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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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d'Argens, einen an d'Alembert geschrieben; keiner beschäftigt sich mit ernsthaften
Dingen, außer daß er dem Marquis aufträgt, Helvetius zu sagen, er solle ihm
einen Generalpächter und fünf Snbdelegirte schicke,:, die in den verschiedenen
Provinzen die Ausnahmen für die Zollpachten machen sollen, damit die Regie
den 1. Mai 1766 mit dem neue" Finanzjahre beginnen könne; die Pachter
sollten 6 Jahre laufen, und er selbst wolle sich mit 400,000 oder 100,000
Rthlr. betheiligen. -- Die Zeiteintheilung Friedrich's in Landeck war folgende:
In der Morgenfrühe nahm er das erste Bad, meist in der Wanne; um lO'/z
ging oder ritt er spazieren, um 12 Uhr nahm er das zweite Bad im Brunnen;
um 2 Uhr ging er zur Tafel; nach dem Mittagessen bis 7 Uhr las er; von
7--10 unterhielt er sich. Seinen täglichen Umgang wählte er so aus daß er
für ihn eine wirkliche Erholung, z. Th. sogar Belustigung bildete; nußer den
jungen Prinzen waren es zwei interessante und originelle, wenngleich höchst
verschiedene Menschen, die seinen Tisch, seine Spaziergänge und seine Abend-
Unterhaltung theilten, der Ubbo oder Propst Bcisticmi und der Graf Hoditz. --

Giovanni Battista Bastiani war der Sohn eines venetianischen Schneiders;
in das Paulinerkloster seiner Vaterstadt eingetreten, entwich er, fiel auf seinen
Irrfahrten preußischen Werbern in die Hände, denen seine Gestalt, Stärke und
Körpergröße in die Augen stachen, und kam so mit einem preußischen Regiment
nach Breslau, wo der Kardinal Fürstbischof v. Sinzendorf von seiner Lage
erfuhr, seiue Entlassung erwirkte und ihn als Sekretär und Hausgeistlichen zu
sich nahm. Dort lernte ihn der König kennen, dem sein gewandtes Benehmen
und seine Fertigkeit in der französischen Konversation wohl gefiel; er schenkte
dem Italiener seine volle Gunst, wandte ihm die Propstei des heiligen Kreuz¬
stifts zu Breslau, die des 2. Kollegiatstiftes in Neisse, die des Kollegiatstiftes
zu Großglvgan und schließlich eine Domherrnstelle in Breslau zu, zum
Theil im Widerspruch mit den betreffenden Kollegien, und zog ihn oft an den
Hof nach Potsdam. Anfangs mit dem Domherrn Gotthard Philipp Grafen
Schafgotsch befreundet, erwirkte Bastiani in Rom die Bestätigung desselben
zum Fürstbischof, wozu ihn Friedrich im Widerspruch mit dem Kapitel ernannt,
bei Benedikt XIV., von dem er auch für sich Befreiung vou deu Ordensgelübdeu
erlangte. Durch Verzicht auf eine reiche Erbschaft zu Gunsten der Schwester
des Erblassers (d'Atem/on) gewann er sich das Herz des Königs vollständig,
der ihn auch in der Durchsetzung seiner zweifelhaften Ansprüche ans die Ein¬
künfte des Domstiftes förderte. Mit Schafgotsch, der in ihm wohl einen un¬
willkommenen Nebenbuhler in der Gunst des Königs sah, zerfiel er sehr bald,
ebenso mit den übrigen Domherren, die in ihm einen Eindringling sahen, weil
er weder von Adel noch in Schlesien angesessen war. Da er vorschlug, die
Geistlichkeit solle ein Inventar aller Besitzungen und Einkünfte einreichen,


d'Argens, einen an d'Alembert geschrieben; keiner beschäftigt sich mit ernsthaften
Dingen, außer daß er dem Marquis aufträgt, Helvetius zu sagen, er solle ihm
einen Generalpächter und fünf Snbdelegirte schicke,:, die in den verschiedenen
Provinzen die Ausnahmen für die Zollpachten machen sollen, damit die Regie
den 1. Mai 1766 mit dem neue» Finanzjahre beginnen könne; die Pachter
sollten 6 Jahre laufen, und er selbst wolle sich mit 400,000 oder 100,000
Rthlr. betheiligen. — Die Zeiteintheilung Friedrich's in Landeck war folgende:
In der Morgenfrühe nahm er das erste Bad, meist in der Wanne; um lO'/z
ging oder ritt er spazieren, um 12 Uhr nahm er das zweite Bad im Brunnen;
um 2 Uhr ging er zur Tafel; nach dem Mittagessen bis 7 Uhr las er; von
7—10 unterhielt er sich. Seinen täglichen Umgang wählte er so aus daß er
für ihn eine wirkliche Erholung, z. Th. sogar Belustigung bildete; nußer den
jungen Prinzen waren es zwei interessante und originelle, wenngleich höchst
verschiedene Menschen, die seinen Tisch, seine Spaziergänge und seine Abend-
Unterhaltung theilten, der Ubbo oder Propst Bcisticmi und der Graf Hoditz. —

