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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Kranken, sodaß er das Bad in üblem Zustande verließ; jedoch wollte er nicht
davon gesprochen haben.

Der König dagegen "erspurte sehr bald die günstigen Wirkungen des
Bades. Er bekam schon in den ersten Tagen Appetit und gesunden, festen
Schlaf, so daß er einmal unerhörter Weise bis 7 Uhr schlief und beinahe die
Zeit des Morgenbades versäumt hätte; so berichtet Krüger schon am 12. August.
Beim Aufwachen sagte der König, er wüßte sich nicht zu erinnern, jemals im
Leben so gut geschlafen zu haben, äußerte auch, mit den Beinen ginge es schon
besser, und er habe mehr- Kraft darin, als bei der Ankunft. Am 11. August
schrieb der König an seinen Sekretär Caet/) seine Beine verloren die Ge¬
schwulst, und er befinde sich ziemlich wohl; man habe ihm gesagt, er werde in drei
Tagen die Hämorrhoiden oder die Krätze oder den Aussatz bekommen; er er¬
warte das Alles festen Fußes, bereit über die Wasserpropheten zu lachen, wenn
nichts von Allem eintreffe, und entzückt, wenn er diesen kleinen Kanton von
einem Vorurtheil heilen könne; das würde immerhin eine abergläubische Ein¬
bildung weniger geben. Mit diesen Aeußerungen stimmt Tarrach's Bericht
vom 13. August genau überein. Da sich jedoch der Ausschlag, ans deu es
nach Aussage der Aerzte ankam, nicht einstellte, beschied der König den Dr.
Goltz zu sich aufs Zimmer und konferirte mit ihm eine halbe Stunde. Goltz
erklärte, wo der Ausschlag ausbleibe, da gingen die Cruditäten durch den Urin;
da sagte der König, Goltz habe Recht, er habe während des Bades gefunden,
daß er ohne Unterlaß vor und nach dem Essen ungewöhnlich uriniren müsse,
als welches ihm auch lieber sei, als der Ausschlag. Am 19. August schrieb
er an den Marquis d'Argens, er verliere die Geschwulst an den Beinen völlig
und hoffe, daß seine Kräfte dann wiederkehren würden, an Caet schrieb er den
22., er befinde sich besser, seine Beine erlangten unmerklich ihre Elastizität
wieder; später, am Ili. September, konnte er Fouque melden, die Bäder von
Landeck hätten ihm den Gebrauch seiner Beine wiedergegeben, und es komme
ihm beinahe vor, als ob er die Gicht nie gehabt hätte. Auch d'Alembert
schrieb an den König am 28. Oktober, er habe gehört, daß die Kur vollkommen
gelungen sei, und daß, während der König nur mit Thales zu Philosophiren
glaubte, Hippokrates bei der Partie gewesen sei, zum Wohle seiner Unterthanen.
Der König hatte ihm nämlich am 20. August geschrieben, er sei jetzt Thales'
und Buffon's Schüler, und wenn er im Bade sitze, betrachte er das Wasser
als Prinzip aller Dinge; wenn das Wasser ihn schlecht denken lasse, solle sich



*) So ist der Brief der Oeuvres XXIV., S, 19 zu datiren, da der König darin sagt,
er habe 28 Stunden gebadet; den 5. fing er an, also ist der Brief am 11. .Nachmittags "der
Abends geschrieben.

Kranken, sodaß er das Bad in üblem Zustande verließ; jedoch wollte er nicht
davon gesprochen haben.

Der König dagegen »erspurte sehr bald die günstigen Wirkungen des
Bades. Er bekam schon in den ersten Tagen Appetit und gesunden, festen
Schlaf, so daß er einmal unerhörter Weise bis 7 Uhr schlief und beinahe die
Zeit des Morgenbades versäumt hätte; so berichtet Krüger schon am 12. August.
Beim Aufwachen sagte der König, er wüßte sich nicht zu erinnern, jemals im
Leben so gut geschlafen zu haben, äußerte auch, mit den Beinen ginge es schon
besser, und er habe mehr- Kraft darin, als bei der Ankunft. Am 11. August
schrieb der König an seinen Sekretär Caet/) seine Beine verloren die Ge¬
schwulst, und er befinde sich ziemlich wohl; man habe ihm gesagt, er werde in drei
Tagen die Hämorrhoiden oder die Krätze oder den Aussatz bekommen; er er¬
warte das Alles festen Fußes, bereit über die Wasserpropheten zu lachen, wenn
nichts von Allem eintreffe, und entzückt, wenn er diesen kleinen Kanton von
einem Vorurtheil heilen könne; das würde immerhin eine abergläubische Ein¬
bildung weniger geben. Mit diesen Aeußerungen stimmt Tarrach's Bericht
vom 13. August genau überein. Da sich jedoch der Ausschlag, ans deu es
nach Aussage der Aerzte ankam, nicht einstellte, beschied der König den Dr.
Goltz zu sich aufs Zimmer und konferirte mit ihm eine halbe Stunde. Goltz
erklärte, wo der Ausschlag ausbleibe, da gingen die Cruditäten durch den Urin;
da sagte der König, Goltz habe Recht, er habe während des Bades gefunden,
daß er ohne Unterlaß vor und nach dem Essen ungewöhnlich uriniren müsse,
als welches ihm auch lieber sei, als der Ausschlag. Am 19. August schrieb
er an den Marquis d'Argens, er verliere die Geschwulst an den Beinen völlig
und hoffe, daß seine Kräfte dann wiederkehren würden, an Caet schrieb er den
22., er befinde sich besser, seine Beine erlangten unmerklich ihre Elastizität
wieder; später, am Ili. September, konnte er Fouque melden, die Bäder von
Landeck hätten ihm den Gebrauch seiner Beine wiedergegeben, und es komme
ihm beinahe vor, als ob er die Gicht nie gehabt hätte. Auch d'Alembert
schrieb an den König am 28. Oktober, er habe gehört, daß die Kur vollkommen
gelungen sei, und daß, während der König nur mit Thales zu Philosophiren
glaubte, Hippokrates bei der Partie gewesen sei, zum Wohle seiner Unterthanen.
Der König hatte ihm nämlich am 20. August geschrieben, er sei jetzt Thales'
und Buffon's Schüler, und wenn er im Bade sitze, betrachte er das Wasser
als Prinzip aller Dinge; wenn das Wasser ihn schlecht denken lasse, solle sich



*) So ist der Brief der Oeuvres XXIV., S, 19 zu datiren, da der König darin sagt,
er habe 28 Stunden gebadet; den 5. fing er an, also ist der Brief am 11. .Nachmittags »der
Abends geschrieben.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/452>, abgerufen am 27.07.2024.