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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Dekoration von farbigen Fliesen ausgezeichnet wird, gelangt man in das
Vestibül, und ans diesem in eine zweite Vorhalle, über der sich eine zierlich
durchbrochene Kuppel erhebt, durch welche ein hellblaues, wunderbar mildes
Licht auf den Eintretenden herabfällt. Ein Garten mit Springbrunnen
Palmengruppen und Ruheplätzen bildet das Zentrum der viereckigen Palast¬
anlage. Vier breite Galerien, welche die Ausstellungsräume einschließen, laufen
um den Garten herum, gegen den sie sich in maurischen Bögen öffnen, die von
schlanken Säulen getragen werden. Phantastisch verschlungene, lichtgelbe und
hellblaue Arabesken, die zu stetig wiederkehrenden Mustern kombinirt sind,
füllen die Zwickel der Fensterbogen und die Lünetten. Darunter ziehen sich
dunkelblaue Bänder hin mit arabischen Sprüchen in Goldschrift.

Runde Oberlichter und hohe Fenster verbreiten ein mildes Licht auf die
mit französischem Geschmack und mit orientalischer Pracht arrangirten Gruppen
der Ausstellungsgegenstände. Sie zeigen uns, daß es der französischen Herrschaft
vollständig gelungen ist, die Bewohner von Algier zu entnationalisiren. Nur
die kostbaren Seidengewebe, die mehrere Schränke füllen, erinnern an die
heimische Industrie, welche vor der französischen Okkupation eine gleich üppige
Blüthe erreicht, wie die von Marokko. Auch ein halbrunder Pavillon, welcher
aus der an dem Eingang liegenden Galerie heraustritt, enthält noch einen Abglanz
von der alten orientalischen Herrlichkeit, welche vor der nüchternen, europäischen
Civilisation dahingeschwunden ist. Dieser Pavillon umschließt das Rauchzimmer,
das Boudoir eines Scheikh. Eine Tapete ans Goldbrokat, das mit silbernen
Borten durchwirkt ist, bekleidet die Wand bis zu den mit kostbaren Seiden¬
zeugen behängten Divans, die in ununterbrochener Reihe dem Halbrund des
Pavillons folgen. Vor jedem Divan steht noch ein niedriger, sechseckiger Tisch
von Ebenholz mit plumpen Beinen, dessen Platte auf das Verschwenderischste
mit rosa, grün und hellblau schillerndem Perlmutter inkrustirt ist. Zu beiden
Seiten eines großen Krystallspiegels stehen auf zierlichen Konsolen zwei silberne
Gefäße, während ein kostbarer Nargileh auf den Wink des Gebieters harrt.
Ans diesem Paradies, welches die letzten Denkmäler einer ehemals blühenden,
jetzt im Untergang begriffenen Kunstindustrie umschließt, blickt man träumerisch
auf deu Palmengarten, seine springenden Wasser und seine exotischen Blumen,
ein Traum aus den Märchen der Scheherazade, der schnell verrinnt, wenn wir
hinaustreten und auf die grüne Seine zu unsern Füßen hinabblicken, auf die
ununterbrochen dahinbrcmsenden Dampfschiffe mit fröhlichen Menschen, die am
Qai de Lilly landen, um sich in dichtem Strom auf den Troeadero zu er¬
gießen.

Eine kleine Kolonie von Bazaren und Kafvs, aus denen ein betäubender
Lärm den Vorübergehenden entgegenschallt, niedrige mit flachen Kuppel" gedeckte


Dekoration von farbigen Fliesen ausgezeichnet wird, gelangt man in das
Vestibül, und ans diesem in eine zweite Vorhalle, über der sich eine zierlich
durchbrochene Kuppel erhebt, durch welche ein hellblaues, wunderbar mildes
Licht auf den Eintretenden herabfällt. Ein Garten mit Springbrunnen
Palmengruppen und Ruheplätzen bildet das Zentrum der viereckigen Palast¬
anlage. Vier breite Galerien, welche die Ausstellungsräume einschließen, laufen
um den Garten herum, gegen den sie sich in maurischen Bögen öffnen, die von
schlanken Säulen getragen werden. Phantastisch verschlungene, lichtgelbe und
hellblaue Arabesken, die zu stetig wiederkehrenden Mustern kombinirt sind,
füllen die Zwickel der Fensterbogen und die Lünetten. Darunter ziehen sich
dunkelblaue Bänder hin mit arabischen Sprüchen in Goldschrift.