Giovanni Battista Bastiani war der Sohn eines venetianischen Schneiders;
in das Paulinerkloster seiner Vaterstadt eingetreten, entwich er, fiel auf seinen
Irrfahrten preußischen Werbern in die Hände, denen seine Gestalt, Stärke und
Körpergröße in die Augen stachen, und kam so mit einem preußischen Regiment
nach Breslau, wo der Kardinal Fürstbischof v. Sinzendorf von seiner Lage
erfuhr, seiue Entlassung erwirkte und ihn als Sekretär und Hausgeistlichen zu
sich nahm. Dort lernte ihn der König kennen, dem sein gewandtes Benehmen
und seine Fertigkeit in der französischen Konversation wohl gefiel; er schenkte
dem Italiener seine volle Gunst, wandte ihm die Propstei des heiligen Kreuz¬
stifts zu Breslau, die des 2. Kollegiatstiftes in Neisse, die des Kollegiatstiftes
zu Großglvgan und schließlich eine Domherrnstelle in Breslau zu, zum
Theil im Widerspruch mit den betreffenden Kollegien, und zog ihn oft an den
Hof nach Potsdam. Anfangs mit dem Domherrn Gotthard Philipp Grafen
Schafgotsch befreundet, erwirkte Bastiani in Rom die Bestätigung desselben
zum Fürstbischof, wozu ihn Friedrich im Widerspruch mit dem Kapitel ernannt,
bei Benedikt XIV., von dem er auch für sich Befreiung vou deu Ordensgelübdeu
erlangte. Durch Verzicht auf eine reiche Erbschaft zu Gunsten der Schwester
des Erblassers (d'Atem/on) gewann er sich das Herz des Königs vollständig,
der ihn auch in der Durchsetzung seiner zweifelhaften Ansprüche ans die Ein¬
künfte des Domstiftes förderte. Mit Schafgotsch, der in ihm wohl einen un¬
willkommenen Nebenbuhler in der Gunst des Königs sah, zerfiel er sehr bald,
ebenso mit den übrigen Domherren, die in ihm einen Eindringling sahen, weil
er weder von Adel noch in Schlesien angesessen war. Da er vorschlug, die
Geistlichkeit solle ein Inventar aller Besitzungen und Einkünfte einreichen,


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[0454] d'Argens, einen an d'Alembert geschrieben; keiner beschäftigt sich mit ernsthaften Dingen, außer daß er dem Marquis aufträgt, Helvetius zu sagen, er solle ihm einen Generalpächter und fünf Snbdelegirte schicke,:, die in den verschiedenen Provinzen die Ausnahmen für die Zollpachten machen sollen, damit die Regie den 1. Mai 1766 mit dem neue» Finanzjahre beginnen könne; die Pachter sollten 6 Jahre laufen, und er selbst wolle sich mit 400,000 oder 100,000 Rthlr. betheiligen. — Die Zeiteintheilung Friedrich's in Landeck war folgende: In der Morgenfrühe nahm er das erste Bad, meist in der Wanne; um lO'/z ging oder ritt er spazieren, um 12 Uhr nahm er das zweite Bad im Brunnen; um 2 Uhr ging er zur Tafel; nach dem Mittagessen bis 7 Uhr las er; von 7—10 unterhielt er sich. Seinen täglichen Umgang wählte er so aus daß er für ihn eine wirkliche Erholung, z. Th. sogar Belustigung bildete; nußer den jungen Prinzen waren es zwei interessante und originelle, wenngleich höchst verschiedene Menschen, die seinen Tisch, seine Spaziergänge und seine Abend- Unterhaltung theilten, der Ubbo oder Propst Bcisticmi und der Graf Hoditz. — Giovanni Battista Bastiani war der Sohn eines venetianischen Schneiders; in das Paulinerkloster seiner Vaterstadt eingetreten, entwich er, fiel auf seinen Irrfahrten preußischen Werbern in die Hände, denen seine Gestalt, Stärke und Körpergröße in die Augen stachen, und kam so mit einem preußischen Regiment nach Breslau, wo der Kardinal Fürstbischof v. Sinzendorf von seiner Lage erfuhr, seiue Entlassung erwirkte und ihn als Sekretär und Hausgeistlichen zu sich nahm. Dort lernte ihn der König kennen, dem sein gewandtes Benehmen und seine Fertigkeit in der französischen Konversation wohl gefiel; er schenkte dem Italiener seine volle Gunst, wandte ihm die Propstei des heiligen Kreuz¬ stifts zu Breslau, die des 2. Kollegiatstiftes in Neisse, die des Kollegiatstiftes zu Großglvgan und schließlich eine Domherrnstelle in Breslau zu, zum Theil im Widerspruch mit den betreffenden Kollegien, und zog ihn oft an den Hof nach Potsdam. Anfangs mit dem Domherrn Gotthard Philipp Grafen Schafgotsch befreundet, erwirkte Bastiani in Rom die Bestätigung desselben zum Fürstbischof, wozu ihn Friedrich im Widerspruch mit dem Kapitel ernannt, bei Benedikt XIV., von dem er auch für sich Befreiung vou deu Ordensgelübdeu erlangte. Durch Verzicht auf eine reiche Erbschaft zu Gunsten der Schwester des Erblassers (d'Atem/on) gewann er sich das Herz des Königs vollständig, der ihn auch in der Durchsetzung seiner zweifelhaften Ansprüche ans die Ein¬ künfte des Domstiftes förderte. Mit Schafgotsch, der in ihm wohl einen un¬ willkommenen Nebenbuhler in der Gunst des Königs sah, zerfiel er sehr bald, ebenso mit den übrigen Domherren, die in ihm einen Eindringling sahen, weil er weder von Adel noch in Schlesien angesessen war. Da er vorschlug, die Geistlichkeit solle ein Inventar aller Besitzungen und Einkünfte einreichen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/454>, abgerufen am 27.07.2024.