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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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hierher kommen. Allah hat unserm Vater, dem Zaren, viel Land gegeben.
Wozu braucht er noch mehr?"

In Arabkir besuchte Bnruaby auch eine Schule und als der Schulmeister
sich nicht vor ihm erhob und ihn grob anließ, zeigte ihn der Reisende beim
Kaimakam an, welcher den Lehrer sofort ins Gefängniß sperren ließ, aus dem
er nur auf Buruabys Bitten wieder entlassen wurde. Wir führen dies unbe¬
deutende Stückchen hier uur an, weil es uns im grellen Gegensatze zu der oft
von Buruaby betonten türkischen Gerechtigkeitsliebe zu stehen scheint. In der
Stadt gingen die merkwürdigsten Gerüchte um; die Leute waren durch den
drohenden Krieg unglaublich aufgeregt und erzählten sich, der Emir von
Kaschgar in Innerasien sei gegen die Russen losgebrochen und habe 20,000
Mann bei Taschkend gefangen. "Allah ist augenscheinlich auf unserer Seite,
riefen die Türken; hoffentlich schneidet der Emir allen Russen die Kehlen ab."

Bei Egin erreichte man den oberen Lauf des Euphrat, hier Frat oder
Kam Su genannt. Der Fluß war 9--10 Fuß tief, 120 Ellen breit und
voll großer Fische. Eine hölzerne Brücke führt über den Strom, der am östli¬
chen User vom Hasta Dagh begrenzt wird, welcher einen kleinen Gletscher
trägt. Nachdem dieser glücklich passirt war, kam man in eine Landschaft, die
von Kurden vollständig ausgeraubt war. Den türkischen Beamten, die hierher
geschickt werden, sagen die Kurdischen Häuptlinge: "Der Padischah ist Sultan
in Stambul, hier sind wir Sultane." Alle Maßregeln der Türken haben nicht
vermocht hier Ordnung zu schaffen und die Kurden sind in der That so gut
wie unabhängig.

In Ersingan am obern Euphrat, schon zu Armenien gehörig, machte
Burnaby einen längeren Aufenthalt. Er hatte ihn in der That auch dringend
nöthig, denn er war von Konstantinopel ab bis hierher gerade 1000 englische
Meilen geritten und er, wie seine Pferde und Diener, waren ganz herunter.
Nach dem Berichte eines 90jährigen italienischen Arztes, der hierher verschlagen
worden war und ein halbes Jahrhundert hier bereits lebte, war Ersingan ein
wunderbar billiger Ort. Ein fettes Schaf kostet dort 6 Mark; 80 Eier eine
Mark; für 10 Pfennige erhält man 2V- Pfund Brod und nur Brennstoff ist
in dem baumarmen Lande theuer. Ein gutes Pferd ist für 200 Mark zu
haben und für 1000 Mark kann man sehr gut ein Jahr in Ersingan leben.

Es war bitter kalt als Burnaby über die Berge ritt, welche Ersingan
von Erzerum trennen; doch nach viertägigem, mühevollem Ritte wurde die
Hauptstadt Armeniens erreicht, wo unsres Reisenden eine eigenthümliche Ueber-
raschung harrte. Als er dem Gouverneur, Ismael Chan*), seine Aufwartung



Es ist derselbe, der in der letzten Zeit gegen General Tergukassow focht und durch
seine Lügenbullctins sich auszeichnete.

hierher kommen. Allah hat unserm Vater, dem Zaren, viel Land gegeben.
Wozu braucht er noch mehr?"

In Arabkir besuchte Bnruaby auch eine Schule und als der Schulmeister
sich nicht vor ihm erhob und ihn grob anließ, zeigte ihn der Reisende beim
Kaimakam an, welcher den Lehrer sofort ins Gefängniß sperren ließ, aus dem
er nur auf Buruabys Bitten wieder entlassen wurde. Wir führen dies unbe¬
deutende Stückchen hier uur an, weil es uns im grellen Gegensatze zu der oft
von Buruaby betonten türkischen Gerechtigkeitsliebe zu stehen scheint. In der
Stadt gingen die merkwürdigsten Gerüchte um; die Leute waren durch den
drohenden Krieg unglaublich aufgeregt und erzählten sich, der Emir von
Kaschgar in Innerasien sei gegen die Russen losgebrochen und habe 20,000
Mann bei Taschkend gefangen. „Allah ist augenscheinlich auf unserer Seite,
riefen die Türken; hoffentlich schneidet der Emir allen Russen die Kehlen ab."

Bei Egin erreichte man den oberen Lauf des Euphrat, hier Frat oder
Kam Su genannt. Der Fluß war 9—10 Fuß tief, 120 Ellen breit und
voll großer Fische. Eine hölzerne Brücke führt über den Strom, der am östli¬
chen User vom Hasta Dagh begrenzt wird, welcher einen kleinen Gletscher
trägt. Nachdem dieser glücklich passirt war, kam man in eine Landschaft, die
von Kurden vollständig ausgeraubt war. Den türkischen Beamten, die hierher
geschickt werden, sagen die Kurdischen Häuptlinge: „Der Padischah ist Sultan
in Stambul, hier sind wir Sultane." Alle Maßregeln der Türken haben nicht
vermocht hier Ordnung zu schaffen und die Kurden sind in der That so gut
wie unabhängig.

In Ersingan am obern Euphrat, schon zu Armenien gehörig, machte
Burnaby einen längeren Aufenthalt. Er hatte ihn in der That auch dringend
nöthig, denn er war von Konstantinopel ab bis hierher gerade 1000 englische
Meilen geritten und er, wie seine Pferde und Diener, waren ganz herunter.
Nach dem Berichte eines 90jährigen italienischen Arztes, der hierher verschlagen
worden war und ein halbes Jahrhundert hier bereits lebte, war Ersingan ein
wunderbar billiger Ort. Ein fettes Schaf kostet dort 6 Mark; 80 Eier eine
Mark; für 10 Pfennige erhält man 2V- Pfund Brod und nur Brennstoff ist
in dem baumarmen Lande theuer. Ein gutes Pferd ist für 200 Mark zu
haben und für 1000 Mark kann man sehr gut ein Jahr in Ersingan leben.

Es war bitter kalt als Burnaby über die Berge ritt, welche Ersingan
von Erzerum trennen; doch nach viertägigem, mühevollem Ritte wurde die
Hauptstadt Armeniens erreicht, wo unsres Reisenden eine eigenthümliche Ueber-
raschung harrte. Als er dem Gouverneur, Ismael Chan*), seine Aufwartung



Es ist derselbe, der in der letzten Zeit gegen General Tergukassow focht und durch
seine Lügenbullctins sich auszeichnete.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/74>, abgerufen am 29.12.2024.