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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Befehl des Königs im Lagerhause neben Rauch und Tieck ein eigenes Atelier
angewiesen. Nach Pariser Muster eröffnete er eine Malerschule, zu der sich
bald Schüler in Menge drängten. Bis zum Jahre 1837, wo Wach seine
Lehrthätigkeit niederlegte, sind aus ihr mehr als siebenzig Schüler hervorge¬
gangen, unter ihnen freilich keiner von der Bedeutung der Düsseldorfer, die
mit Schadow fortgezogen, aber immerhin beachtenswerthe Talente, welche ein
Menschenalter hindurch die Berliner Malerschule repräsentirten und auf deren
Schultern viele unserer modernen Maler stehen.

Wach war kein originales Talent, das eine besondere Richtung in der
Malerei hätte inauguriren können. Wie seinem Freunde Schadow fehlte auch
ihm der geniale, selbständige Zug. Er war noch in einem höheren Grade
Eklektiker als jener. Sowohl auf dem Gebiete der religiösen Staffeleimalerei
wie auf dem der monumentalen werden wir überall an seine Vorbilder, an
Rciffael, Giulio Romo.no, Andrea del Sarto erinnert. Seine beiden hervor¬
ragendsten Werke religiösen Inhalts -- die thronende Madonna mit dem
segenspendenden kleinen Heiland, welche die Stadt Berlin der Prinzessin Luise
von Preußen bei ihrer Vermählung mit dem Prinzen Friedrich der Nieder¬
lande zum Geschenk machte, und die drei himmlischen Tugenden in der Wer-
derschen Kirche in Berlin -- legen Zeugniß für seine eklektische Richtung, aber
ebenso sehr auch für sein hervorragendes Kompositionstalent, für sein koloristi¬
sches Können und für feine Kenntnisse in der Architektur und Perspektive ab.
Daß Wach auch den monumentalen Stil vollkommen verstand und beherrschte,
das beweisen die Bilder der neun Musen, welche die Decke des Berliner Schau¬
spielhauses zieren. Die Höhe des Plafonds und der Glanz des Kronleuchters
am Abend verhindert freilich den Beschauer, die Vorzüge dieser anmuthigen
Gestalten, welche, von ovalen Medaillons umschlossen, in die Streifen eines
neuntheiligen, fächerartigen Velariums eingefügt sind, voll und ganz zu wür¬
digem Man muß sie nach den Originalkartons, welche die Berliner Kunst¬
akademie besitzt, oder nach den Stichen von Caspar beurtheilen, die Caspar
im Jahre 1820 ausführte und die jetzt durch Jordan neu herausgegeben wor¬
den sind. In diesen Musengestalten zeigt sich der Einfluß Raffaels am stärk¬
sten, so stark, daß der französische Klassicismus fast ganz in den Hintergrund
tritt und sich nur hie und da in dem Arrangement der Gewänder kund giebt.
Eine echt raffaelische Grazie athmet in diesen Gestalten, eine klassische Naivetät
spricht aus ihnen, wie wir sie in den erhabenen Allegorieen finden, mit
welchen Raffael die Stanza della segnatura im Vatikan geschmückt hat. Die
herrliche Gestalt der Poesie war es vorzugsweise, die Wach inspirirte, Seine
"Clio" und seine "Urania" rufen in uns auf den ersten Blick die Erinnerung
an die idealste Verkörperung der Dichtkunst wach.


Befehl des Königs im Lagerhause neben Rauch und Tieck ein eigenes Atelier
angewiesen. Nach Pariser Muster eröffnete er eine Malerschule, zu der sich
bald Schüler in Menge drängten. Bis zum Jahre 1837, wo Wach seine
Lehrthätigkeit niederlegte, sind aus ihr mehr als siebenzig Schüler hervorge¬
gangen, unter ihnen freilich keiner von der Bedeutung der Düsseldorfer, die
mit Schadow fortgezogen, aber immerhin beachtenswerthe Talente, welche ein
Menschenalter hindurch die Berliner Malerschule repräsentirten und auf deren
Schultern viele unserer modernen Maler stehen.

Wach war kein originales Talent, das eine besondere Richtung in der
Malerei hätte inauguriren können. Wie seinem Freunde Schadow fehlte auch
ihm der geniale, selbständige Zug. Er war noch in einem höheren Grade
Eklektiker als jener. Sowohl auf dem Gebiete der religiösen Staffeleimalerei
wie auf dem der monumentalen werden wir überall an seine Vorbilder, an
Rciffael, Giulio Romo.no, Andrea del Sarto erinnert. Seine beiden hervor¬
ragendsten Werke religiösen Inhalts — die thronende Madonna mit dem
segenspendenden kleinen Heiland, welche die Stadt Berlin der Prinzessin Luise
von Preußen bei ihrer Vermählung mit dem Prinzen Friedrich der Nieder¬
lande zum Geschenk machte, und die drei himmlischen Tugenden in der Wer-
derschen Kirche in Berlin — legen Zeugniß für seine eklektische Richtung, aber
ebenso sehr auch für sein hervorragendes Kompositionstalent, für sein koloristi¬
sches Können und für feine Kenntnisse in der Architektur und Perspektive ab.
Daß Wach auch den monumentalen Stil vollkommen verstand und beherrschte,
das beweisen die Bilder der neun Musen, welche die Decke des Berliner Schau¬
spielhauses zieren. Die Höhe des Plafonds und der Glanz des Kronleuchters
am Abend verhindert freilich den Beschauer, die Vorzüge dieser anmuthigen
Gestalten, welche, von ovalen Medaillons umschlossen, in die Streifen eines
neuntheiligen, fächerartigen Velariums eingefügt sind, voll und ganz zu wür¬
digem Man muß sie nach den Originalkartons, welche die Berliner Kunst¬
akademie besitzt, oder nach den Stichen von Caspar beurtheilen, die Caspar
im Jahre 1820 ausführte und die jetzt durch Jordan neu herausgegeben wor¬
den sind. In diesen Musengestalten zeigt sich der Einfluß Raffaels am stärk¬
sten, so stark, daß der französische Klassicismus fast ganz in den Hintergrund
tritt und sich nur hie und da in dem Arrangement der Gewänder kund giebt.
Eine echt raffaelische Grazie athmet in diesen Gestalten, eine klassische Naivetät
spricht aus ihnen, wie wir sie in den erhabenen Allegorieen finden, mit
welchen Raffael die Stanza della segnatura im Vatikan geschmückt hat. Die
herrliche Gestalt der Poesie war es vorzugsweise, die Wach inspirirte, Seine
„Clio" und seine „Urania" rufen in uns auf den ersten Blick die Erinnerung
an die idealste Verkörperung der Dichtkunst wach.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/90>, abgerufen am 06.10.2024.