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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Im Jahrhundert der Ausgrabungen: die letztvergangenen drei Dekaden
scheinen diese appvsitwnale Bezeichnung rechtfertigen zu wollen. Denn wenn
die ersten 50 Jahre unseres Säculums wesentlich durch intellektuelle Errungen¬
schaften -- ans dem Gebiete der Philosophie, Theologie, Philologie, Literatur,
namentlich der Erfahrungswissenschaften -- bezeichnet werden, so tragen die
letzten M Jahre vorwiegend ein anderes Charakteristieum. -- Sind jene Fort¬
schritte des Intellektualismus die eigentlichen Bausteine zur gegenwärtigen
Kulturausbildung und -Vollendung, so haben die letzten Jahrzehnte dein billigen
Enthusiasmus: "Wie weit wir es gebracht" einen Dämpfer aufgesetzt, indem
sie uns das hochentwickelte Kulturleben des Alterthums, von Schutt und Asche
befreit, vor die staunenden Augen stellten.

Fast alle Kulturstätten des Alterthums werden gegenwärtig in Kontribu¬
tion gesetzt, und in den Kulturquellen des Orients darf sich unser alterndes
Jahrhundert spiegeln, um selbst zu sehen, wie häßlich ihm diesen redenden
Steinzeugnissen gegenüber das hochmüthige Achselzucken seines Kulturismus steht.

Die durch den größten aller Dichter mit dem Glänze der UnVergänglichkeit
verherrlichte Stadt am staunender nimmt bis zu diesem Augenblicke wieder das
Interesse der ganzen gebildeten Welt in Anspruch und hat Schliemcmns Namen
in aller Mund gebracht*); Ephesus und sein berühmter Artemistempel hat der
Energie des Engländers Wood fast gleich interessante Resultate geliefert, wie
Troja dem Grabscheit Schliemcmns;**) die Sprache, Kunstgeschichte und Archäo¬
logie, namentlich die nationalen Ursprünge der Etrusker haben durch die Ar¬
beiten Corssens, Deeckes und Crawfords bedeutsame Bereicherungen erfahren;***)
das Material der cypriotischen Inschriften liefert durch General Cesnola
gegenwärtig wichtige Ergebnisse für die Geschichte dieser alten Kulturstätte;f)
mit den Ausgrabungen zu Hamath in Syrien sind die Namen von Burton
und Tyrwhitt Drecke für immer verknüpft;-j-f) die ägyptische Forschung, un¬
trennbar von den Namen eines Pritchard, Chcunpollion, Lepsius, Brugsch,
Ebers :e. hat uns auf Grund der Denkmäler eine Kultur der Nilländer noch
vor Moses und Abraham aufgezeigt, deren Schilderungen aus so kompetenter







') H. Schliemann, Trojanische Alterthümer; Bericht über die Ausgrabungen in Troja
Leipzig 1374. Auch v. Sybel, Ueber Schliemcmns Troja; Bortr. Marburg, Elwert 1375;
v. Eckenbrecher, Die Lage des Homer. Troja, Düsseldorf 1375.
") E. Curtius. Beitr. zur Geschichte und Topographie Kleinasiens, Berlin 1872; des¬
selben Vortrag: Ephesos, Berlin 1874.
W. Corssen, Ueber die Sprache der Etrusker, Leipzig, Teubner 1374; H. Gerede,
Ueber den etruskischen Tauschhandel ze,, Frankfurt a. M> 1874. Crawford und Lindsah,
lArasvku InserixtiollL, Ang,1z?lZ. ste., London 1873; Is. ?az?1or, ZZrrnseÄN ReseÄroKes, London
1874.
f) Kenersl ni Osnols,, v^xrus i its -tnoisnt vieles, towbs et tonixles, London 1877
'
ff) K. Lnrton "na Ob. I?. ^zi^ohne, OruKe, Ilnoxxlorvä 8^ril", London 1372.

Im Jahrhundert der Ausgrabungen: die letztvergangenen drei Dekaden
scheinen diese appvsitwnale Bezeichnung rechtfertigen zu wollen. Denn wenn
die ersten 50 Jahre unseres Säculums wesentlich durch intellektuelle Errungen¬
schaften — ans dem Gebiete der Philosophie, Theologie, Philologie, Literatur,
namentlich der Erfahrungswissenschaften — bezeichnet werden, so tragen die
letzten M Jahre vorwiegend ein anderes Charakteristieum. — Sind jene Fort¬
schritte des Intellektualismus die eigentlichen Bausteine zur gegenwärtigen
Kulturausbildung und -Vollendung, so haben die letzten Jahrzehnte dein billigen
Enthusiasmus: „Wie weit wir es gebracht" einen Dämpfer aufgesetzt, indem
sie uns das hochentwickelte Kulturleben des Alterthums, von Schutt und Asche
befreit, vor die staunenden Augen stellten.

Fast alle Kulturstätten des Alterthums werden gegenwärtig in Kontribu¬
tion gesetzt, und in den Kulturquellen des Orients darf sich unser alterndes
Jahrhundert spiegeln, um selbst zu sehen, wie häßlich ihm diesen redenden
Steinzeugnissen gegenüber das hochmüthige Achselzucken seines Kulturismus steht.

