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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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sich die Mühe genommen, die Absurditäten des Herrn Kolb am 25. Juni 1875
eingehend zu widerlegend) In diesem Gutachten erklärt Prof. Friedreich:
"Ich halte diese Meinung (des Dr. Kramer) für eine durchaus unhaltbare.
Die in der Leiche gefundenen Veränderungen konnten nimmermehr durch den
Geburtsakt veranlaßt sein, indem sogleich nach der Geburt die heftigen Gehirn¬
erscheinungen sich hätten einstellen müssen. Dem behandelnden Arzte aber irgend
ein Verschulden oder einen Beobachtungsfehler aufbürden zu wollen, als seien
vou demselben dem Auftreten der heftigen und plötzlichen Cerebralsymptome
vorausgehende Krankheitserscheinungen übersehen oder verkannt worden, würde
um so ungerechter sein, als man weiß, daß das Auftreten unerwarteter,
dnrch Congestionen veranlaßter Hirnzufälle inmitten eines äußerlichen Scheines
vollkommenen Wohlbefindens gerade bei Säuglingen keineswegs zu den Selten¬
heiten gehört und daß ebenso gewisse präexistirende Anomalien der inter-
craniucllen Gebilde theils latent bestehen, theils nur von unbestimmten, uube-
bedeutenden und vorübergehenden Symptomen begleitet sein können." Der
durch den Act über die Nothtaufe urkundlich feststehende Krankheitsverlauf des
Prinzen und das Sektionsprotvkoll geben Friedreich lediglich zu ähnlichen Be¬
merkungen Veranlassung. Er sagt: "Es wird kein triftiger, wissenschaftlich
haltbarer Grund gegen die Auffassung beigebracht werden können, daß eine
unerwartet und plötzlich eintretende Hyperämie des Gehirns und seiner Hänte
die "Gichter", von denen der Prinz am 18. Tage seines Lebens befallen wurde,
bedingte, und daß durch den "tödtlichen Stickfluß", dem der Prinz erlag, und
in dem wohl jeder Arzt eine Betheiligung der Respirationsmuskeln an den
konvulsivischen Bewegungen erkennen wird, jene Hyperämie des Gehirns und
seiner Häute bis zu hämorrhagischeu Vorgängen gesteigert wurde." Nach dem
Sektionsprotokoll aber bestanden nach Ansicht Friedreich's bei dem Prinzen,
"abgesehen von diesen hyperämisch-hämorrhagischen Zuständen auch noch ander¬
weitige pathologische Veränderungen, welche sehr wohl eine Disposition zu
einem plötzlichen Auftreten flnxionärer Hyperämien zum Gehirn und seinen
Händen mit sich bringen konnten." Daß im Sektionsprotokoll constatirt ist,
das Okmium sei für ein Kind von diesem Alter schon außerordentlich fest und
stark gewesen, und daß unter dem ^cmtorio osrödilll einige Loth Wasser ge¬
funden wurden u. s. w.", erklärt Friedreich für "positive Angaben, welche zu
der Annahme berechtigen, daß der Prinz bereits mit einem gewissen Grade von
Hyperostose der Schüdelknochen und von Hydrocephalie behaftet zur Welt kam,
somit in gewissem Grade kongentiale Störungen vorlagen, welche während der



') Mittelstadt theilt dieses Gutachten als AnllM 9 mit. Es füllt sechs Druckseite"
S. 163--168.

sich die Mühe genommen, die Absurditäten des Herrn Kolb am 25. Juni 1875
eingehend zu widerlegend) In diesem Gutachten erklärt Prof. Friedreich:
„Ich halte diese Meinung (des Dr. Kramer) für eine durchaus unhaltbare.
Die in der Leiche gefundenen Veränderungen konnten nimmermehr durch den
Geburtsakt veranlaßt sein, indem sogleich nach der Geburt die heftigen Gehirn¬
erscheinungen sich hätten einstellen müssen. Dem behandelnden Arzte aber irgend
ein Verschulden oder einen Beobachtungsfehler aufbürden zu wollen, als seien
vou demselben dem Auftreten der heftigen und plötzlichen Cerebralsymptome
vorausgehende Krankheitserscheinungen übersehen oder verkannt worden, würde
um so ungerechter sein, als man weiß, daß das Auftreten unerwarteter,
dnrch Congestionen veranlaßter Hirnzufälle inmitten eines äußerlichen Scheines
vollkommenen Wohlbefindens gerade bei Säuglingen keineswegs zu den Selten¬
heiten gehört und daß ebenso gewisse präexistirende Anomalien der inter-
craniucllen Gebilde theils latent bestehen, theils nur von unbestimmten, uube-
bedeutenden und vorübergehenden Symptomen begleitet sein können." Der
durch den Act über die Nothtaufe urkundlich feststehende Krankheitsverlauf des
Prinzen und das Sektionsprotvkoll geben Friedreich lediglich zu ähnlichen Be¬
merkungen Veranlassung. Er sagt: „Es wird kein triftiger, wissenschaftlich
haltbarer Grund gegen die Auffassung beigebracht werden können, daß eine
unerwartet und plötzlich eintretende Hyperämie des Gehirns und seiner Hänte
die „Gichter", von denen der Prinz am 18. Tage seines Lebens befallen wurde,
bedingte, und daß durch den „tödtlichen Stickfluß", dem der Prinz erlag, und
in dem wohl jeder Arzt eine Betheiligung der Respirationsmuskeln an den
konvulsivischen Bewegungen erkennen wird, jene Hyperämie des Gehirns und
seiner Häute bis zu hämorrhagischeu Vorgängen gesteigert wurde." Nach dem
Sektionsprotokoll aber bestanden nach Ansicht Friedreich's bei dem Prinzen,
„abgesehen von diesen hyperämisch-hämorrhagischen Zuständen auch noch ander¬
weitige pathologische Veränderungen, welche sehr wohl eine Disposition zu
einem plötzlichen Auftreten flnxionärer Hyperämien zum Gehirn und seinen
Händen mit sich bringen konnten." Daß im Sektionsprotokoll constatirt ist,
das Okmium sei für ein Kind von diesem Alter schon außerordentlich fest und
stark gewesen, und daß unter dem ^cmtorio osrödilll einige Loth Wasser ge¬
funden wurden u. s. w.", erklärt Friedreich für „positive Angaben, welche zu
der Annahme berechtigen, daß der Prinz bereits mit einem gewissen Grade von
Hyperostose der Schüdelknochen und von Hydrocephalie behaftet zur Welt kam,
somit in gewissem Grade kongentiale Störungen vorlagen, welche während der



') Mittelstadt theilt dieses Gutachten als AnllM 9 mit. Es füllt sechs Druckseite»
S. 163—168.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/480>, abgerufen am 27.07.2024.