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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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machte, sagte ihm dieser, beim russischen Konsul in Erzerum sei soelien pig>
Kaukasus und Batna ein Telegramm angelangt, welches folgenden Inhalt habe:

"Vor zwei Monaten verließ ein gewisser .Kapitän Burnaby Konstantinopel
in der Absicht Kleinasien zu bereisen. Er ist ein ausgemachter Feind der
Russen und wir haben, seit er Konstantinopel verließ, seine Spur verloren.
Wir glauben, daß der eigentliche Zweck seiner Reise eine Rekognoscirnng der
russischen Grenze ist. Geben Sie, mein Herr, sich alle Mühe, ausfindig zu
machen, wo der genannte Kapitän sich befindet und zeigen Sie ihm, wenn das
gelungen ist, an, daß er sosort ausgewiesen werden wird, wenn er unsre Grenze
überschreitet." Burnabys Photographie war in allen russischen Grenzposten
in Armenien ausgehängt und unser Autor, dessen Liebe zu den Russen hier¬
durch keineswegs vermehrt wurde, berichtet uns, daß es niemals seine Absicht
gewesen sei auf russisches Gebiet überzutreten. Doch glauben wir, daß die
Trauben sauer waren.

Da nun von einem Vordringen nach Russisch-Armenien nicht mehr die
Rede sein konnte, so ritt Burnaby trotz ungeheurer Schneemassen, die oft tage¬
lang die Straße sperrten, in südöstlicher Richtung von Erzerum nach Wein am,
gleichnamigen See nahe der persischen Grenze; eine Kcimelkaravcme, deren
Führer in Schaffelle gekleidet waren und die bekannten persischen Pelzmützen
trugen, zeigte die Nähe der Grenze an. Es war ein entsetzlicher Weg und
man mußte froh sein, wenn man in einer elenden armenischen Hütte vor
Wind und Wetter geborgen war. In einer solchen sah unser Autor das
amüsante Schauspiel, wie ein schmutziger Armenier sich mit seiner ganzen
Familie an einem Stücke Zucker delektirte, das Reih um ging. Jeder saugte
daran und als es der Hausherr schließlich verschlang, hagelten von Seiten
der dadurch beeinträchtigten Gattin Schimpfworte auf ihn nieder. Von Wan
zog er dann nach Bajcisid -- oft genannt im letzten Kriege -- wobei der ge¬
frorene Araxes passirt wurde. Alle Dörfer lagen voll Soldaten, die in ihren
zerlumpten Kleidern froren und sich über das Ausbleiben des Soldes beklagten.
Kaum minder zerlumpt waren die Kurdischen Bauern, deren Töchter durch
blendende Schönheit sich auszeichneten, aber abscheulich schmutzig waren. Mo¬
hammed, der Diener, schaute sie mit lüsternen Augen an und meinte, gutge¬
waschen würden sie in Konstantinopel hohe Preise erzielen. "Es ist jammer¬
schade, fuhr er fort, daß Ihr, Effendi, nicht den Propheten bekennt. Wie viel
schöne Weiber könntet Ihr hier kaufen!"

Bei Bajazid erblickte man den Ararat und somit die russische Grenze, an
der Burnabys Photographie angeschlagen war. Von goldigem Sonnenschein
Übergossen, lag der schneegekrönte Dvppelgipfel des majestätischen Berges da,
auf dem der Tradition zufolge Noahs Arche nach der Sündfluth hängen ge-


machte, sagte ihm dieser, beim russischen Konsul in Erzerum sei soelien pig>
Kaukasus und Batna ein Telegramm angelangt, welches folgenden Inhalt habe:

„Vor zwei Monaten verließ ein gewisser .Kapitän Burnaby Konstantinopel
in der Absicht Kleinasien zu bereisen. Er ist ein ausgemachter Feind der
Russen und wir haben, seit er Konstantinopel verließ, seine Spur verloren.
Wir glauben, daß der eigentliche Zweck seiner Reise eine Rekognoscirnng der
russischen Grenze ist. Geben Sie, mein Herr, sich alle Mühe, ausfindig zu
machen, wo der genannte Kapitän sich befindet und zeigen Sie ihm, wenn das
gelungen ist, an, daß er sosort ausgewiesen werden wird, wenn er unsre Grenze
überschreitet." Burnabys Photographie war in allen russischen Grenzposten
in Armenien ausgehängt und unser Autor, dessen Liebe zu den Russen hier¬
durch keineswegs vermehrt wurde, berichtet uns, daß es niemals seine Absicht
gewesen sei auf russisches Gebiet überzutreten. Doch glauben wir, daß die
Trauben sauer waren.

Da nun von einem Vordringen nach Russisch-Armenien nicht mehr die
Rede sein konnte, so ritt Burnaby trotz ungeheurer Schneemassen, die oft tage¬
lang die Straße sperrten, in südöstlicher Richtung von Erzerum nach Wein am,
gleichnamigen See nahe der persischen Grenze; eine Kcimelkaravcme, deren
Führer in Schaffelle gekleidet waren und die bekannten persischen Pelzmützen
trugen, zeigte die Nähe der Grenze an. Es war ein entsetzlicher Weg und
man mußte froh sein, wenn man in einer elenden armenischen Hütte vor
Wind und Wetter geborgen war. In einer solchen sah unser Autor das
amüsante Schauspiel, wie ein schmutziger Armenier sich mit seiner ganzen
Familie an einem Stücke Zucker delektirte, das Reih um ging. Jeder saugte
daran und als es der Hausherr schließlich verschlang, hagelten von Seiten
der dadurch beeinträchtigten Gattin Schimpfworte auf ihn nieder. Von Wan
zog er dann nach Bajcisid — oft genannt im letzten Kriege — wobei der ge¬
frorene Araxes passirt wurde. Alle Dörfer lagen voll Soldaten, die in ihren
zerlumpten Kleidern froren und sich über das Ausbleiben des Soldes beklagten.
Kaum minder zerlumpt waren die Kurdischen Bauern, deren Töchter durch
blendende Schönheit sich auszeichneten, aber abscheulich schmutzig waren. Mo¬
hammed, der Diener, schaute sie mit lüsternen Augen an und meinte, gutge¬
waschen würden sie in Konstantinopel hohe Preise erzielen. „Es ist jammer¬
schade, fuhr er fort, daß Ihr, Effendi, nicht den Propheten bekennt. Wie viel
schöne Weiber könntet Ihr hier kaufen!"

Bei Bajazid erblickte man den Ararat und somit die russische Grenze, an
der Burnabys Photographie angeschlagen war. Von goldigem Sonnenschein
Übergossen, lag der schneegekrönte Dvppelgipfel des majestätischen Berges da,
auf dem der Tradition zufolge Noahs Arche nach der Sündfluth hängen ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/75>, abgerufen am 09.11.2024.