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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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d'Alembert an dieses Element halten. Der König hatte seine Spaziergänge mehr
und mehr ausdehnen können; am 8. August begann er seine Fnßpromenaden;
am 12. kam er bis an die halbwegs nach Stadt Landeck liegende steinerne
Brücke. Schließlich versuchte er auf die Berge zu steigen, was ihm auch
ohne Hilfe, sowohl hinauf wie herunter von Statten ging, gegen Ende seiner
Kur konnte er wieder ohne Hilfe aufs Pferd und herunter.

Das Baden selbst aber hat dem König kein Vergnügen gemacht. Er sah
sich als Objekt und nicht mehr als Herrn seines Willens, und dies versetzte ihn
in eine humoristisch-ironische Stimmung, in der er seine eigne Lage verspottete.
"Adieu, mein Lieber, ruft er Caet zu, und habt Mitleid mit denen, welche die
verhängnißvolle Verkettung der Dinge dazu zwingt, 80 Stunden im Wasser
zuzubringen." Ein andermal sagt er: "Ich schreibe Euch aus dem Wasser,
mein Lieber, in dem ich mehr als auf dem Lande lebe. Ich fange an, Fisch
oder Ente zu werden und weiß selbst nicht, welches von beiden. Es braucht
nur noch ein Ovid zu kommen, um meine Metamorphose zu feiern. Was
unsere guten Berliner albern sind Sie sagen, ich sei aufgeschwollen, schreibt
man. Was werden sie sagen, wenn sie mich mit Muscheln bedeckt und mit
Flossen geschmückt sehen werden." Der Kurfürstin Marie Antonie von Sachsen
schrieb er am 18. August: "Wenn man im Fegefeuer ist -- er hatte so eben
gesagt, er wolle für die Seele der verstorbenen Oberhofmeisterin der Kurfürstin
Messe lesen lassen -- glaube ich, nimmt man begierig die Ordre an, daraus
weggehen zu dürfen. Ich schließe dies aus meinem Zustande im Bade; ich
finde mich an der unrechten Stelle und sehr unbehaglich im Wasser; ich über¬
lasse gern dies Element den Steinbutten, Aalen, Hechten, Enten und ihres
Gleichen, und werde dem Himmel danken, wenn der Augenblick meiner Be¬
freiung gekommen sein wird." Er beklagt sich dann, daß er nicht wie sein
Bruder Prinz Heinrich, der sie in ihrem Paradiese (Pillnitz) besuchen dürfe,
eine Entschädigung für die Tage der Buße und Langeweile in Aussicht habe.
Er zählt in allen Briefen die Tage und Stunden, die ihm noch im Bade zu
verweilen vorgeschrieben seien; er freut sich, daß er auf seine Art zu haben,
das Stück Arbeit aufs Schnellste abmachen könne. Am drückendsten war ihm
der bedeutende Zeitaufwand. "Meine Bäder, schreibt er an Caet, nehmen
meine ganze Zeit in Anspruch. Ich hatte gehofft, hier ganz behaglich studiren
zu können; das Baden wirft meinen ganzen Plan über den Haufen; kaum
kann ich vier Stunden täglich lesen." Selbst seine Korrespondenz, die für ihn
tägliches Brot war, und die er in den heftigsten Krisen des siebenjährigen
Krieges eifrig fortgeführt hatte, mußte er auf ein äußerst geringes Maß be¬
schränken. In den ganzen 20 Tagen seines Landecker Aufenthalts hat er nur
fünf Briefe, zwei an Caet, einen an Marie Antonie, einen an den Marquis


Grenzboten II. 1S7S. ö?

d'Alembert an dieses Element halten. Der König hatte seine Spaziergänge mehr
und mehr ausdehnen können; am 8. August begann er seine Fnßpromenaden;
am 12. kam er bis an die halbwegs nach Stadt Landeck liegende steinerne
Brücke. Schließlich versuchte er auf die Berge zu steigen, was ihm auch
ohne Hilfe, sowohl hinauf wie herunter von Statten ging, gegen Ende seiner
Kur konnte er wieder ohne Hilfe aufs Pferd und herunter.

