Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.Wie Schadow in seiner Jugend war Wach in seiner späteren Zeit viel¬ Wilhelm Schadow hatte seine erste Lorbeern in Berlin als Porträtmaler Wach suchte auch als Porträtmaler seine raffaelischen Studien zu ver¬ Wie Schadow in seiner Jugend war Wach in seiner späteren Zeit viel¬ Wilhelm Schadow hatte seine erste Lorbeern in Berlin als Porträtmaler Wach suchte auch als Porträtmaler seine raffaelischen Studien zu ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0091" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139912"/> <p xml:id="ID_314"> Wie Schadow in seiner Jugend war Wach in seiner späteren Zeit viel¬<lb/> fach als Porträtmaler thätig. Es liegt im Wesen der Porträtmalerei, daß sie<lb/> nur in großen Städten gedeihen kann. Die Lebensbedingungen, die sie braucht,<lb/> sind überwiegend äußere. Doch ist der Volkscharakter auch nicht ohne Ein¬<lb/> fluß auf ihre Blüthe. In England, wo sich frühzeitig ein freies, öffentliches<lb/> Leben entwickele, wo das Individuum sich vermöge eigener Kraft aus den<lb/> Massen heben konnte, ohne das Relief eines ererbten Namens zu brauchen,<lb/> entwickelte sich auch am frühesten eine blühende Porträtmalerei. Sie steht<lb/> dem praktischen Leben am nächsten; sie dient keinem idealen Interesse oder sie<lb/> thut es doch nnr in seltenen Ausnahmefällen. Eigenliebe und Ruhmsucht sind<lb/> ihre besten Pfleger. Die Republik ist ihr weniger günstig als die Monarchie.<lb/> In Berlin hat sie einen nicht minder guten Boden gefunden als in London.<lb/> Hier traten noch andere Umstände hinzu, die sie hegten und förderten: ein<lb/> reges gesellschaftliches Leben, die hier grassirende Lust zu bewundern und be¬<lb/> wundert zu werden, ein der ganzen Bevölkerung eigenthümlicher realistischer<lb/> Sinn, der seine Freude an der Gegenwart hat und der auch sür die realisti¬<lb/> sche Porträtbildnerei eines Gottfried Schadow und eines Rauch den Boden<lb/> bereitete. Unter so bewandten Verhältnissen ist es erklärlich, daß die Porträt¬<lb/> malerei in der modernen Berliner Kunst von Anbeginn eine hervorragende<lb/> Stellung einnahm und bis auf den heutigen Tag einnimmt. In einzelnen<lb/> Perioden tritt sie derart in den Vordergrund, daß sie allein den Zusammen¬<lb/> hang in der geschichtlichen Entwickelung der Berliner Malerei aufrecht erhält.</p><lb/> <p xml:id="ID_315"> Wilhelm Schadow hatte seine erste Lorbeern in Berlin als Porträtmaler<lb/> gepflückt, was den jungen Künstler, wenn wir einer Bemerkung der Henriette<lb/> Herz glauben dürfen, mit nicht geringem Selbstgefühl erfüllte. „Den jüngsten<lb/> Schadow sah ich beim Abschiede von Berlin (1810)," so schreibt sie an die<lb/> Malerin Louise Seidler, „als einen zierlichen jungen Weltmann und eleganten<lb/> Portraitmaler, der durch einige ähnliche Porträts vornehmer Personen schon<lb/> eine Art von Ruf hatte, der ihn über Gebühr eitel machte." Acht Jahre<lb/> später sah sie ihn in Rom wieder. „Schadow," so schrieb sie nun, „war ein<lb/> Porträtmaler geworden, der jedes Porträt zum Tableau erhöhte."</p><lb/> <p xml:id="ID_316"> Wach suchte auch als Porträtmaler seine raffaelischen Studien zu ver¬<lb/> werthen. Ein merkwürdiges Beispiel dafür ist das Bildniß der Gräfin Ra-<lb/> czynski in der Galerie ihres Gatten in Berlin, das obenein auf den Wunsch<lb/> des letzteren im Costüm und in der Haltung Raffaels berühmtem Porträt der<lb/> Johanna von Arrcigonien nachgebildet ist. — In seinen letzten Lebensjahren<lb/> nahm Wach als Vicedirektor der Akademie und Vertreter des Cornelius auch<lb/> äußerlich eine hervorragende und einflußreiche Stellung ein. Er starb im<lb/> Jahre 1845.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