Runde Oberlichter und hohe Fenster verbreiten ein mildes Licht auf die
mit französischem Geschmack und mit orientalischer Pracht arrangirten Gruppen
der Ausstellungsgegenstände. Sie zeigen uns, daß es der französischen Herrschaft
vollständig gelungen ist, die Bewohner von Algier zu entnationalisiren. Nur
die kostbaren Seidengewebe, die mehrere Schränke füllen, erinnern an die
heimische Industrie, welche vor der französischen Okkupation eine gleich üppige
Blüthe erreicht, wie die von Marokko. Auch ein halbrunder Pavillon, welcher
aus der an dem Eingang liegenden Galerie heraustritt, enthält noch einen Abglanz
von der alten orientalischen Herrlichkeit, welche vor der nüchternen, europäischen
Civilisation dahingeschwunden ist. Dieser Pavillon umschließt das Rauchzimmer,
das Boudoir eines Scheikh. Eine Tapete ans Goldbrokat, das mit silbernen
Borten durchwirkt ist, bekleidet die Wand bis zu den mit kostbaren Seiden¬
zeugen behängten Divans, die in ununterbrochener Reihe dem Halbrund des
Pavillons folgen. Vor jedem Divan steht noch ein niedriger, sechseckiger Tisch
von Ebenholz mit plumpen Beinen, dessen Platte auf das Verschwenderischste
mit rosa, grün und hellblau schillerndem Perlmutter inkrustirt ist. Zu beiden
Seiten eines großen Krystallspiegels stehen auf zierlichen Konsolen zwei silberne
Gefäße, während ein kostbarer Nargileh auf den Wink des Gebieters harrt.
Ans diesem Paradies, welches die letzten Denkmäler einer ehemals blühenden,
jetzt im Untergang begriffenen Kunstindustrie umschließt, blickt man träumerisch
auf deu Palmengarten, seine springenden Wasser und seine exotischen Blumen,
ein Traum aus den Märchen der Scheherazade, der schnell verrinnt, wenn wir
hinaustreten und auf die grüne Seine zu unsern Füßen hinabblicken, auf die
ununterbrochen dahinbrcmsenden Dampfschiffe mit fröhlichen Menschen, die am
Qai de Lilly landen, um sich in dichtem Strom auf den Troeadero zu er¬
gießen.

Eine kleine Kolonie von Bazaren und Kafvs, aus denen ein betäubender
Lärm den Vorübergehenden entgegenschallt, niedrige mit flachen Kuppel» gedeckte


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[0516] Dekoration von farbigen Fliesen ausgezeichnet wird, gelangt man in das Vestibül, und ans diesem in eine zweite Vorhalle, über der sich eine zierlich durchbrochene Kuppel erhebt, durch welche ein hellblaues, wunderbar mildes Licht auf den Eintretenden herabfällt. Ein Garten mit Springbrunnen Palmengruppen und Ruheplätzen bildet das Zentrum der viereckigen Palast¬ anlage. Vier breite Galerien, welche die Ausstellungsräume einschließen, laufen um den Garten herum, gegen den sie sich in maurischen Bögen öffnen, die von schlanken Säulen getragen werden. Phantastisch verschlungene, lichtgelbe und hellblaue Arabesken, die zu stetig wiederkehrenden Mustern kombinirt sind, füllen die Zwickel der Fensterbogen und die Lünetten. Darunter ziehen sich dunkelblaue Bänder hin mit arabischen Sprüchen in Goldschrift. Runde Oberlichter und hohe Fenster verbreiten ein mildes Licht auf die mit französischem Geschmack und mit orientalischer Pracht arrangirten Gruppen der Ausstellungsgegenstände. Sie zeigen uns, daß es der französischen Herrschaft vollständig gelungen ist, die Bewohner von Algier zu entnationalisiren. Nur die kostbaren Seidengewebe, die mehrere Schränke füllen, erinnern an die heimische Industrie, welche vor der französischen Okkupation eine gleich üppige Blüthe erreicht, wie die von Marokko. Auch ein halbrunder Pavillon, welcher aus der an dem Eingang liegenden Galerie heraustritt, enthält noch einen Abglanz von der alten orientalischen Herrlichkeit, welche vor der nüchternen, europäischen Civilisation dahingeschwunden ist. Dieser Pavillon umschließt das Rauchzimmer, das Boudoir eines Scheikh. Eine Tapete ans Goldbrokat, das mit silbernen Borten durchwirkt ist, bekleidet die Wand bis zu den mit kostbaren Seiden¬ zeugen behängten Divans, die in ununterbrochener Reihe dem Halbrund des Pavillons folgen. Vor jedem Divan steht noch ein niedriger, sechseckiger Tisch von Ebenholz mit plumpen Beinen, dessen Platte auf das Verschwenderischste mit rosa, grün und hellblau schillerndem Perlmutter inkrustirt ist. Zu beiden Seiten eines großen Krystallspiegels stehen auf zierlichen Konsolen zwei silberne Gefäße, während ein kostbarer Nargileh auf den Wink des Gebieters harrt. Ans diesem Paradies, welches die letzten Denkmäler einer ehemals blühenden, jetzt im Untergang begriffenen Kunstindustrie umschließt, blickt man träumerisch auf deu Palmengarten, seine springenden Wasser und seine exotischen Blumen, ein Traum aus den Märchen der Scheherazade, der schnell verrinnt, wenn wir hinaustreten und auf die grüne Seine zu unsern Füßen hinabblicken, auf die ununterbrochen dahinbrcmsenden Dampfschiffe mit fröhlichen Menschen, die am Qai de Lilly landen, um sich in dichtem Strom auf den Troeadero zu er¬ gießen. Eine kleine Kolonie von Bazaren und Kafvs, aus denen ein betäubender Lärm den Vorübergehenden entgegenschallt, niedrige mit flachen Kuppel» gedeckte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/516>, abgerufen am 01.09.2024.