Die durch den größten aller Dichter mit dem Glänze der UnVergänglichkeit
verherrlichte Stadt am staunender nimmt bis zu diesem Augenblicke wieder das
Interesse der ganzen gebildeten Welt in Anspruch und hat Schliemcmns Namen
in aller Mund gebracht*); Ephesus und sein berühmter Artemistempel hat der
Energie des Engländers Wood fast gleich interessante Resultate geliefert, wie
Troja dem Grabscheit Schliemcmns;**) die Sprache, Kunstgeschichte und Archäo¬
logie, namentlich die nationalen Ursprünge der Etrusker haben durch die Ar¬
beiten Corssens, Deeckes und Crawfords bedeutsame Bereicherungen erfahren;***)
das Material der cypriotischen Inschriften liefert durch General Cesnola
gegenwärtig wichtige Ergebnisse für die Geschichte dieser alten Kulturstätte;f)
mit den Ausgrabungen zu Hamath in Syrien sind die Namen von Burton
und Tyrwhitt Drecke für immer verknüpft;-j-f) die ägyptische Forschung, un¬
trennbar von den Namen eines Pritchard, Chcunpollion, Lepsius, Brugsch,
Ebers :e. hat uns auf Grund der Denkmäler eine Kultur der Nilländer noch
vor Moses und Abraham aufgezeigt, deren Schilderungen aus so kompetenter







') H. Schliemann, Trojanische Alterthümer; Bericht über die Ausgrabungen in Troja
Leipzig 1374. Auch v. Sybel, Ueber Schliemcmns Troja; Bortr. Marburg, Elwert 1375;
v. Eckenbrecher, Die Lage des Homer. Troja, Düsseldorf 1375.
") E. Curtius. Beitr. zur Geschichte und Topographie Kleinasiens, Berlin 1872; des¬
selben Vortrag: Ephesos, Berlin 1874.
W. Corssen, Ueber die Sprache der Etrusker, Leipzig, Teubner 1374; H. Gerede,
Ueber den etruskischen Tauschhandel ze,, Frankfurt a. M> 1874. Crawford und Lindsah,
lArasvku InserixtiollL, Ang,1z?lZ. ste., London 1873; Is. ?az?1or, ZZrrnseÄN ReseÄroKes, London
1874.
f) Kenersl ni Osnols,, v^xrus i its -tnoisnt vieles, towbs et tonixles, London 1877
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[0006] Im Jahrhundert der Ausgrabungen: die letztvergangenen drei Dekaden scheinen diese appvsitwnale Bezeichnung rechtfertigen zu wollen. Denn wenn die ersten 50 Jahre unseres Säculums wesentlich durch intellektuelle Errungen¬ schaften — ans dem Gebiete der Philosophie, Theologie, Philologie, Literatur, namentlich der Erfahrungswissenschaften — bezeichnet werden, so tragen die letzten M Jahre vorwiegend ein anderes Charakteristieum. — Sind jene Fort¬ schritte des Intellektualismus die eigentlichen Bausteine zur gegenwärtigen Kulturausbildung und -Vollendung, so haben die letzten Jahrzehnte dein billigen Enthusiasmus: „Wie weit wir es gebracht" einen Dämpfer aufgesetzt, indem sie uns das hochentwickelte Kulturleben des Alterthums, von Schutt und Asche befreit, vor die staunenden Augen stellten. Fast alle Kulturstätten des Alterthums werden gegenwärtig in Kontribu¬ tion gesetzt, und in den Kulturquellen des Orients darf sich unser alterndes Jahrhundert spiegeln, um selbst zu sehen, wie häßlich ihm diesen redenden Steinzeugnissen gegenüber das hochmüthige Achselzucken seines Kulturismus steht. Die durch den größten aller Dichter mit dem Glänze der UnVergänglichkeit verherrlichte Stadt am staunender nimmt bis zu diesem Augenblicke wieder das Interesse der ganzen gebildeten Welt in Anspruch und hat Schliemcmns Namen in aller Mund gebracht*); Ephesus und sein berühmter Artemistempel hat der Energie des Engländers Wood fast gleich interessante Resultate geliefert, wie Troja dem Grabscheit Schliemcmns;**) die Sprache, Kunstgeschichte und Archäo¬ logie, namentlich die nationalen Ursprünge der Etrusker haben durch die Ar¬ beiten Corssens, Deeckes und Crawfords bedeutsame Bereicherungen erfahren;***) das Material der cypriotischen Inschriften liefert durch General Cesnola gegenwärtig wichtige Ergebnisse für die Geschichte dieser alten Kulturstätte;f) mit den Ausgrabungen zu Hamath in Syrien sind die Namen von Burton und Tyrwhitt Drecke für immer verknüpft;-j-f) die ägyptische Forschung, un¬ trennbar von den Namen eines Pritchard, Chcunpollion, Lepsius, Brugsch, Ebers :e. hat uns auf Grund der Denkmäler eine Kultur der Nilländer noch vor Moses und Abraham aufgezeigt, deren Schilderungen aus so kompetenter ') H. Schliemann, Trojanische Alterthümer; Bericht über die Ausgrabungen in Troja Leipzig 1374. Auch v. Sybel, Ueber Schliemcmns Troja; Bortr. Marburg, Elwert 1375; v. Eckenbrecher, Die Lage des Homer. Troja, Düsseldorf 1375. ") E. Curtius. Beitr. zur Geschichte und Topographie Kleinasiens, Berlin 1872; des¬ selben Vortrag: Ephesos, Berlin 1874. W. Corssen, Ueber die Sprache der Etrusker, Leipzig, Teubner 1374; H. Gerede, Ueber den etruskischen Tauschhandel ze,, Frankfurt a. M> 1874. Crawford und Lindsah, lArasvku InserixtiollL, Ang,1z?lZ. ste., London 1873; Is. ?az?1or, ZZrrnseÄN ReseÄroKes, London 1874. f) Kenersl ni Osnols,, v^xrus i its -tnoisnt vieles, towbs et tonixles, London 1877 ' ff) K. Lnrton »na Ob. I?. ^zi^ohne, OruKe, Ilnoxxlorvä 8^ril», London 1372.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/6>, abgerufen am 27.07.2024.