Wie Schadow in seiner Jugend war Wach in seiner späteren Zeit viel¬
fach als Porträtmaler thätig. Es liegt im Wesen der Porträtmalerei, daß sie
nur in großen Städten gedeihen kann. Die Lebensbedingungen, die sie braucht,
sind überwiegend äußere. Doch ist der Volkscharakter auch nicht ohne Ein¬
fluß auf ihre Blüthe. In England, wo sich frühzeitig ein freies, öffentliches
Leben entwickele, wo das Individuum sich vermöge eigener Kraft aus den
Massen heben konnte, ohne das Relief eines ererbten Namens zu brauchen,
entwickelte sich auch am frühesten eine blühende Porträtmalerei. Sie steht
dem praktischen Leben am nächsten; sie dient keinem idealen Interesse oder sie
thut es doch nnr in seltenen Ausnahmefällen. Eigenliebe und Ruhmsucht sind
ihre besten Pfleger. Die Republik ist ihr weniger günstig als die Monarchie.
In Berlin hat sie einen nicht minder guten Boden gefunden als in London.
Hier traten noch andere Umstände hinzu, die sie hegten und förderten: ein
reges gesellschaftliches Leben, die hier grassirende Lust zu bewundern und be¬
wundert zu werden, ein der ganzen Bevölkerung eigenthümlicher realistischer
Sinn, der seine Freude an der Gegenwart hat und der auch sür die realisti¬
sche Porträtbildnerei eines Gottfried Schadow und eines Rauch den Boden
bereitete. Unter so bewandten Verhältnissen ist es erklärlich, daß die Porträt¬
malerei in der modernen Berliner Kunst von Anbeginn eine hervorragende
Stellung einnahm und bis auf den heutigen Tag einnimmt. In einzelnen
Perioden tritt sie derart in den Vordergrund, daß sie allein den Zusammen¬
hang in der geschichtlichen Entwickelung der Berliner Malerei aufrecht erhält.
Wilhelm Schadow hatte seine erste Lorbeern in Berlin als Porträtmaler
gepflückt, was den jungen Künstler, wenn wir einer Bemerkung der Henriette
Herz glauben dürfen, mit nicht geringem Selbstgefühl erfüllte. „Den jüngsten
Schadow sah ich beim Abschiede von Berlin (1810)," so schreibt sie an die
Malerin Louise Seidler, „als einen zierlichen jungen Weltmann und eleganten
Portraitmaler, der durch einige ähnliche Porträts vornehmer Personen schon
eine Art von Ruf hatte, der ihn über Gebühr eitel machte." Acht Jahre
später sah sie ihn in Rom wieder. „Schadow," so schrieb sie nun, „war ein
Porträtmaler geworden, der jedes Porträt zum Tableau erhöhte."
Wach suchte auch als Porträtmaler seine raffaelischen Studien zu ver¬
werthen. Ein merkwürdiges Beispiel dafür ist das Bildniß der Gräfin Ra-
czynski in der Galerie ihres Gatten in Berlin, das obenein auf den Wunsch
des letzteren im Costüm und in der Haltung Raffaels berühmtem Porträt der
Johanna von Arrcigonien nachgebildet ist. — In seinen letzten Lebensjahren
nahm Wach als Vicedirektor der Akademie und Vertreter des Cornelius auch
äußerlich eine hervorragende und einflußreiche Stellung ein. Er starb im
Jahre 1845.
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