Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.Da sich die Neigung der Künstler wie des großen Publikums also nach Da sich die Neigung der Künstler wie des großen Publikums also nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139917"/> <p xml:id="ID_327" next="#ID_328"> Da sich die Neigung der Künstler wie des großen Publikums also nach<lb/> der Düsseldorfisch-belgischen Richtung entschieden hatte, darf es nicht Wunder<lb/> nehmen, daß sich die anfängliche Begeisterung sür Cornelius sehr bald abkühlte<lb/> und am Ende ganz verschwand. Cornelius that seinerseits anch nicht viel, um<lb/> sich die Sympathieen der Künstler und des Publikums zu erhalten, und so<lb/> geschah es, daß sich im Herzen des großen Meisters allmählich eine Verbitte¬<lb/> rung gegen Berlin und die Berliner einnistete, der,er bisweilen auch unver¬<lb/> hohlener Ausdruck gab. Zum ersten Male, bald nachdem die belgischen Bilder<lb/> Berlin verlassen hatten. In einer Sitzung des wissenschaftlichen Kunstvereins<lb/> war ein Vortrag, und zwar — weil der als Gast anwesende de Bisfve nicht<lb/> deutsch verstand — in französischer Sprache gehalten worden, in welchem, so<lb/> wurde Cornelius von einem Ohrenzeugen berichtet, der Redner die Leistungen<lb/> der deutschen Kunst gegen die belgischen Bilder herabgesetzt haben sollte. Cor¬<lb/> nelius schrieb an den Redner, dessen Namen Förster, welcher uns von dieser<lb/> Angelegenheit Mittheilung macht, verschweigt, einen entrüsteten Brief, dein eine<lb/> ebenfalls nicht sanfte Antwort folgte, und auf diese schrieb Cornelius einen<lb/> zweiten Brief, dem wir folgende charakteristische Stellen entnehmen: „Wenn die<lb/> in Rede stehenden belgischen Bilder den Anfang einer neuen Aera in der histo¬<lb/> rischen Malerei bezeichnen, wenn die romantische deutsche Kunst nur Todte<lb/> wieder zu erwecken bemüht gewesen ist, weil sie, — im Gegensatze der französischen<lb/> Romantik — aus die Bekenntnisse eines Klosterbruders geschworen habe, wenn<lb/> diese ihren Werken den Charakter der Zeit aufzudrücken strebt, und den deutschen<lb/> Künstlern zum Vorwurf gereichen soll, jdaß sie in einer idealen Welt leben,<lb/> wenn endlich der Beruf der flamändischen Schule darin erkannt wird, daß sie<lb/> die beiden angedeuteten exklusiven Richtungen vereinigen und in ihren Schö¬<lb/> pfungen die Wahrheit mit der Freiheit, wobei der Gegensatz der falschen Idea¬<lb/> lität und Unfreiheit der deutscheu Schule deutlich genug ausgesprochen wird,<lb/> verbinde, mithin das Prinzip derselben über das Prinzip der französischen und<lb/> der deutschen Schule gestellt wird, so kann ich darin nur eine unverdiente Her¬<lb/> abwürdigung der deutschen Nation in ihrer Kunstrichtung erkennen." Als<lb/> dann im Herbst 1843 das Oelbild „Christus in der Vorhölle", welches Cor¬<lb/> nelius für den Grafen Raczynski gemalt hatte, unter dem frischen Eindruck<lb/> der belgischen Bilder in den Augen der Künstler wie des Publikums erheblich<lb/> litt, wuchs die Verbitterung des Meisters begreiflicher Weise nur noch mehr.<lb/> Was ihn vollends veranlaßte, über Berlin und die Berliner den Stab zu<lb/> brechen, war eine Rezension im „Kunstblatt", welche im Jahre 1848 erschien<lb/> und mit der Chiffre r. 8. unterzeichnet war. Als Verfasser dieser Kritik<lb/> hat sich später Franz Kugler bekannt, also ein Mann, dessen kritische Com-<lb/> petenz keinem Zweifel unterzogen werden kann. Das, „Kunstblatt" erschien</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0096]
Da sich die Neigung der Künstler wie des großen Publikums also nach
der Düsseldorfisch-belgischen Richtung entschieden hatte, darf es nicht Wunder
nehmen, daß sich die anfängliche Begeisterung sür Cornelius sehr bald abkühlte
und am Ende ganz verschwand. Cornelius that seinerseits anch nicht viel, um
sich die Sympathieen der Künstler und des Publikums zu erhalten, und so
geschah es, daß sich im Herzen des großen Meisters allmählich eine Verbitte¬
rung gegen Berlin und die Berliner einnistete, der,er bisweilen auch unver¬
hohlener Ausdruck gab. Zum ersten Male, bald nachdem die belgischen Bilder
Berlin verlassen hatten. In einer Sitzung des wissenschaftlichen Kunstvereins
war ein Vortrag, und zwar — weil der als Gast anwesende de Bisfve nicht
deutsch verstand — in französischer Sprache gehalten worden, in welchem, so
wurde Cornelius von einem Ohrenzeugen berichtet, der Redner die Leistungen
der deutschen Kunst gegen die belgischen Bilder herabgesetzt haben sollte. Cor¬
nelius schrieb an den Redner, dessen Namen Förster, welcher uns von dieser
Angelegenheit Mittheilung macht, verschweigt, einen entrüsteten Brief, dein eine
ebenfalls nicht sanfte Antwort folgte, und auf diese schrieb Cornelius einen
zweiten Brief, dem wir folgende charakteristische Stellen entnehmen: „Wenn die
in Rede stehenden belgischen Bilder den Anfang einer neuen Aera in der histo¬
rischen Malerei bezeichnen, wenn die romantische deutsche Kunst nur Todte
wieder zu erwecken bemüht gewesen ist, weil sie, — im Gegensatze der französischen
Romantik — aus die Bekenntnisse eines Klosterbruders geschworen habe, wenn
diese ihren Werken den Charakter der Zeit aufzudrücken strebt, und den deutschen
Künstlern zum Vorwurf gereichen soll, jdaß sie in einer idealen Welt leben,
wenn endlich der Beruf der flamändischen Schule darin erkannt wird, daß sie
die beiden angedeuteten exklusiven Richtungen vereinigen und in ihren Schö¬
pfungen die Wahrheit mit der Freiheit, wobei der Gegensatz der falschen Idea¬
lität und Unfreiheit der deutscheu Schule deutlich genug ausgesprochen wird,
verbinde, mithin das Prinzip derselben über das Prinzip der französischen und
der deutschen Schule gestellt wird, so kann ich darin nur eine unverdiente Her¬
abwürdigung der deutschen Nation in ihrer Kunstrichtung erkennen." Als
dann im Herbst 1843 das Oelbild „Christus in der Vorhölle", welches Cor¬
nelius für den Grafen Raczynski gemalt hatte, unter dem frischen Eindruck
der belgischen Bilder in den Augen der Künstler wie des Publikums erheblich
litt, wuchs die Verbitterung des Meisters begreiflicher Weise nur noch mehr.
Was ihn vollends veranlaßte, über Berlin und die Berliner den Stab zu
brechen, war eine Rezension im „Kunstblatt", welche im Jahre 1848 erschien
und mit der Chiffre r. 8. unterzeichnet war. Als Verfasser dieser Kritik
hat sich später Franz Kugler bekannt, also ein Mann, dessen kritische Com-
petenz keinem Zweifel unterzogen werden kann. Das, „Kunstblatt" erschien
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