Das Baden selbst aber hat dem König kein Vergnügen gemacht. Er sah
sich als Objekt und nicht mehr als Herrn seines Willens, und dies versetzte ihn
in eine humoristisch-ironische Stimmung, in der er seine eigne Lage verspottete.
„Adieu, mein Lieber, ruft er Caet zu, und habt Mitleid mit denen, welche die
verhängnißvolle Verkettung der Dinge dazu zwingt, 80 Stunden im Wasser
zuzubringen." Ein andermal sagt er: „Ich schreibe Euch aus dem Wasser,
mein Lieber, in dem ich mehr als auf dem Lande lebe. Ich fange an, Fisch
oder Ente zu werden und weiß selbst nicht, welches von beiden. Es braucht
nur noch ein Ovid zu kommen, um meine Metamorphose zu feiern. Was
unsere guten Berliner albern sind Sie sagen, ich sei aufgeschwollen, schreibt
man. Was werden sie sagen, wenn sie mich mit Muscheln bedeckt und mit
Flossen geschmückt sehen werden." Der Kurfürstin Marie Antonie von Sachsen
schrieb er am 18. August: „Wenn man im Fegefeuer ist — er hatte so eben
gesagt, er wolle für die Seele der verstorbenen Oberhofmeisterin der Kurfürstin
Messe lesen lassen — glaube ich, nimmt man begierig die Ordre an, daraus
weggehen zu dürfen. Ich schließe dies aus meinem Zustande im Bade; ich
finde mich an der unrechten Stelle und sehr unbehaglich im Wasser; ich über¬
lasse gern dies Element den Steinbutten, Aalen, Hechten, Enten und ihres
Gleichen, und werde dem Himmel danken, wenn der Augenblick meiner Be¬
freiung gekommen sein wird." Er beklagt sich dann, daß er nicht wie sein
Bruder Prinz Heinrich, der sie in ihrem Paradiese (Pillnitz) besuchen dürfe,
eine Entschädigung für die Tage der Buße und Langeweile in Aussicht habe.
Er zählt in allen Briefen die Tage und Stunden, die ihm noch im Bade zu
verweilen vorgeschrieben seien; er freut sich, daß er auf seine Art zu haben,
das Stück Arbeit aufs Schnellste abmachen könne. Am drückendsten war ihm
der bedeutende Zeitaufwand. „Meine Bäder, schreibt er an Caet, nehmen
meine ganze Zeit in Anspruch. Ich hatte gehofft, hier ganz behaglich studiren
zu können; das Baden wirft meinen ganzen Plan über den Haufen; kaum
kann ich vier Stunden täglich lesen." Selbst seine Korrespondenz, die für ihn
tägliches Brot war, und die er in den heftigsten Krisen des siebenjährigen
Krieges eifrig fortgeführt hatte, mußte er auf ein äußerst geringes Maß be¬
schränken. In den ganzen 20 Tagen seines Landecker Aufenthalts hat er nur
fünf Briefe, zwei an Caet, einen an Marie Antonie, einen an den Marquis


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[0453] d'Alembert an dieses Element halten. Der König hatte seine Spaziergänge mehr und mehr ausdehnen können; am 8. August begann er seine Fnßpromenaden; am 12. kam er bis an die halbwegs nach Stadt Landeck liegende steinerne Brücke. Schließlich versuchte er auf die Berge zu steigen, was ihm auch ohne Hilfe, sowohl hinauf wie herunter von Statten ging, gegen Ende seiner Kur konnte er wieder ohne Hilfe aufs Pferd und herunter. Das Baden selbst aber hat dem König kein Vergnügen gemacht. Er sah sich als Objekt und nicht mehr als Herrn seines Willens, und dies versetzte ihn in eine humoristisch-ironische Stimmung, in der er seine eigne Lage verspottete. „Adieu, mein Lieber, ruft er Caet zu, und habt Mitleid mit denen, welche die verhängnißvolle Verkettung der Dinge dazu zwingt, 80 Stunden im Wasser zuzubringen." Ein andermal sagt er: „Ich schreibe Euch aus dem Wasser, mein Lieber, in dem ich mehr als auf dem Lande lebe. Ich fange an, Fisch oder Ente zu werden und weiß selbst nicht, welches von beiden. Es braucht nur noch ein Ovid zu kommen, um meine Metamorphose zu feiern. Was unsere guten Berliner albern sind Sie sagen, ich sei aufgeschwollen, schreibt man. Was werden sie sagen, wenn sie mich mit Muscheln bedeckt und mit Flossen geschmückt sehen werden." Der Kurfürstin Marie Antonie von Sachsen schrieb er am 18. August: „Wenn man im Fegefeuer ist — er hatte so eben gesagt, er wolle für die Seele der verstorbenen Oberhofmeisterin der Kurfürstin Messe lesen lassen — glaube ich, nimmt man begierig die Ordre an, daraus weggehen zu dürfen. Ich schließe dies aus meinem Zustande im Bade; ich finde mich an der unrechten Stelle und sehr unbehaglich im Wasser; ich über¬ lasse gern dies Element den Steinbutten, Aalen, Hechten, Enten und ihres Gleichen, und werde dem Himmel danken, wenn der Augenblick meiner Be¬ freiung gekommen sein wird." Er beklagt sich dann, daß er nicht wie sein Bruder Prinz Heinrich, der sie in ihrem Paradiese (Pillnitz) besuchen dürfe, eine Entschädigung für die Tage der Buße und Langeweile in Aussicht habe. Er zählt in allen Briefen die Tage und Stunden, die ihm noch im Bade zu verweilen vorgeschrieben seien; er freut sich, daß er auf seine Art zu haben, das Stück Arbeit aufs Schnellste abmachen könne. Am drückendsten war ihm der bedeutende Zeitaufwand. „Meine Bäder, schreibt er an Caet, nehmen meine ganze Zeit in Anspruch. Ich hatte gehofft, hier ganz behaglich studiren zu können; das Baden wirft meinen ganzen Plan über den Haufen; kaum kann ich vier Stunden täglich lesen." Selbst seine Korrespondenz, die für ihn tägliches Brot war, und die er in den heftigsten Krisen des siebenjährigen Krieges eifrig fortgeführt hatte, mußte er auf ein äußerst geringes Maß be¬ schränken. In den ganzen 20 Tagen seines Landecker Aufenthalts hat er nur fünf Briefe, zwei an Caet, einen an Marie Antonie, einen an den Marquis Grenzboten II. 1S7S. ö?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/453>, abgerufen am 27.07.2024.