentrieb wie ein Sperlingsvölkchen. Und derselbe Boughton malt uns eine ernste, schwermüthige Abendlandschaft mit Steinklopfern, die an der Landstraße ihr saures Tagewerk verrichten, mit wandernden Frauen, die eine jede ihre Bürde tragend, sei es ein Kind oder eine andere minder süße Last, vom Abendgold beleuchtet, ihre Schritte dem heimathlichen Dach zuwenden. Leighton, der den Pinsel ebenso geschickt zu führen versteht als deu Meißel, zeigt uns zwei lächelnde Mädchen in kleidsamen, halborientalischem Kostüm, ein älteres und ein jüngeres, mit den Anfangs-- grttuden der Musik beschäftigt. Aber auch er weiß ernste Töne anzuschlagen. Neben dieses heitere Genrebild stellt er eine religiöse Komposition strengen Stils: Elias, dem der Engel in der Wüste erscheint und Speise und Trank spendet. Leslie, der dritte, erschließt uns die vornehme Schönheit eines englischen Parks, den im Vordergrunde ein Bach durchfließt. Auf der Brücke, die über den Bach führt, und auf dem saftigen Rasen des Ufers stehen junge Mädchen, die — eine Frage an das Schicksal — Rosen in deu Bach werfen und dem Spiele des vorwärts treibenden Wassers zuschauen. Gerade darin, daß der Engländer uus auf seinen Bildern den Menschen mit Vorliebe im innigsten Zusammen¬ hang mit der Natur zeigt, und zwar, indem er beide gleichwertig behandelt, nicht den einen als Staffage und nicht die andere als bloßen Hintergrund, gerade in dieser Zusammenstimmung des Belebten und Unbelebten liegt der hauptsächlichste Reiz dieser Gemälde. Die Figuren sind meist in Zweidrittel- Lebensgröße dargestellt, ein Maßstab, der dem Maler gestattet, die seelischen Affekte im Angesicht dentlich wiederzuspiegeln. Ein Muster von stimmungs-- und empfindungsvoller Verbindung der Landschaft mit den Gefühlen des Menschen hat E. H. Fahey mit einem Bilde geboten, auf dem wir in der Abenddämmerung eine junge Dame sehen, welche am Ufer eines stillen Weihers steht und in sehnsüchtiger, ungeduldiger Erwartung nach der andern Seite hinüberblickt: Er kommt nicht! Nicht minder ergreifend und unmittelbar zum Herzen sprechend ist ein Genrebild von Marcus Störe: eine glückliche Arbeiter-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/119
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/119>, abgerufen am 03.07.2024.