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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Schon am 25. September 1860 brach Speke mit dem Titel Kapitän und
als Führer einer neuen Expedition im Auftrage der Englischen Geographischen
Gesellschaft mit seinem alten indischen Kameraden Kapitän Grant abermals
von Zanzibar auf. Erst am 31. Januar 1862 wurden sie des Victoria Nycmza
ansichtig. Sie entdeckten später am nördlichen Seeufer die Murchison-Bai und
am 28. Juli die Nipon-Fülle am Ausfluß des Victoria-Sees. Das ganze
Ergebniß seiner zweijährigen Reise faßt Speke auch diesmal in die Worte zu¬
sammen, daß "der alte Vater Nil unzweifelhaft in diesem See entspringe, dieser
die Quelle des heiligen Flusses sei, welcher die Wiege des ersten Verkündigers
unseres Glaubens trug." Danach durchlief der Nil die erstaunliche Länge von
2300 (engl.) Meilen, d. h. mehr als ein Elftel der Länge des Erdumfangs.
Speke fährt fort: "Von dem südlichsten Punkte des Sees, wo der Nil aus¬
strömt, nun westlich herum bis dahin, wo der Große Nil ausströmt, ist nur
ein Zufluß von Bedeutung, der Kitangnle-Fluß>" Später bemerkt er hierzu:
"Ein Umstand erschien znerst etwas verwirrend. Die Wassermnsse im Kitangule
(Alexandra-Nil) schien so groß wie die des Nil (Victoria); der eine war aber
ein langsamfließender, der andere ein schnellstrvmender Fluß, und ans diesem
Grnnde konnte ich keine zutreffende Schätzung ihres relativen Umfangs und
ihres Verhältnisses zueinander machen. "Erhebliche Bedenken gegen die
Richtigkeit der Speke'schen Hypothese blieben nach wie vor bestehen, und zwar
ebenso !sehr gegen seine Nilqnellenentdeckung, als gegen seine Schätzung des
Flächengehaltes des Vietoriasees, der 29,000 Quadratmeilen bedecken sollte!
Namentlich David Livingstone verwies den großen See Speke's nach Berichten
arabischer Händler, die er auf seiner letzten Entdeckungsreise aufgenommen,
unter die zahllosen "Binsengräben" Jnnerafrika's. Auch der einstige Kamerad
Burton sorgte für eine möglichst geringschätzige Beurtheilung. So erschien
denn die genauere Durchforschung des Victoria-Sees als die Hauptaufgabe
eines neuen Entdeckers, um die Unruhe und Unzufriedenheit zu beseitigen
welche die bisherigen Berichte in der wissenschaftlichen Welt erregt hatten. Am
4. Juni 1862 schifften sich Speke und Grant in Alexandrien nach England
ein, wo sie nach einer Abwesenheit von 1146 Tagen anlangten.

Die Forschungsreisen David Livingstone's brachten zunächst mehr Licht in
die Beschaffenheit des Tanganikci-Sees. Er sah diesen znerst am 2. April 1867
von dem steilen Plateau aus, das sich am Südwestende des Sees erhebt, bis
nach Kaseuge, der von Speke 1858 besuchte" Insel. Er bereiste nun theils
allein, theils 1871 mit Stanley und dann acht Monate, nachdem dieser ihn
verlassen, vom August bis Oktober 1872 den See in seiner ganzen Ausdehnung
mit einziger Ausnahme des Ausflusses des Sees, dem Lukuga-Fluß, den im
Februar 1874 Lieutenant Cameron ziemlich mühelos entdeckte. Namentlich


Schon am 25. September 1860 brach Speke mit dem Titel Kapitän und
als Führer einer neuen Expedition im Auftrage der Englischen Geographischen
Gesellschaft mit seinem alten indischen Kameraden Kapitän Grant abermals
von Zanzibar auf. Erst am 31. Januar 1862 wurden sie des Victoria Nycmza
ansichtig. Sie entdeckten später am nördlichen Seeufer die Murchison-Bai und
am 28. Juli die Nipon-Fülle am Ausfluß des Victoria-Sees. Das ganze
Ergebniß seiner zweijährigen Reise faßt Speke auch diesmal in die Worte zu¬
sammen, daß „der alte Vater Nil unzweifelhaft in diesem See entspringe, dieser
die Quelle des heiligen Flusses sei, welcher die Wiege des ersten Verkündigers
unseres Glaubens trug." Danach durchlief der Nil die erstaunliche Länge von
2300 (engl.) Meilen, d. h. mehr als ein Elftel der Länge des Erdumfangs.
Speke fährt fort: „Von dem südlichsten Punkte des Sees, wo der Nil aus¬
strömt, nun westlich herum bis dahin, wo der Große Nil ausströmt, ist nur
ein Zufluß von Bedeutung, der Kitangnle-Fluß>" Später bemerkt er hierzu:
„Ein Umstand erschien znerst etwas verwirrend. Die Wassermnsse im Kitangule
(Alexandra-Nil) schien so groß wie die des Nil (Victoria); der eine war aber
ein langsamfließender, der andere ein schnellstrvmender Fluß, und ans diesem
Grnnde konnte ich keine zutreffende Schätzung ihres relativen Umfangs und
ihres Verhältnisses zueinander machen. „Erhebliche Bedenken gegen die
Richtigkeit der Speke'schen Hypothese blieben nach wie vor bestehen, und zwar
ebenso !sehr gegen seine Nilqnellenentdeckung, als gegen seine Schätzung des
Flächengehaltes des Vietoriasees, der 29,000 Quadratmeilen bedecken sollte!
Namentlich David Livingstone verwies den großen See Speke's nach Berichten
arabischer Händler, die er auf seiner letzten Entdeckungsreise aufgenommen,
unter die zahllosen „Binsengräben" Jnnerafrika's. Auch der einstige Kamerad
Burton sorgte für eine möglichst geringschätzige Beurtheilung. So erschien
denn die genauere Durchforschung des Victoria-Sees als die Hauptaufgabe
eines neuen Entdeckers, um die Unruhe und Unzufriedenheit zu beseitigen
welche die bisherigen Berichte in der wissenschaftlichen Welt erregt hatten. Am
4. Juni 1862 schifften sich Speke und Grant in Alexandrien nach England
ein, wo sie nach einer Abwesenheit von 1146 Tagen anlangten.

Die Forschungsreisen David Livingstone's brachten zunächst mehr Licht in
die Beschaffenheit des Tanganikci-Sees. Er sah diesen znerst am 2. April 1867
von dem steilen Plateau aus, das sich am Südwestende des Sees erhebt, bis
nach Kaseuge, der von Speke 1858 besuchte» Insel. Er bereiste nun theils
allein, theils 1871 mit Stanley und dann acht Monate, nachdem dieser ihn
verlassen, vom August bis Oktober 1872 den See in seiner ganzen Ausdehnung
mit einziger Ausnahme des Ausflusses des Sees, dem Lukuga-Fluß, den im
Februar 1874 Lieutenant Cameron ziemlich mühelos entdeckte. Namentlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/110>, abgerufen am 01.07.2024.